Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.Hamburg und Bremen wenig Anklang. -- Viel Staub wirbelte daneben die Außerdem passirte ein Gesetzentwurf wegen Anlage neuer Eisenbahnen in Grenzboten II, 1873.l"
Hamburg und Bremen wenig Anklang. — Viel Staub wirbelte daneben die Außerdem passirte ein Gesetzentwurf wegen Anlage neuer Eisenbahnen in Grenzboten II, 1873.l„
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139938"/> <p xml:id="ID_404" prev="#ID_403"> Hamburg und Bremen wenig Anklang. — Viel Staub wirbelte daneben die<lb/> Frage der Einführung einer Uebergangsabgabe von Essig, der aus Süddeutsch¬<lb/> land in das norddeutsche Branntweinsteuergebiet eingeht, auf, und zwar wegen<lb/> ihrer formal-rechtlichen noch mehr, als wegen ihrer materiellen Seite. In<lb/> letzterer Beziehung wurde die bestehende Ungleichheit der Besteuerung der<lb/> Essigfabrikation in Norddeutschland und in Süddeutschland allgemein als ein<lb/> Uebelstand anerkannt; nur ging die Meinung des Reichstages überwiegend da¬<lb/> hin, daß die Beseitigung desselben nicht durch Einführung eines dem Wesen<lb/> der Reichsverfassung widersprechenden Binnenzolles, sondern vielmehr durch die<lb/> Unifikation des Branntweinsteuerwesens für das ganze Reichsgebiet zu erstre¬<lb/> ben sei. Die rechtliche Bedeutung der Frage liegt in der Kontroverse, ob die<lb/> in Rede stehende Uebergangsabgabe einfach durch Bundesrathsbeschluß ein¬<lb/> geführt werden könne, oder ob es dazu eines Gesetzes bedürfe. Der Bundes¬<lb/> rath behauptet das Erstere und führt für diese Auffassung an, daß die Ueber¬<lb/> gangsabgabe von Essig eine selbstverständliche Konsequenz der Uebergangs¬<lb/> abgabe von Branntwein und Spiritus sei. Der Reichstag dagegen ist der<lb/> entgegengesetzten Meinung und wird derselben wahrscheinlich in aller Kürze<lb/> durch eine förmliche Resolution Ausdruck geben. Da der Bundesrath einen<lb/> definitiven Beschluß in der Angelegenheit übrigens noch nicht gefaßt hat, so<lb/> wird man voraussetzen dürfen, daß er einen Konflikt mit dem Reichstage ver¬<lb/> meiden wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_405"> Außerdem passirte ein Gesetzentwurf wegen Anlage neuer Eisenbahnen in<lb/> Lothringen die beiden ersten Lesungen und wurde eine Anzahl rückständiger<lb/> Wahlprüfungen erledigt. Heiterkeit und Entrüstung zugleich erregten dabei die<lb/> Manöver einiger orthodoxen Pastoren im Wahlkreise Minden, womit dieselben<lb/> seiner Zeit die Wahl des bekannten früheren Chefredakteurs der Kreuzzeitung,<lb/> von Nathusius-Ludom, durchzudrücken versucht hatten. Die Wahl wurde für<lb/> ungültig erklärt, so daß nunmehr die Nationalliberalen, wenn sie ihre Kräfte<lb/> zusammennehmen, den früher innegehabten Sitz wieder erobern können. Anderer¬<lb/> seits mußten auch zwei nationalliberale Wahlen in Baden kassirt werden, und<lb/> die Partei wird dort — in Freiburg gegenüber den Ultramontanen, in Karls¬<lb/> ruhe gegenüber den Deutschkonservativen — sehr auf der Hut sein müssen,<lb/> we<note type="byline"> X-</note> nn sie nicht altes Besitzthum verlieren will. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II, 1873.l„</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
Hamburg und Bremen wenig Anklang. — Viel Staub wirbelte daneben die
Frage der Einführung einer Uebergangsabgabe von Essig, der aus Süddeutsch¬
land in das norddeutsche Branntweinsteuergebiet eingeht, auf, und zwar wegen
ihrer formal-rechtlichen noch mehr, als wegen ihrer materiellen Seite. In
letzterer Beziehung wurde die bestehende Ungleichheit der Besteuerung der
Essigfabrikation in Norddeutschland und in Süddeutschland allgemein als ein
Uebelstand anerkannt; nur ging die Meinung des Reichstages überwiegend da¬
hin, daß die Beseitigung desselben nicht durch Einführung eines dem Wesen
der Reichsverfassung widersprechenden Binnenzolles, sondern vielmehr durch die
Unifikation des Branntweinsteuerwesens für das ganze Reichsgebiet zu erstre¬
ben sei. Die rechtliche Bedeutung der Frage liegt in der Kontroverse, ob die
in Rede stehende Uebergangsabgabe einfach durch Bundesrathsbeschluß ein¬
geführt werden könne, oder ob es dazu eines Gesetzes bedürfe. Der Bundes¬
rath behauptet das Erstere und führt für diese Auffassung an, daß die Ueber¬
gangsabgabe von Essig eine selbstverständliche Konsequenz der Uebergangs¬
abgabe von Branntwein und Spiritus sei. Der Reichstag dagegen ist der
entgegengesetzten Meinung und wird derselben wahrscheinlich in aller Kürze
durch eine förmliche Resolution Ausdruck geben. Da der Bundesrath einen
definitiven Beschluß in der Angelegenheit übrigens noch nicht gefaßt hat, so
wird man voraussetzen dürfen, daß er einen Konflikt mit dem Reichstage ver¬
meiden wird.
Außerdem passirte ein Gesetzentwurf wegen Anlage neuer Eisenbahnen in
Lothringen die beiden ersten Lesungen und wurde eine Anzahl rückständiger
Wahlprüfungen erledigt. Heiterkeit und Entrüstung zugleich erregten dabei die
Manöver einiger orthodoxen Pastoren im Wahlkreise Minden, womit dieselben
seiner Zeit die Wahl des bekannten früheren Chefredakteurs der Kreuzzeitung,
von Nathusius-Ludom, durchzudrücken versucht hatten. Die Wahl wurde für
ungültig erklärt, so daß nunmehr die Nationalliberalen, wenn sie ihre Kräfte
zusammennehmen, den früher innegehabten Sitz wieder erobern können. Anderer¬
seits mußten auch zwei nationalliberale Wahlen in Baden kassirt werden, und
die Partei wird dort — in Freiburg gegenüber den Ultramontanen, in Karls¬
ruhe gegenüber den Deutschkonservativen — sehr auf der Hut sein müssen,
we X- nn sie nicht altes Besitzthum verlieren will.
Grenzboten II, 1873.l„
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