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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Dem Dichter hat Gott viel edle Begierden gegeben: "ein drängend Heer!
Doch eine ward herrlicher vor allen andern; eine ward Königin der andern
alle, deines Bildes letzter und edelster Zug: die Liebe!" -- Wenn die Stun¬
den der Weihe über ihn kommen, zieht er sich in die Einsamkeit zurück; nnr
sein Schmidt darf ihn stören: "doch daß du nur vom Weltgerichte oder von
deiner erhabenen Schwester dich unterredest!"

"O Gott! gieb mir, die du mir gleich erschufst; gieb sie dem bebenden
bangen Herzen! dem süßen Schauer, der ihr entgegenwallt! gieb sie den Ar¬
men, die ich voll Unschuld oft in meiner Kindheit dir zu dem Himmel hob!
-- Das Lied vom Mittler trunken in ihrem Arm von reiner Wollust sing' ich
erhabner dann den Guten, welche gleich uns lieben, Christen wie wir sind,
wie wir empfinden!"

Er schildert ihr feinen Tod und seine Auferstehung. "Dann will ich voll
froher Thränen jeues Lebens neben dir stehen und dich umarmen! Dann, o
Unsterblichkeit, gehörst du ganz uns! -- Rinn'unterdeß, "Leben! Sie kommt
gewiß indeß, die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft. Ihr andern seid der
schwermnthsvollen Liebe geweiht, seid umwölkt und dunkel."

"Wenn ich vor dir so werde gestorben sein, o meine Fanny! und dn auch
sterben willst: wie wirst du deines todten Freundes dich in der ernsten Stund'
erinnern? Wie wirst von ihm du denken, der so ganz dich liebte? wie von den
traurigen trostlos durchweinten Mitternächten? von jener Wehmuth, wenn
nun der Jüngling oft, dir kaum bemerket, zitternd dein Ange bat, und schwei¬
gend, nicht zu stolz, dir vorhielt, daß die Natur ihn für dich geschaffen."

"Ich sang den Menschen menschlich den Ewigen, den Mittler Gottes.
Unten am Throne liegt mein großer Lohn mir, eine goldene heilige Schale
von Christenthräncn. O traurig schöne Zeit!---- Mehr als mein Blick sagt,
hat dich mein Herz geliebt! mehr als es seufzet, hat dich mein Herz geliebt!
____Mein Leben sollte hier noch nicht himmlisch sein, drum liebte die mich,
die ich so liebte, nicht.....O schöne Seele, die ich mit diesem Ernst so innig
liebte!____Wenn hingeworfen vor dem Unendlichen und tief anbetend ich an
des Thrones Fuß die Arme weit ausbreite, für dich hier unempfundene Ge¬
bete stammele: dann muß' ein süßer Schauer jenes Lebens über dich kommen
und dir die Seele ganz überströmen; über dich müssest du erstaunend stehn,
und lächelnd gen Himmel schauen!"

Diese Art anbetender Liebe, welche das ganze Sein des Menschen aus¬
füllt, ist nicht spezifisch deutsch. Das Bild der Liebe geht uns Deutschen mehr
in der Weise unsers Martin Luther auf: wir denken sie uns gern am bürger¬
lichen Familientisch, unter Kindern, zum Weihnachtsbaum, als Sonntagsstim¬
mung, die wesentlich zum Gehalt der Werkeltage gehört.


Dem Dichter hat Gott viel edle Begierden gegeben: „ein drängend Heer!
Doch eine ward herrlicher vor allen andern; eine ward Königin der andern
alle, deines Bildes letzter und edelster Zug: die Liebe!" — Wenn die Stun¬
den der Weihe über ihn kommen, zieht er sich in die Einsamkeit zurück; nnr
sein Schmidt darf ihn stören: „doch daß du nur vom Weltgerichte oder von
deiner erhabenen Schwester dich unterredest!"

„O Gott! gieb mir, die du mir gleich erschufst; gieb sie dem bebenden
bangen Herzen! dem süßen Schauer, der ihr entgegenwallt! gieb sie den Ar¬
men, die ich voll Unschuld oft in meiner Kindheit dir zu dem Himmel hob!
— Das Lied vom Mittler trunken in ihrem Arm von reiner Wollust sing' ich
erhabner dann den Guten, welche gleich uns lieben, Christen wie wir sind,
wie wir empfinden!"

Er schildert ihr feinen Tod und seine Auferstehung. „Dann will ich voll
froher Thränen jeues Lebens neben dir stehen und dich umarmen! Dann, o
Unsterblichkeit, gehörst du ganz uns! — Rinn'unterdeß, »Leben! Sie kommt
gewiß indeß, die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft. Ihr andern seid der
schwermnthsvollen Liebe geweiht, seid umwölkt und dunkel."

