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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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deutlich genug zu verstehen, daß dieser nur vorübergehend als gedämpft, aber
keineswegs als niedergeschlagen zu betrachten sei. Denn er sei nicht Menschen¬
werk gewesen, sondern Gottes Wille habe sich darin geoffenbart. "Aller Adel
hat gesehen mit sammt allen Fürsten Gottes Gewalt und Macht, daß kein
Haus, Schloß oder Stadt darauf zu verlassen ist; wenn Gottes Zorn kummt,
gilt es alles nichts, wenn sie verlassen Haus und Schloß und fliehen darvon,
wenn Gottes Forest jagt jedermann, wie man denn gesehen hat. Wer wollt
sprechen, wenn der Kaiser wäre kommen mit allen Fürsten, hätt er den Adel
nicht so forchtsam gemacht in einem Jahr, als ihn Gott macht in zehen Wochen.
Aber es gilt nichts, man spricht: die Bauern Habens than. So sag ich nein
zu; Bauern mit Flegeln zerschlagen lang keine Mauer, es ist nichts, denn daß
man Gott die Ehre nimmt und spricht: die Bauern Habens than, und richt
den Adel dahin: Schlag die Bauern zu Tode, sie sein rasend, brechen euch die
Schlösser!"

Die Hauptschuld des ganzen Aufstandes schiebt er wohlweislich nicht auf
die Fürsten, sondern auf den Beamtenstand, die "Schriftgelehrten". "Wenn
es nicht von Gott wäre geschehen, wullde ich mit Wahrheit gerne sprechen,
es wäre mehr geschehen durch die Schriftgelehrten, denn durch die Bauern...
Die Welt und sonderlich die Schriftgelehrten an Fürstenhöfen und in den
großen Städten richten ihr Vernunft nud ihr Weisheit also groß, daß sie
übertrifft Gottes Weisheit, ja auch alle seine Verkündung gilt aller (alles?)
nichts, die er verkündet hat durch alle Propheten; ja alle Wunderwerk die er
noch sehen läßt alle Tag an dem Himmel, das gilt alles nichts und wird
genennt von den Schriftgelehrten eitel Fabel, auf daß sie Gottes Kraft nieder¬
stoßen und nichts gilt, denn ihr Weisheit." Wen der Verfasser aber vor
allen unter den Schriftgelehrten meint, darüber läßt er uns nicht in Zweifel.
Bitter stimmt er in die damals aller Orten gehörten Klagen ein über die Ver¬
drängung der alten volksthümlichen Gerichtsbarkeit durch das eindringende
römische Recht, "Weise mir einer ein Recht auf Erden bei allen den, die da
leben, richten und urtheilen und Recht sprechen, wie sie der heilige Geist weist?
Wie denn alle Recht eingesetzt sein, daß man nach Wahrheit und Gerechtigkeit
richten foll, nicht aus Lieb noch aus Gunst, darum hat der heilig Geist
zwölf Mann gesetzt zugleich, wie Gott die Apostel gehabt hat. Darumb hat
er's gethan, ob fünf Mann vom rechten Urtheil fielen und ließen sich den bloßen
(bösen?) regieren, so sein doch die sieben mehr, denn die fünf, nach derselben
sieben Urtheil soll man das Recht gehn lassen. . . Sagt uns vom höchsten
an bis ans die allerniedrigsten, wie sie leben auf Erden, wo ist doch ein Recht,
das anders gesprochen wird, denn die Schriftgelehrten wollen? Wem sie Recht
wollen, dem sprechen sie Recht, er hab Recht oder Unrecht, so lernt sie die


deutlich genug zu verstehen, daß dieser nur vorübergehend als gedämpft, aber
keineswegs als niedergeschlagen zu betrachten sei. Denn er sei nicht Menschen¬
werk gewesen, sondern Gottes Wille habe sich darin geoffenbart. „Aller Adel
hat gesehen mit sammt allen Fürsten Gottes Gewalt und Macht, daß kein
Haus, Schloß oder Stadt darauf zu verlassen ist; wenn Gottes Zorn kummt,
gilt es alles nichts, wenn sie verlassen Haus und Schloß und fliehen darvon,
wenn Gottes Forest jagt jedermann, wie man denn gesehen hat. Wer wollt
sprechen, wenn der Kaiser wäre kommen mit allen Fürsten, hätt er den Adel
nicht so forchtsam gemacht in einem Jahr, als ihn Gott macht in zehen Wochen.
Aber es gilt nichts, man spricht: die Bauern Habens than. So sag ich nein
zu; Bauern mit Flegeln zerschlagen lang keine Mauer, es ist nichts, denn daß
man Gott die Ehre nimmt und spricht: die Bauern Habens than, und richt
den Adel dahin: Schlag die Bauern zu Tode, sie sein rasend, brechen euch die
Schlösser!"

