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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Zahl auf! Der erste große Skandal fand jetzt statt, als der Graf von Aversa
nicht gutwillig zurücktreten wollte; endlich "wich er jedoch der Gewalt und
einer Summe von 3000 Dukaten."*) Am 2. Februar 1493 wurde die Hei¬
rath Lukrezias mit Sforza geschlossen. In einem ihr geschenkten Kardinals-
palaste genannt S. Maria in xortiou, hielt sie nach ihrer Vermählung Hof,
wie eine Fürstin, von ihrem Vater vergöttert. Schon damals fiel seine ab¬
göttische Liebe manchem als verdächtig auf.**) Lukrezias Gemahl blieb nur
kurze Zeit in Rom durch Alexanders Verbindung mit Neapel kam er als
Sforza in die übelste Lage. Er stand im Solde des Papstes gemäß dessen
Bunde mit Ludovico dem Mohren, der auf Vertreibung der Dynastie Aragon in
Neapel geschlossen war. Jetzt hatte sich derselbe Papst gegen Karls VIII. Ex¬
pedition und damit auch gegen die Sforza in Mailand erklärt und soeben dem
Könige in Neapel die Investitur übertragen.

Dringend bat Giovanni den Papst sein Verhältniß zu seinem großen
Oheim in Mailand zu regeln, ans daß er nicht ein Feind seiner eigenen Fa¬
milie werde. Seinem Oheim jedoch versicherte er nach seiner Pflicht, sein
Kriegsvolk stände zu seiner Verfügung. Dann erfolgte der Einmarsch Karls VIII.
in Italien, nachdem zuerst Kardinal Rovere, dann Aseauiv Sforza aus Rom
zu den Gegnern geflohen waren, um die Absetzung dieses Simonistischen Papstes
durch ein Konzil zu betreiben.

Unter diesen Umständen hielt es der Gemahl Lukrezias für gut, Rom zu
verlassen, und mit seiner Gemahlin -- der Papst wünschte dies anch der Pest
wegen -- seine Residenz in Pesaro aufzuschlagen. An diesem kleinen Hofe
verlebte nun Lukrezia eine kurze, verhältnißmäßig ruhige Zeit, von der wir
gar nichts wissen, wenn auch Gregorovius eingehende Betrachtungen darüber
anstellt, was sie dort etwa empfunden haben könnte oder müßte. Wir wissen
durchans nicht einmal, ob sie sich an der Seite ihres Gemahls irgendwie
glücklich gefühlt hat. Sforza wird indessen als ein schöner Mann und ange¬
nehm im Umgange geschildert. Wahrscheinlich ist aber, daß der öde und lang¬
weilige Hof ihr im höchsten Grade mißfiel, und sie froh war, als nach dein
Sommer die politischen Ereignisse, auf die ich hier nicht näher eingehen kann,
sie nach Rom zurückriefen.

Dies geschah im Oetober 1495, und es begann jetzt, nachdem sich alle
Mitglieder der Familie Borgia um ihr würdiges Oberhaupt versammelt hatten,




*) Gregorovius, I. S. 49.
**) So schrieb Bocaccio: "mal tu visto it xin v"rng,1s uomo Plösl" U^äonns,
Imereüis, in "nxerlativo xr"av," Auch Adcmollo ist der Ansicht, daß "of,rv-as" nicht in dem von
Gregorovius angegebenen, sich auf den Nepotismus des Papstes beziehenden Sinne gebraucht
worden sein kann.

Zahl auf! Der erste große Skandal fand jetzt statt, als der Graf von Aversa
nicht gutwillig zurücktreten wollte; endlich „wich er jedoch der Gewalt und
einer Summe von 3000 Dukaten."*) Am 2. Februar 1493 wurde die Hei¬
rath Lukrezias mit Sforza geschlossen. In einem ihr geschenkten Kardinals-
palaste genannt S. Maria in xortiou, hielt sie nach ihrer Vermählung Hof,
wie eine Fürstin, von ihrem Vater vergöttert. Schon damals fiel seine ab¬
göttische Liebe manchem als verdächtig auf.**) Lukrezias Gemahl blieb nur
kurze Zeit in Rom durch Alexanders Verbindung mit Neapel kam er als
Sforza in die übelste Lage. Er stand im Solde des Papstes gemäß dessen
Bunde mit Ludovico dem Mohren, der auf Vertreibung der Dynastie Aragon in
Neapel geschlossen war. Jetzt hatte sich derselbe Papst gegen Karls VIII. Ex¬
pedition und damit auch gegen die Sforza in Mailand erklärt und soeben dem
Könige in Neapel die Investitur übertragen.

Dringend bat Giovanni den Papst sein Verhältniß zu seinem großen
Oheim in Mailand zu regeln, ans daß er nicht ein Feind seiner eigenen Fa¬
milie werde. Seinem Oheim jedoch versicherte er nach seiner Pflicht, sein
Kriegsvolk stände zu seiner Verfügung. Dann erfolgte der Einmarsch Karls VIII.
in Italien, nachdem zuerst Kardinal Rovere, dann Aseauiv Sforza aus Rom
zu den Gegnern geflohen waren, um die Absetzung dieses Simonistischen Papstes
durch ein Konzil zu betreiben.

Unter diesen Umständen hielt es der Gemahl Lukrezias für gut, Rom zu
verlassen, und mit seiner Gemahlin — der Papst wünschte dies anch der Pest
wegen — seine Residenz in Pesaro aufzuschlagen. An diesem kleinen Hofe
verlebte nun Lukrezia eine kurze, verhältnißmäßig ruhige Zeit, von der wir
gar nichts wissen, wenn auch Gregorovius eingehende Betrachtungen darüber
anstellt, was sie dort etwa empfunden haben könnte oder müßte. Wir wissen
durchans nicht einmal, ob sie sich an der Seite ihres Gemahls irgendwie
glücklich gefühlt hat. Sforza wird indessen als ein schöner Mann und ange¬
nehm im Umgange geschildert. Wahrscheinlich ist aber, daß der öde und lang¬
weilige Hof ihr im höchsten Grade mißfiel, und sie froh war, als nach dein
Sommer die politischen Ereignisse, auf die ich hier nicht näher eingehen kann,
sie nach Rom zurückriefen.

Dies geschah im Oetober 1495, und es begann jetzt, nachdem sich alle
Mitglieder der Familie Borgia um ihr würdiges Oberhaupt versammelt hatten,




*) Gregorovius, I. S. 49.
**) So schrieb Bocaccio: „mal tu visto it xin v»rng,1s uomo Plösl» U^äonns,
Imereüis, in «nxerlativo xr»av," Auch Adcmollo ist der Ansicht, daß „of,rv-as" nicht in dem von
Gregorovius angegebenen, sich auf den Nepotismus des Papstes beziehenden Sinne gebraucht
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/494>, abgerufen am 27.09.2024.