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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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ihr, "er sei so groß gewesen, daß selbst Fortuna ihr keinen größeren hätte
geben können."

Was nun den dritten Punkt anbetrifft, ob Lukrezia wirklich so ganz
fehlerfrei in Ferrara gelebt, so ist noch folgendes zu bemerken. Eine wirkliche
Neigung zwischen Herzog Alphonso und seiner Gemahlin hat schwerlich -- das
giebt auch Gregorovius zu -- jemals bestanden. Wenn er sie auch nicht ganz
vernachlässigte, so ging er doch nach kurzer Zeit seinen eigenen Lüsten nach,
"woran er übrigens ganz Recht thut, denn er ist jung", schrieb der Papst, und
Lukrezia wurde durch das gewöhnliche Hofleben dafür entschädigt. Von
Schmeichlern, Künstlern und Dichtern, die alle in Liebesränken machten, war
sie umgeben und es ist nur zu sicher konstatirt, daß sie mit mehreren von
ihnen sich in ein ernstliches Liebesverhältniß eingelassen hat. Dies gilt nament¬
lich von Bembo und den beiden Strozzi. Auch Gregorovius giebt dies zu,
indessen meint er, und das ist ihm wieder genug, es werde fruchtlos sein, be¬
weisen zu wollen, daß Lukrezias Zuneigung "die Grenzen des Erlaubten"
überschritten habe. Nun haben wir aber, erst kürzlich veröffentlicht, von Bembo
eine ganze Menge von Briefen, die nur an Lukrezia gerichtet sein können; sie
zeigen "weit mehr als Freundschaft, durchaus die zärtlichste Vertraulichkeit."

naiver Weise, sagt Gregorovius später auch selbst, "daß ihr Herz mehr
als Freundschaft empfand, darf als gewiß erscheinen, denn sie war noch jung
und er ein vollendeter Kavalier, so daß er den rauhen Alphonso in den
Schatten stellte." Sehr plötzlich und auffüllig verließ dann Bembo Ferrara
und ging nach Urbino und es ist gar kein anderer Grund denkbar, als daß
ihn die Eifersucht von Alphonso und eine ganz begründete Angst dazu be¬
wogen haben. Denn als dieselbe Sache sich bei dem jüngeren Strozzi wieder¬
holte, nahm sie ein schlimmes Ende.

Von den Strozzi wetteiferten Vater und Sohn die Reize Lukrezias zu
besingen, der Sohn allerdings mit uoch anderer Gluth als der Vater. Der
Vater Titus Strozzi klagt, daß er trotz seines Alters in Lukrezias Fesseln
liege und preist Bembo ob desselben Schicksals. Ercole aber verglich sie mit
der Sonne und allen griechischen Göttinnen; sie blende, sagt er, wie wenn
man in die Sonne hineinschaue, dann aber versteinere wie die Meduse derselbe
Blick den Geblendeten, aber auch im Stein lebe der Liebesschmerz fort und
quelle in Thränen hervor^). Diesenselben Strozzi fand man am 6. Juni 1508
an der Ecke des Palastes Este in Ferrara mit zerrauftem Haar und 12 Wun¬
den todt, in seinen Mantel gehüllt, dahingestreckt. "Ganz Ferrara war be¬
stürzt, denn Strozzi war der Ruhm dieser Stadt, einer der geistvollsten



") Greg. l. S. 278 ff.
Grenzboten I. 1873.

ihr, „er sei so groß gewesen, daß selbst Fortuna ihr keinen größeren hätte
geben können."

Was nun den dritten Punkt anbetrifft, ob Lukrezia wirklich so ganz
fehlerfrei in Ferrara gelebt, so ist noch folgendes zu bemerken. Eine wirkliche
Neigung zwischen Herzog Alphonso und seiner Gemahlin hat schwerlich — das
giebt auch Gregorovius zu — jemals bestanden. Wenn er sie auch nicht ganz
vernachlässigte, so ging er doch nach kurzer Zeit seinen eigenen Lüsten nach,
„woran er übrigens ganz Recht thut, denn er ist jung", schrieb der Papst, und
Lukrezia wurde durch das gewöhnliche Hofleben dafür entschädigt. Von
Schmeichlern, Künstlern und Dichtern, die alle in Liebesränken machten, war
sie umgeben und es ist nur zu sicher konstatirt, daß sie mit mehreren von
ihnen sich in ein ernstliches Liebesverhältniß eingelassen hat. Dies gilt nament¬
lich von Bembo und den beiden Strozzi. Auch Gregorovius giebt dies zu,
indessen meint er, und das ist ihm wieder genug, es werde fruchtlos sein, be¬
weisen zu wollen, daß Lukrezias Zuneigung „die Grenzen des Erlaubten"
überschritten habe. Nun haben wir aber, erst kürzlich veröffentlicht, von Bembo
eine ganze Menge von Briefen, die nur an Lukrezia gerichtet sein können; sie
zeigen „weit mehr als Freundschaft, durchaus die zärtlichste Vertraulichkeit."

naiver Weise, sagt Gregorovius später auch selbst, „daß ihr Herz mehr
als Freundschaft empfand, darf als gewiß erscheinen, denn sie war noch jung
und er ein vollendeter Kavalier, so daß er den rauhen Alphonso in den
Schatten stellte." Sehr plötzlich und auffüllig verließ dann Bembo Ferrara
und ging nach Urbino und es ist gar kein anderer Grund denkbar, als daß
ihn die Eifersucht von Alphonso und eine ganz begründete Angst dazu be¬
wogen haben. Denn als dieselbe Sache sich bei dem jüngeren Strozzi wieder¬
holte, nahm sie ein schlimmes Ende.

