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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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griffen, das heidnische Pommern zu bekehren oder sein Leben durch einen
rühmlichen Märtyrertod zu enden, beschloß, das begonnene Werk fortzusetzen.
Und er war wohl der geeignete Mann dazu. Seine Beredtsamkeit war
glänzend, sein Auftreten einfach und doch im höchsten Grade imponirend,
seine Kenntnisse in der Verwaltung kirchlicher und öffentlicher Aemter
durch langjährige Thätigkeit in derselben wohlbefestigt. Dabei war er reich,
an ein pomphaftes Leben gewöhnt, durch Freigebigkeit und Milde geadelt und
ein brennender Ehrgeiz trieb ihn an, unüberwindlich scheinende Schranken
zu durchbrechen und sein Panier mit dem christlichen Kreuz auf dem eroberten
Bollwerk aufzupflanzen. So machte er sich denn nach Ostern 1124 auf den
Weg nach Polen und wurde in Gnesen feierlich von dem Herzog Boleslav
empfangen, der als ein eifriger Anhänger der christlichen Kirche selbst die höch¬
sten Anstrengungen machte, die Bewohner der von ihm erst kürzlich gedemüthigten
Westpommerschen Lande unter das Christenthum zu beugen und somit um so
fester mit seiner Herrschaft zu verkitten. Paulitsch, Kastellan von Santok,
geleitete als Bevollmächtigter des Herzogs alsdann den Bischof durch den
schauerlichen Grenzwald an der Netze nach Useez und weiter nach Pyriz. Hier
traf Otto eine große Festversammlung zu Ehren einer slavischen Gottheit an
und begann sogleich seine Bekehrungsversuche. Und wirklich bequemte sich das
niedere Volk, durch Zureden der ihn begleitenden, schon früher für das Christen¬
thum gewonnenen polnischen Edeln und eine feurige Rede seinerseits bewogen,
zur Taufe und mehrere Tausende erhielten in wenigen Tagen dieselbe. Das
war im Juni 1124.*)

Vorläufig zog Otto nicht weiter. Er mühte sich, zunächst den Getauften
die Grundlehren der christlichen Religion einzuflößen; eine kleine Kapelle ward
schnell errichtet, die heidnischen Götzen zertrümmert und die erste Gemeinde
war geschaffen.

Weiter zog Otto nach Kammin. Auch hier fand seine Lehre die günstigste
Aufnahme, der dort refidirende Herzog ließ sich taufen, eine Kirche erbauen
und nahm einen Priester bei sich auf.



') Die im Lauf der Jahrhunderte fast vergessene Stelle, wo die heidnischen Pommern
die erste Taufe empfingen, ist in neuerer Zeit renovirt worden. Wiese und Gebüsch süd¬
östlich von Pyriz, bei der sogen. Altstadt, dem ehemaligen Hauptorte, haben sich 1824 in
einen idyllischen kleinen Park verwandelt und ein mächtiges Krenz aus Granit ist vor dem
Taufbecken errichtet worden, welches die Inschrift trägt: ^.ä toutsiu vies,s nov käiw xro-
psrats 1g,og,uäi -- vonstÄiitis vitas ^ ^° ^ erit. Ferner liest man: Bischof Otto
von Bamberg taufte zuerst die Pommern aus dieser Quelle am Is. Junius 1124. Friedrich
Wilhelm III. und seine Söhne, Friedrich Wilhelm, Kronprinz, Friedrich Wilhelm Ludwig,
Friedrich Karl, Alexander Friedrich Heinrich Albrecht, errichteten dieses Denkmal zum
Andenken jener Tage am Is. Junius 1824. A. d. V.

griffen, das heidnische Pommern zu bekehren oder sein Leben durch einen
rühmlichen Märtyrertod zu enden, beschloß, das begonnene Werk fortzusetzen.
Und er war wohl der geeignete Mann dazu. Seine Beredtsamkeit war
glänzend, sein Auftreten einfach und doch im höchsten Grade imponirend,
seine Kenntnisse in der Verwaltung kirchlicher und öffentlicher Aemter
durch langjährige Thätigkeit in derselben wohlbefestigt. Dabei war er reich,
an ein pomphaftes Leben gewöhnt, durch Freigebigkeit und Milde geadelt und
ein brennender Ehrgeiz trieb ihn an, unüberwindlich scheinende Schranken
zu durchbrechen und sein Panier mit dem christlichen Kreuz auf dem eroberten
Bollwerk aufzupflanzen. So machte er sich denn nach Ostern 1124 auf den
Weg nach Polen und wurde in Gnesen feierlich von dem Herzog Boleslav
empfangen, der als ein eifriger Anhänger der christlichen Kirche selbst die höch¬
sten Anstrengungen machte, die Bewohner der von ihm erst kürzlich gedemüthigten
Westpommerschen Lande unter das Christenthum zu beugen und somit um so
fester mit seiner Herrschaft zu verkitten. Paulitsch, Kastellan von Santok,
geleitete als Bevollmächtigter des Herzogs alsdann den Bischof durch den
schauerlichen Grenzwald an der Netze nach Useez und weiter nach Pyriz. Hier
traf Otto eine große Festversammlung zu Ehren einer slavischen Gottheit an
und begann sogleich seine Bekehrungsversuche. Und wirklich bequemte sich das
niedere Volk, durch Zureden der ihn begleitenden, schon früher für das Christen¬
thum gewonnenen polnischen Edeln und eine feurige Rede seinerseits bewogen,
zur Taufe und mehrere Tausende erhielten in wenigen Tagen dieselbe. Das
war im Juni 1124.*)

Vorläufig zog Otto nicht weiter. Er mühte sich, zunächst den Getauften
die Grundlehren der christlichen Religion einzuflößen; eine kleine Kapelle ward
schnell errichtet, die heidnischen Götzen zertrümmert und die erste Gemeinde
war geschaffen.

