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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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wissen noth thue, nicht aus Schriftrollen, sondern ausschließlich im Umgange
mit den Männern lernen.

Mit dem 18. Jahre traten die Jünglinge aus den Kadettenhäusern und
durften Haar und Bart (mit Ausnahme des Schnurrbarts) wachsen lassen.
Sie hießen nun bis zum 20. Jahre Melleirenes (werdende Jünglinge) und
wurden mit Einübung des kleinen Krieges beschäftigt. Jährlich hielten sie
auf einer Insel die festliche Schlacht ab, bei der es darauf ankam, die Gegner
in's Wasser zu drängen.*) Vom 20. bis zum 30. Jahre hießen sie Eirenes
(Jünglinge), wohnten in besonderen Kasernen und waren gezwungen, unter
Aufsicht den vorgeschriebenen Leibesübungen obzuliegen. Das Ziel ihres Ehr¬
geizes war, unter die Zahl der 300 Hippeis aufgenommen zu werden, welche
als die Blüthe der spartanischen Jugend erscheinen. Diese Ritter standen im
Frieden den Ephoren zur Verfügung; im Kriege begleiteten je 100 von ihnen
jeden König in's Feld. -- Die Disziplin war eisern. Man meinte keineswegs,
daß die Prügelstrafe dem Muthe und dem Ehrgefühle der Soldaten schade.
Jeder Knabe, jeder Jüngling hatte den Stock jedes Spartaners und vor
Allein die Peitschenträger des Generalgewaltigeu zu fürchten, der die Erziehung
überwachte -- und dies durch die ganzen 23 Jahre, welche der Kursus dauerte.
Chenon hielt dafür, daß der der Stärkste sei, welcher unter dem härtesten
Zwange aufgewachsen wäre.**)

Als besondere Vorübung für den Krieg galt die Beaufsichtigung der Heiloten,
welche den 300 Jünglingen übertragen war, die alljährlich den Ephoren zur
Verfügung gestellt wurden. Diese mußten, das Schwert an der Seite, den
ganzen Winter das Land durchstreifen, um die Heiloten in ihrer Mußezeit
zu beobachten und zu behorchen. Dies Geschäft hieß, der Heimlichkeit wegen,
die Krypteia. Auf die Meldungen der Jünglinge hin befahlen ihnen die
Ephoren, welche der Sklaven schärfer zu beobachten, welche sofort schnell und
geräuschlos aus dem Wege zu räumen seien. Auch dies Amt lag den zur
Krypteia Befehligten ob, deren Dienst sie somit nöthigte, während der schlechten
Jahreszeit beständig und zwar unbeschuht unterwegs zu sein, ihren Unterhalt
selbst zu besorgen, stets zu biwakiren und dabei alle List in Anwendung zu
bringen, den Feind auszuspähen und plötzlich meuchlerisch zu überfallen. Die
ihnen aufgetragenen Mordthaten gewöhnten die jungen Krieger auch früh¬
zeitig an Blutvergießen -- der Gipfel des pädagogischen Systems der
Spartiaten!***)

Indeß, es fehlte auch nicht an idealeren Momenten. Die ganze Jugend





*) Pausanias. III.
Thukydides. I. 84.
Max Dunker c>. c>. O.

wissen noth thue, nicht aus Schriftrollen, sondern ausschließlich im Umgange
mit den Männern lernen.

Mit dem 18. Jahre traten die Jünglinge aus den Kadettenhäusern und
durften Haar und Bart (mit Ausnahme des Schnurrbarts) wachsen lassen.
Sie hießen nun bis zum 20. Jahre Melleirenes (werdende Jünglinge) und
wurden mit Einübung des kleinen Krieges beschäftigt. Jährlich hielten sie
auf einer Insel die festliche Schlacht ab, bei der es darauf ankam, die Gegner
in's Wasser zu drängen.*) Vom 20. bis zum 30. Jahre hießen sie Eirenes
(Jünglinge), wohnten in besonderen Kasernen und waren gezwungen, unter
Aufsicht den vorgeschriebenen Leibesübungen obzuliegen. Das Ziel ihres Ehr¬
geizes war, unter die Zahl der 300 Hippeis aufgenommen zu werden, welche
als die Blüthe der spartanischen Jugend erscheinen. Diese Ritter standen im
Frieden den Ephoren zur Verfügung; im Kriege begleiteten je 100 von ihnen
jeden König in's Feld. — Die Disziplin war eisern. Man meinte keineswegs,
daß die Prügelstrafe dem Muthe und dem Ehrgefühle der Soldaten schade.
Jeder Knabe, jeder Jüngling hatte den Stock jedes Spartaners und vor
Allein die Peitschenträger des Generalgewaltigeu zu fürchten, der die Erziehung
überwachte — und dies durch die ganzen 23 Jahre, welche der Kursus dauerte.
Chenon hielt dafür, daß der der Stärkste sei, welcher unter dem härtesten
Zwange aufgewachsen wäre.**)

Als besondere Vorübung für den Krieg galt die Beaufsichtigung der Heiloten,
welche den 300 Jünglingen übertragen war, die alljährlich den Ephoren zur
Verfügung gestellt wurden. Diese mußten, das Schwert an der Seite, den
ganzen Winter das Land durchstreifen, um die Heiloten in ihrer Mußezeit
zu beobachten und zu behorchen. Dies Geschäft hieß, der Heimlichkeit wegen,
die Krypteia. Auf die Meldungen der Jünglinge hin befahlen ihnen die
Ephoren, welche der Sklaven schärfer zu beobachten, welche sofort schnell und
geräuschlos aus dem Wege zu räumen seien. Auch dies Amt lag den zur
Krypteia Befehligten ob, deren Dienst sie somit nöthigte, während der schlechten
Jahreszeit beständig und zwar unbeschuht unterwegs zu sein, ihren Unterhalt
selbst zu besorgen, stets zu biwakiren und dabei alle List in Anwendung zu
bringen, den Feind auszuspähen und plötzlich meuchlerisch zu überfallen. Die
ihnen aufgetragenen Mordthaten gewöhnten die jungen Krieger auch früh¬
zeitig an Blutvergießen — der Gipfel des pädagogischen Systems der
Spartiaten!***)

Indeß, es fehlte auch nicht an idealeren Momenten. Die ganze Jugend





*) Pausanias. III.
Thukydides. I. 84.
Max Dunker c>. c>. O.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/55>, abgerufen am 20.10.2024.