Die Hauptschuld des ganzen Aufstandes schiebt er wohlweislich nicht auf
die Fürsten, sondern auf den Beamtenstand, die „Schriftgelehrten". „Wenn
es nicht von Gott wäre geschehen, wullde ich mit Wahrheit gerne sprechen,
es wäre mehr geschehen durch die Schriftgelehrten, denn durch die Bauern...
Die Welt und sonderlich die Schriftgelehrten an Fürstenhöfen und in den
großen Städten richten ihr Vernunft nud ihr Weisheit also groß, daß sie
übertrifft Gottes Weisheit, ja auch alle seine Verkündung gilt aller (alles?)
nichts, die er verkündet hat durch alle Propheten; ja alle Wunderwerk die er
noch sehen läßt alle Tag an dem Himmel, das gilt alles nichts und wird
genennt von den Schriftgelehrten eitel Fabel, auf daß sie Gottes Kraft nieder¬
stoßen und nichts gilt, denn ihr Weisheit." Wen der Verfasser aber vor
allen unter den Schriftgelehrten meint, darüber läßt er uns nicht in Zweifel.
Bitter stimmt er in die damals aller Orten gehörten Klagen ein über die Ver¬
drängung der alten volksthümlichen Gerichtsbarkeit durch das eindringende
römische Recht, „Weise mir einer ein Recht auf Erden bei allen den, die da
leben, richten und urtheilen und Recht sprechen, wie sie der heilige Geist weist?
Wie denn alle Recht eingesetzt sein, daß man nach Wahrheit und Gerechtigkeit
richten foll, nicht aus Lieb noch aus Gunst, darum hat der heilig Geist
zwölf Mann gesetzt zugleich, wie Gott die Apostel gehabt hat. Darumb hat
er's gethan, ob fünf Mann vom rechten Urtheil fielen und ließen sich den bloßen
(bösen?) regieren, so sein doch die sieben mehr, denn die fünf, nach derselben
sieben Urtheil soll man das Recht gehn lassen. . . Sagt uns vom höchsten
an bis ans die allerniedrigsten, wie sie leben auf Erden, wo ist doch ein Recht,
das anders gesprochen wird, denn die Schriftgelehrten wollen? Wem sie Recht
wollen, dem sprechen sie Recht, er hab Recht oder Unrecht, so lernt sie die


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[0482] deutlich genug zu verstehen, daß dieser nur vorübergehend als gedämpft, aber keineswegs als niedergeschlagen zu betrachten sei. Denn er sei nicht Menschen¬ werk gewesen, sondern Gottes Wille habe sich darin geoffenbart. „Aller Adel hat gesehen mit sammt allen Fürsten Gottes Gewalt und Macht, daß kein Haus, Schloß oder Stadt darauf zu verlassen ist; wenn Gottes Zorn kummt, gilt es alles nichts, wenn sie verlassen Haus und Schloß und fliehen darvon, wenn Gottes Forest jagt jedermann, wie man denn gesehen hat. Wer wollt sprechen, wenn der Kaiser wäre kommen mit allen Fürsten, hätt er den Adel nicht so forchtsam gemacht in einem Jahr, als ihn Gott macht in zehen Wochen. Aber es gilt nichts, man spricht: die Bauern Habens than. So sag ich nein zu; Bauern mit Flegeln zerschlagen lang keine Mauer, es ist nichts, denn daß man Gott die Ehre nimmt und spricht: die Bauern Habens than, und richt den Adel dahin: Schlag die Bauern zu Tode, sie sein rasend, brechen euch die Schlösser!" Die Hauptschuld des ganzen Aufstandes schiebt er wohlweislich nicht auf die Fürsten, sondern auf den Beamtenstand, die „Schriftgelehrten". „Wenn es nicht von Gott wäre geschehen, wullde ich mit Wahrheit gerne sprechen, es wäre mehr geschehen durch die Schriftgelehrten, denn durch die Bauern... Die Welt und sonderlich die Schriftgelehrten an Fürstenhöfen und in den großen Städten richten ihr Vernunft nud ihr Weisheit also groß, daß sie übertrifft Gottes Weisheit, ja auch alle seine Verkündung gilt aller (alles?) nichts, die er verkündet hat durch alle Propheten; ja alle Wunderwerk die er noch sehen läßt alle Tag an dem Himmel, das gilt alles nichts und wird genennt von den Schriftgelehrten eitel Fabel, auf daß sie Gottes Kraft nieder¬ stoßen und nichts gilt, denn ihr Weisheit." Wen der Verfasser aber vor allen unter den Schriftgelehrten meint, darüber läßt er uns nicht in Zweifel. Bitter stimmt er in die damals aller Orten gehörten Klagen ein über die Ver¬ drängung der alten volksthümlichen Gerichtsbarkeit durch das eindringende römische Recht, „Weise mir einer ein Recht auf Erden bei allen den, die da leben, richten und urtheilen und Recht sprechen, wie sie der heilige Geist weist? Wie denn alle Recht eingesetzt sein, daß man nach Wahrheit und Gerechtigkeit richten foll, nicht aus Lieb noch aus Gunst, darum hat der heilig Geist zwölf Mann gesetzt zugleich, wie Gott die Apostel gehabt hat. Darumb hat er's gethan, ob fünf Mann vom rechten Urtheil fielen und ließen sich den bloßen (bösen?) regieren, so sein doch die sieben mehr, denn die fünf, nach derselben sieben Urtheil soll man das Recht gehn lassen. . . Sagt uns vom höchsten an bis ans die allerniedrigsten, wie sie leben auf Erden, wo ist doch ein Recht, das anders gesprochen wird, denn die Schriftgelehrten wollen? Wem sie Recht wollen, dem sprechen sie Recht, er hab Recht oder Unrecht, so lernt sie die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/482>, abgerufen am 20.10.2024.