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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Auch ein anderer Schüler von Cornelius, einer der älteren, G. K. Pfcinn-
schmidt, der noch heute bisweilen auf unseren Kunstausstellungen mit reli¬
giösen Bildern, meist mit Kartons, im cornelianischen Stile erscheint, vermochte,
obwohl er als Lehrer an der Kunstakademie thätig war und ist, keinen Einfluß
auf die Berliner Kunst zu gewinnen.

Gelang es doch nicht einmal einem größeren, der dem Cornelius zunächst
stand und diesen während seiner letzten Lebensjahre in Berlin durch den Glanz
seiner Arbeiten sogar verdunkelte, Wilhelm Kaulbach! Und dennoch hatte
Kaulbach durch seine kolossalen Wandgemälde im Neuen Museum, an denen er
sechszehn Sommer hindurch, 1L47--1863, nur von wenigen, aus München mit¬
gebrachten Schülern unterstützt, arbeitete, bei dem Berliner Publikum einen beispiel¬
losen Erfolg. Er war Protestant und gab seinem Glaubensbekenntniß in dem
großen Reformationsbilde, trotz aller gegnerischen Bemühungen, die Verherr¬
lichung der Reformation an so hervorragender Stelle zu verhindern, energischen
Ausdruck, während Cornelius bei den Berlinern im Rufe ultramontaner Nei¬
gungen stand. Die kunstgeschichtlichen Fresken Kaulbach's an der Neuen Pina¬
kothek in München hatten seinen ehemaligen Freund und Lehrer um ihres
satyrischen Charakters willen tief verletzt. Es folgte zwar eine Versöhnung
zwischen den beiden Meistern. Aber Cornelius' Verstimmung gegen Kaulbach
wuchs von Jahr zu Jahr. Er mußte sehen, wie seine Entwürfe zum Kam-
posanto hinter den kolossalen Schöpfungen Kaulbach's vergessen wurden, er mußte
sehen, wie ganz Berlin dem jüngeren Meister zujubelte, und als Kaulbach zur
Vollendung seines Reformationsbildes nach Berlin gekommen war und wie
gewöhnlich Cornelius seinen Besuch machte, erfolgte von Seiten des letzteren
eine herbe Zurückweisung, die in ihrer Form schwerlich entschuldigt werden
kann. "Ich will von Ihrem Reformationsbilde nichts wissen! Ich bin Katho¬
lik!" Mit diesen Worten beantwortete er den Gruß Kaulbach's, der darauf
stumm den Rücken wandte, um seinen Meister nie wiederzusehen.

Daß auch Kaulbach in Berlin keinen Boden und keine Nachfolge fand,
war nicht sowohl in seiner Persönlichkeit als in dem Charakter oder --
wenn man ein strenges Wort anwenden will -- in der Charakterlosigkeit seiner
Kunst begründet. In einer Künstlergenossenschaft, welche dem belgischen und
dem Düsseldorfer Farbenrealismus huldigte, konnte -- und hier war zunächst
dasselbe Moment wie bei Cornelius maßgebend -- ein Mann keinen Einfluß
gewinnen, der einem ausgesprochenen, wenn auch vielleicht falsch verstandenen
Idealismus huldigte und der die Oeltechnik wenig und nicht mit Geschick kul-
tivirte. Während das große Publikum mit Eifer den Offenbarungen des Kaul-
bach'schen Geistes folgte und mit wahrer Wonne die historischen Hieroglyphen
entzifferte, mit welchen Kaulbach Wandflächen von einer Dimension bemalte,


Auch ein anderer Schüler von Cornelius, einer der älteren, G. K. Pfcinn-
schmidt, der noch heute bisweilen auf unseren Kunstausstellungen mit reli¬
giösen Bildern, meist mit Kartons, im cornelianischen Stile erscheint, vermochte,
obwohl er als Lehrer an der Kunstakademie thätig war und ist, keinen Einfluß
auf die Berliner Kunst zu gewinnen.

Gelang es doch nicht einmal einem größeren, der dem Cornelius zunächst
stand und diesen während seiner letzten Lebensjahre in Berlin durch den Glanz
seiner Arbeiten sogar verdunkelte, Wilhelm Kaulbach! Und dennoch hatte
Kaulbach durch seine kolossalen Wandgemälde im Neuen Museum, an denen er
sechszehn Sommer hindurch, 1L47—1863, nur von wenigen, aus München mit¬
gebrachten Schülern unterstützt, arbeitete, bei dem Berliner Publikum einen beispiel¬
losen Erfolg. Er war Protestant und gab seinem Glaubensbekenntniß in dem
großen Reformationsbilde, trotz aller gegnerischen Bemühungen, die Verherr¬
lichung der Reformation an so hervorragender Stelle zu verhindern, energischen
Ausdruck, während Cornelius bei den Berlinern im Rufe ultramontaner Nei¬
gungen stand. Die kunstgeschichtlichen Fresken Kaulbach's an der Neuen Pina¬
kothek in München hatten seinen ehemaligen Freund und Lehrer um ihres
satyrischen Charakters willen tief verletzt. Es folgte zwar eine Versöhnung
zwischen den beiden Meistern. Aber Cornelius' Verstimmung gegen Kaulbach
wuchs von Jahr zu Jahr. Er mußte sehen, wie seine Entwürfe zum Kam-
posanto hinter den kolossalen Schöpfungen Kaulbach's vergessen wurden, er mußte
sehen, wie ganz Berlin dem jüngeren Meister zujubelte, und als Kaulbach zur
Vollendung seines Reformationsbildes nach Berlin gekommen war und wie
gewöhnlich Cornelius seinen Besuch machte, erfolgte von Seiten des letzteren
eine herbe Zurückweisung, die in ihrer Form schwerlich entschuldigt werden
kann. „Ich will von Ihrem Reformationsbilde nichts wissen! Ich bin Katho¬
lik!" Mit diesen Worten beantwortete er den Gruß Kaulbach's, der darauf
stumm den Rücken wandte, um seinen Meister nie wiederzusehen.