Weiter zog Otto nach Kammin. Auch hier fand seine Lehre die günstigste
Aufnahme, der dort refidirende Herzog ließ sich taufen, eine Kirche erbauen
und nahm einen Priester bei sich auf.



') Die im Lauf der Jahrhunderte fast vergessene Stelle, wo die heidnischen Pommern
die erste Taufe empfingen, ist in neuerer Zeit renovirt worden. Wiese und Gebüsch süd¬
östlich von Pyriz, bei der sogen. Altstadt, dem ehemaligen Hauptorte, haben sich 1824 in
einen idyllischen kleinen Park verwandelt und ein mächtiges Krenz aus Granit ist vor dem
Taufbecken errichtet worden, welches die Inschrift trägt: ^.ä toutsiu vies,s nov käiw xro-
psrats 1g,og,uäi — vonstÄiitis vitas ^ ^° ^ erit. Ferner liest man: Bischof Otto
von Bamberg taufte zuerst die Pommern aus dieser Quelle am Is. Junius 1124. Friedrich
Wilhelm III. und seine Söhne, Friedrich Wilhelm, Kronprinz, Friedrich Wilhelm Ludwig,
Friedrich Karl, Alexander Friedrich Heinrich Albrecht, errichteten dieses Denkmal zum
Andenken jener Tage am Is. Junius 1824. A. d. V.
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[0119] griffen, das heidnische Pommern zu bekehren oder sein Leben durch einen rühmlichen Märtyrertod zu enden, beschloß, das begonnene Werk fortzusetzen. Und er war wohl der geeignete Mann dazu. Seine Beredtsamkeit war glänzend, sein Auftreten einfach und doch im höchsten Grade imponirend, seine Kenntnisse in der Verwaltung kirchlicher und öffentlicher Aemter durch langjährige Thätigkeit in derselben wohlbefestigt. Dabei war er reich, an ein pomphaftes Leben gewöhnt, durch Freigebigkeit und Milde geadelt und ein brennender Ehrgeiz trieb ihn an, unüberwindlich scheinende Schranken zu durchbrechen und sein Panier mit dem christlichen Kreuz auf dem eroberten Bollwerk aufzupflanzen. So machte er sich denn nach Ostern 1124 auf den Weg nach Polen und wurde in Gnesen feierlich von dem Herzog Boleslav empfangen, der als ein eifriger Anhänger der christlichen Kirche selbst die höch¬ sten Anstrengungen machte, die Bewohner der von ihm erst kürzlich gedemüthigten Westpommerschen Lande unter das Christenthum zu beugen und somit um so fester mit seiner Herrschaft zu verkitten. Paulitsch, Kastellan von Santok, geleitete als Bevollmächtigter des Herzogs alsdann den Bischof durch den schauerlichen Grenzwald an der Netze nach Useez und weiter nach Pyriz. Hier traf Otto eine große Festversammlung zu Ehren einer slavischen Gottheit an und begann sogleich seine Bekehrungsversuche. Und wirklich bequemte sich das niedere Volk, durch Zureden der ihn begleitenden, schon früher für das Christen¬ thum gewonnenen polnischen Edeln und eine feurige Rede seinerseits bewogen, zur Taufe und mehrere Tausende erhielten in wenigen Tagen dieselbe. Das war im Juni 1124.*) Vorläufig zog Otto nicht weiter. Er mühte sich, zunächst den Getauften die Grundlehren der christlichen Religion einzuflößen; eine kleine Kapelle ward schnell errichtet, die heidnischen Götzen zertrümmert und die erste Gemeinde war geschaffen. Weiter zog Otto nach Kammin. Auch hier fand seine Lehre die günstigste Aufnahme, der dort refidirende Herzog ließ sich taufen, eine Kirche erbauen und nahm einen Priester bei sich auf. ') Die im Lauf der Jahrhunderte fast vergessene Stelle, wo die heidnischen Pommern die erste Taufe empfingen, ist in neuerer Zeit renovirt worden. Wiese und Gebüsch süd¬ östlich von Pyriz, bei der sogen. Altstadt, dem ehemaligen Hauptorte, haben sich 1824 in einen idyllischen kleinen Park verwandelt und ein mächtiges Krenz aus Granit ist vor dem Taufbecken errichtet worden, welches die Inschrift trägt: ^.ä toutsiu vies,s nov käiw xro- psrats 1g,og,uäi — vonstÄiitis vitas ^ ^° ^ erit. Ferner liest man: Bischof Otto von Bamberg taufte zuerst die Pommern aus dieser Quelle am Is. Junius 1124. Friedrich Wilhelm III. und seine Söhne, Friedrich Wilhelm, Kronprinz, Friedrich Wilhelm Ludwig, Friedrich Karl, Alexander Friedrich Heinrich Albrecht, errichteten dieses Denkmal zum Andenken jener Tage am Is. Junius 1824. A. d. V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/119>, abgerufen am 28.12.2024.