„Wenn ich vor dir so werde gestorben sein, o meine Fanny! und dn auch
sterben willst: wie wirst du deines todten Freundes dich in der ernsten Stund'
erinnern? Wie wirst von ihm du denken, der so ganz dich liebte? wie von den
traurigen trostlos durchweinten Mitternächten? von jener Wehmuth, wenn
nun der Jüngling oft, dir kaum bemerket, zitternd dein Ange bat, und schwei¬
gend, nicht zu stolz, dir vorhielt, daß die Natur ihn für dich geschaffen."

„Ich sang den Menschen menschlich den Ewigen, den Mittler Gottes.
Unten am Throne liegt mein großer Lohn mir, eine goldene heilige Schale
von Christenthräncn. O traurig schöne Zeit!---- Mehr als mein Blick sagt,
hat dich mein Herz geliebt! mehr als es seufzet, hat dich mein Herz geliebt!
____Mein Leben sollte hier noch nicht himmlisch sein, drum liebte die mich,
die ich so liebte, nicht.....O schöne Seele, die ich mit diesem Ernst so innig
liebte!____Wenn hingeworfen vor dem Unendlichen und tief anbetend ich an
des Thrones Fuß die Arme weit ausbreite, für dich hier unempfundene Ge¬
bete stammele: dann muß' ein süßer Schauer jenes Lebens über dich kommen
und dir die Seele ganz überströmen; über dich müssest du erstaunend stehn,
und lächelnd gen Himmel schauen!"

Diese Art anbetender Liebe, welche das ganze Sein des Menschen aus¬
füllt, ist nicht spezifisch deutsch. Das Bild der Liebe geht uns Deutschen mehr
in der Weise unsers Martin Luther auf: wir denken sie uns gern am bürger¬
lichen Familientisch, unter Kindern, zum Weihnachtsbaum, als Sonntagsstim¬
mung, die wesentlich zum Gehalt der Werkeltage gehört.


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[0382] Dem Dichter hat Gott viel edle Begierden gegeben: „ein drängend Heer! Doch eine ward herrlicher vor allen andern; eine ward Königin der andern alle, deines Bildes letzter und edelster Zug: die Liebe!" — Wenn die Stun¬ den der Weihe über ihn kommen, zieht er sich in die Einsamkeit zurück; nnr sein Schmidt darf ihn stören: „doch daß du nur vom Weltgerichte oder von deiner erhabenen Schwester dich unterredest!" „O Gott! gieb mir, die du mir gleich erschufst; gieb sie dem bebenden bangen Herzen! dem süßen Schauer, der ihr entgegenwallt! gieb sie den Ar¬ men, die ich voll Unschuld oft in meiner Kindheit dir zu dem Himmel hob! — Das Lied vom Mittler trunken in ihrem Arm von reiner Wollust sing' ich erhabner dann den Guten, welche gleich uns lieben, Christen wie wir sind, wie wir empfinden!" Er schildert ihr feinen Tod und seine Auferstehung. „Dann will ich voll froher Thränen jeues Lebens neben dir stehen und dich umarmen! Dann, o Unsterblichkeit, gehörst du ganz uns! — Rinn'unterdeß, »Leben! Sie kommt gewiß indeß, die Stunde, die uns nach der Cypresse ruft. Ihr andern seid der schwermnthsvollen Liebe geweiht, seid umwölkt und dunkel." „Wenn ich vor dir so werde gestorben sein, o meine Fanny! und dn auch sterben willst: wie wirst du deines todten Freundes dich in der ernsten Stund' erinnern? Wie wirst von ihm du denken, der so ganz dich liebte? wie von den traurigen trostlos durchweinten Mitternächten? von jener Wehmuth, wenn nun der Jüngling oft, dir kaum bemerket, zitternd dein Ange bat, und schwei¬ gend, nicht zu stolz, dir vorhielt, daß die Natur ihn für dich geschaffen." „Ich sang den Menschen menschlich den Ewigen, den Mittler Gottes. Unten am Throne liegt mein großer Lohn mir, eine goldene heilige Schale von Christenthräncn. O traurig schöne Zeit!---- Mehr als mein Blick sagt, hat dich mein Herz geliebt! mehr als es seufzet, hat dich mein Herz geliebt! ____Mein Leben sollte hier noch nicht himmlisch sein, drum liebte die mich, die ich so liebte, nicht.....O schöne Seele, die ich mit diesem Ernst so innig liebte!____Wenn hingeworfen vor dem Unendlichen und tief anbetend ich an des Thrones Fuß die Arme weit ausbreite, für dich hier unempfundene Ge¬ bete stammele: dann muß' ein süßer Schauer jenes Lebens über dich kommen und dir die Seele ganz überströmen; über dich müssest du erstaunend stehn, und lächelnd gen Himmel schauen!" Diese Art anbetender Liebe, welche das ganze Sein des Menschen aus¬ füllt, ist nicht spezifisch deutsch. Das Bild der Liebe geht uns Deutschen mehr in der Weise unsers Martin Luther auf: wir denken sie uns gern am bürger¬ lichen Familientisch, unter Kindern, zum Weihnachtsbaum, als Sonntagsstim¬ mung, die wesentlich zum Gehalt der Werkeltage gehört.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/382>, abgerufen am 27.09.2024.