Daß auch Kaulbach in Berlin keinen Boden und keine Nachfolge fand,
war nicht sowohl in seiner Persönlichkeit als in dem Charakter oder —
wenn man ein strenges Wort anwenden will — in der Charakterlosigkeit seiner
Kunst begründet. In einer Künstlergenossenschaft, welche dem belgischen und
dem Düsseldorfer Farbenrealismus huldigte, konnte — und hier war zunächst
dasselbe Moment wie bei Cornelius maßgebend — ein Mann keinen Einfluß
gewinnen, der einem ausgesprochenen, wenn auch vielleicht falsch verstandenen
Idealismus huldigte und der die Oeltechnik wenig und nicht mit Geschick kul-
tivirte. Während das große Publikum mit Eifer den Offenbarungen des Kaul-
bach'schen Geistes folgte und mit wahrer Wonne die historischen Hieroglyphen
entzifferte, mit welchen Kaulbach Wandflächen von einer Dimension bemalte,


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[0166] Auch ein anderer Schüler von Cornelius, einer der älteren, G. K. Pfcinn- schmidt, der noch heute bisweilen auf unseren Kunstausstellungen mit reli¬ giösen Bildern, meist mit Kartons, im cornelianischen Stile erscheint, vermochte, obwohl er als Lehrer an der Kunstakademie thätig war und ist, keinen Einfluß auf die Berliner Kunst zu gewinnen. Gelang es doch nicht einmal einem größeren, der dem Cornelius zunächst stand und diesen während seiner letzten Lebensjahre in Berlin durch den Glanz seiner Arbeiten sogar verdunkelte, Wilhelm Kaulbach! Und dennoch hatte Kaulbach durch seine kolossalen Wandgemälde im Neuen Museum, an denen er sechszehn Sommer hindurch, 1L47—1863, nur von wenigen, aus München mit¬ gebrachten Schülern unterstützt, arbeitete, bei dem Berliner Publikum einen beispiel¬ losen Erfolg. Er war Protestant und gab seinem Glaubensbekenntniß in dem großen Reformationsbilde, trotz aller gegnerischen Bemühungen, die Verherr¬ lichung der Reformation an so hervorragender Stelle zu verhindern, energischen Ausdruck, während Cornelius bei den Berlinern im Rufe ultramontaner Nei¬ gungen stand. Die kunstgeschichtlichen Fresken Kaulbach's an der Neuen Pina¬ kothek in München hatten seinen ehemaligen Freund und Lehrer um ihres satyrischen Charakters willen tief verletzt. Es folgte zwar eine Versöhnung zwischen den beiden Meistern. Aber Cornelius' Verstimmung gegen Kaulbach wuchs von Jahr zu Jahr. Er mußte sehen, wie seine Entwürfe zum Kam- posanto hinter den kolossalen Schöpfungen Kaulbach's vergessen wurden, er mußte sehen, wie ganz Berlin dem jüngeren Meister zujubelte, und als Kaulbach zur Vollendung seines Reformationsbildes nach Berlin gekommen war und wie gewöhnlich Cornelius seinen Besuch machte, erfolgte von Seiten des letzteren eine herbe Zurückweisung, die in ihrer Form schwerlich entschuldigt werden kann. „Ich will von Ihrem Reformationsbilde nichts wissen! Ich bin Katho¬ lik!" Mit diesen Worten beantwortete er den Gruß Kaulbach's, der darauf stumm den Rücken wandte, um seinen Meister nie wiederzusehen. Daß auch Kaulbach in Berlin keinen Boden und keine Nachfolge fand, war nicht sowohl in seiner Persönlichkeit als in dem Charakter oder — wenn man ein strenges Wort anwenden will — in der Charakterlosigkeit seiner Kunst begründet. In einer Künstlergenossenschaft, welche dem belgischen und dem Düsseldorfer Farbenrealismus huldigte, konnte — und hier war zunächst dasselbe Moment wie bei Cornelius maßgebend — ein Mann keinen Einfluß gewinnen, der einem ausgesprochenen, wenn auch vielleicht falsch verstandenen Idealismus huldigte und der die Oeltechnik wenig und nicht mit Geschick kul- tivirte. Während das große Publikum mit Eifer den Offenbarungen des Kaul- bach'schen Geistes folgte und mit wahrer Wonne die historischen Hieroglyphen entzifferte, mit welchen Kaulbach Wandflächen von einer Dimension bemalte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/166>, abgerufen am 27.07.2024.