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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Otto scheute sich nun nicht, die Ueberfahrt nach dem gefürchteten Wollin
ans der Insel gleichen Namens anzutreten. Das günstige Resultat seiner bis¬
herigen Thätigkeit erweckte in ihm die freudigsten Erwartungen und er hoffte
wie bisher auch dort freien Zugang für seine Lehre zu finden. Allein er irrte.
Bekannt mit dem trotzigen Sinn der Bürger dieses mächtigen Handelsortes,
zog er Nachts in ihre Stadt ein und zwar in den Hof des Herzogs, welcher
allein der von allen Seiten, besonders durch Boleslav bedrängten Priesterschaft
Hülfe durch Aufnahme in sein Haus gewährte. Als nun die Wolliner ver¬
nahmen, der deutsche Bischof mit der fremden Lehre, die sie nicht wollten, sei
in die Zufluchtsstätte ihrer Priester eingedrungen, da erhob sich der Hause in
finsterer Nacht und mit Gewalt wurde Otto zurück und aus der Stadt ge¬
trieben. Ein Kolbenhieb verwundete ihn und dem muthigen Paulitsch gelang
es nicht, ihn vor weiteren Mißhandlungen zu schützen; aber, was konnte dem
ehrgeizigen Manne gelegener kommen, als dies? Mit Freudenzähren im Auge
dankte er in höchster Extase dem Himmel für die ihm erwiesene Gnade, Schmach
und Schmerzen für seine Kirche erleiden zu dürfen! --

Zuvörderst lagerte sich nun der Bischof vor der Stadt. Von Tag zu
Tag harrte er, daß die Bürger Wollins zu ihm kommen würden, um seine
Predigt zu hören -- endlich erschien die Vorsteherschaft, durch die Furcht vor
Bolevlav's Zorn getrieben und bat wegen der geschehenen Gewaltthat um
Vergebung. Die Taufe zu nehmen, lehnte sie aber entschieden ab und er¬
klärte, daß sie dies erst thun würde, wenn sich Stettin dazu bequemte. Alle
Versuche, sie anders zu stimmen, die sanftesten wie die feurigsten Ermahnungen
Otto's, die heftigsten Drohungen mit der Strafe des Himmels und des Polen¬
herzogs fruchteten nichts -- die trotzigen Wolliner, die nicht gewohnt waren,
Befehle zu empfangen, sondern selbst zu ertheilen, beharrten bei ihrem Beschluß.
So blieb denn dem Bischof, dem "Apostel der Pommern," wie man ihn jetzt
schon nannte, nichts anderes übrig, als nach Stettin über das Haff zu fahren.
Derselbe Widerstand! Zwar traktirte man ihn nicht, wie in Wollin, mit
Schlägen; zwar war man höflicher und geschmeidiger als dort, aber das Fest¬
halten an der alten Religion war nicht geringer. Otto mußte ans die Zeit
und ihren Einfluß hoffen. Immerhin fanden sich ja Einige, die seinen Worten
lauschten, mancher ließ sich im Stillen taufen und suchte seine Nachbarn und
Gefrennde zu gleichem zu bestimmen, und das Häuflein der Gläubigen ward
immer größer. Inzwischen schickte er seinen Begleiter Panlitsch zum Herzog
zurück, um über die Dinge zu berichten; und sobald dies die Stettiner erfuhren,
sandten auch sie eine Gesandtschaft an Boleslav, durch die sie sich zur Taufe
bereit erklären ließen, wenn ihnen ein urkundlicher Friede und eine Verminde¬
rung der Steuern zu Theil würde. Wohl mochten sie im Stillen hoffen, daß


Otto scheute sich nun nicht, die Ueberfahrt nach dem gefürchteten Wollin
ans der Insel gleichen Namens anzutreten. Das günstige Resultat seiner bis¬
herigen Thätigkeit erweckte in ihm die freudigsten Erwartungen und er hoffte
wie bisher auch dort freien Zugang für seine Lehre zu finden. Allein er irrte.
Bekannt mit dem trotzigen Sinn der Bürger dieses mächtigen Handelsortes,
zog er Nachts in ihre Stadt ein und zwar in den Hof des Herzogs, welcher
allein der von allen Seiten, besonders durch Boleslav bedrängten Priesterschaft
Hülfe durch Aufnahme in sein Haus gewährte. Als nun die Wolliner ver¬
nahmen, der deutsche Bischof mit der fremden Lehre, die sie nicht wollten, sei
in die Zufluchtsstätte ihrer Priester eingedrungen, da erhob sich der Hause in
finsterer Nacht und mit Gewalt wurde Otto zurück und aus der Stadt ge¬
trieben. Ein Kolbenhieb verwundete ihn und dem muthigen Paulitsch gelang
es nicht, ihn vor weiteren Mißhandlungen zu schützen; aber, was konnte dem
ehrgeizigen Manne gelegener kommen, als dies? Mit Freudenzähren im Auge
dankte er in höchster Extase dem Himmel für die ihm erwiesene Gnade, Schmach
und Schmerzen für seine Kirche erleiden zu dürfen! —

Zuvörderst lagerte sich nun der Bischof vor der Stadt. Von Tag zu
Tag harrte er, daß die Bürger Wollins zu ihm kommen würden, um seine
Predigt zu hören — endlich erschien die Vorsteherschaft, durch die Furcht vor
Bolevlav's Zorn getrieben und bat wegen der geschehenen Gewaltthat um
Vergebung. Die Taufe zu nehmen, lehnte sie aber entschieden ab und er¬
klärte, daß sie dies erst thun würde, wenn sich Stettin dazu bequemte. Alle
Versuche, sie anders zu stimmen, die sanftesten wie die feurigsten Ermahnungen
Otto's, die heftigsten Drohungen mit der Strafe des Himmels und des Polen¬
herzogs fruchteten nichts — die trotzigen Wolliner, die nicht gewohnt waren,
Befehle zu empfangen, sondern selbst zu ertheilen, beharrten bei ihrem Beschluß.
So blieb denn dem Bischof, dem „Apostel der Pommern," wie man ihn jetzt
schon nannte, nichts anderes übrig, als nach Stettin über das Haff zu fahren.
Derselbe Widerstand! Zwar traktirte man ihn nicht, wie in Wollin, mit
Schlägen; zwar war man höflicher und geschmeidiger als dort, aber das Fest¬
halten an der alten Religion war nicht geringer. Otto mußte ans die Zeit
und ihren Einfluß hoffen. Immerhin fanden sich ja Einige, die seinen Worten
lauschten, mancher ließ sich im Stillen taufen und suchte seine Nachbarn und
Gefrennde zu gleichem zu bestimmen, und das Häuflein der Gläubigen ward
immer größer. Inzwischen schickte er seinen Begleiter Panlitsch zum Herzog
zurück, um über die Dinge zu berichten; und sobald dies die Stettiner erfuhren,
sandten auch sie eine Gesandtschaft an Boleslav, durch die sie sich zur Taufe
bereit erklären ließen, wenn ihnen ein urkundlicher Friede und eine Verminde¬
rung der Steuern zu Theil würde. Wohl mochten sie im Stillen hoffen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/120>, abgerufen am 27.07.2024.