Von den Strozzi wetteiferten Vater und Sohn die Reize Lukrezias zu
besingen, der Sohn allerdings mit uoch anderer Gluth als der Vater. Der
Vater Titus Strozzi klagt, daß er trotz seines Alters in Lukrezias Fesseln
liege und preist Bembo ob desselben Schicksals. Ercole aber verglich sie mit
der Sonne und allen griechischen Göttinnen; sie blende, sagt er, wie wenn
man in die Sonne hineinschaue, dann aber versteinere wie die Meduse derselbe
Blick den Geblendeten, aber auch im Stein lebe der Liebesschmerz fort und
quelle in Thränen hervor^). Diesenselben Strozzi fand man am 6. Juni 1508
an der Ecke des Palastes Este in Ferrara mit zerrauftem Haar und 12 Wun¬
den todt, in seinen Mantel gehüllt, dahingestreckt. „Ganz Ferrara war be¬
stürzt, denn Strozzi war der Ruhm dieser Stadt, einer der geistvollsten



») Greg. l. S. 278 ff.
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[0505] ihr, „er sei so groß gewesen, daß selbst Fortuna ihr keinen größeren hätte geben können." Was nun den dritten Punkt anbetrifft, ob Lukrezia wirklich so ganz fehlerfrei in Ferrara gelebt, so ist noch folgendes zu bemerken. Eine wirkliche Neigung zwischen Herzog Alphonso und seiner Gemahlin hat schwerlich — das giebt auch Gregorovius zu — jemals bestanden. Wenn er sie auch nicht ganz vernachlässigte, so ging er doch nach kurzer Zeit seinen eigenen Lüsten nach, „woran er übrigens ganz Recht thut, denn er ist jung", schrieb der Papst, und Lukrezia wurde durch das gewöhnliche Hofleben dafür entschädigt. Von Schmeichlern, Künstlern und Dichtern, die alle in Liebesränken machten, war sie umgeben und es ist nur zu sicher konstatirt, daß sie mit mehreren von ihnen sich in ein ernstliches Liebesverhältniß eingelassen hat. Dies gilt nament¬ lich von Bembo und den beiden Strozzi. Auch Gregorovius giebt dies zu, indessen meint er, und das ist ihm wieder genug, es werde fruchtlos sein, be¬ weisen zu wollen, daß Lukrezias Zuneigung „die Grenzen des Erlaubten" überschritten habe. Nun haben wir aber, erst kürzlich veröffentlicht, von Bembo eine ganze Menge von Briefen, die nur an Lukrezia gerichtet sein können; sie zeigen „weit mehr als Freundschaft, durchaus die zärtlichste Vertraulichkeit." naiver Weise, sagt Gregorovius später auch selbst, „daß ihr Herz mehr als Freundschaft empfand, darf als gewiß erscheinen, denn sie war noch jung und er ein vollendeter Kavalier, so daß er den rauhen Alphonso in den Schatten stellte." Sehr plötzlich und auffüllig verließ dann Bembo Ferrara und ging nach Urbino und es ist gar kein anderer Grund denkbar, als daß ihn die Eifersucht von Alphonso und eine ganz begründete Angst dazu be¬ wogen haben. Denn als dieselbe Sache sich bei dem jüngeren Strozzi wieder¬ holte, nahm sie ein schlimmes Ende. Von den Strozzi wetteiferten Vater und Sohn die Reize Lukrezias zu besingen, der Sohn allerdings mit uoch anderer Gluth als der Vater. Der Vater Titus Strozzi klagt, daß er trotz seines Alters in Lukrezias Fesseln liege und preist Bembo ob desselben Schicksals. Ercole aber verglich sie mit der Sonne und allen griechischen Göttinnen; sie blende, sagt er, wie wenn man in die Sonne hineinschaue, dann aber versteinere wie die Meduse derselbe Blick den Geblendeten, aber auch im Stein lebe der Liebesschmerz fort und quelle in Thränen hervor^). Diesenselben Strozzi fand man am 6. Juni 1508 an der Ecke des Palastes Este in Ferrara mit zerrauftem Haar und 12 Wun¬ den todt, in seinen Mantel gehüllt, dahingestreckt. „Ganz Ferrara war be¬ stürzt, denn Strozzi war der Ruhm dieser Stadt, einer der geistvollsten ») Greg. l. S. 278 ff. Grenzboten I. 1873.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/505>, abgerufen am 27.09.2024.