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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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ben die Ursache zu dem ersten Eingriff des Laienelementes in die Papstwahl.
Ein Gesetz des Kaisers Honorius bestimmte, daß im Falle der Aufstellung
zweier Kandidaten von Seiten des Klerus Keiner von Beiden gewählt, fondern
zu einer neuen Wahl geschritten werden solle. Noch weiter ging Odoaker,
welcher verordnete, daß kein Papst ohne Genehmigung des Kaisers gewählt
werden solle, eine Verordnung, welche allerdings schon vom Papst Symmachus
auf dem römischen Konzil des Jahres 502, als von nichtgeistlicher Autorität
ausgegangen, für ungiltig erklärt wurde. Derselbe Papst erließ ferner eine
Bestimmung, welche als die erste der zahlreichen päpstlichen Verordnungen be¬
treffs der Wahl zu betrachten ist, nämlich die, daß im Falle der Nichtein-
stimmigkeit der Geistlichen -- des oräo c-col ssi ^s dio-u 3 -- die Majorität
entscheiden solle, und er untersagte außerdem die Verabredungen über den Nach¬
folger bei Lebzeiten des Papstes. Die letztere Verordnung ist wichtig, weil
sie unverändert in Kraft geblieben ist, die erstere, weil sie das hohe Alter der
päpstlichen Befugniß (? d. Red.) zu neuen Wahlbestimmungen beweist.

Die Unzufriedenheit des Klerus mit diesen Verordnungen und die heftigen
darüber entbrennenden Streitigkeiten innerhalb desselben waren Ursache zu einer
neuen Einmischung der weltlichen Autorität. Theodorich ließ durch einen von
ihm gesandten Bischof eine Untersuchung anstellen und ernannte 526 selbst¬
ständig einen Papst und zwar Felix V. Die anderen gothischen Fürsten hielten
das Recht zur Betheiligung an der Papstwahl aufrecht, und ebenso Justinian
und seine Nachfolger, welche die Bestätigung des Erwählten in Anspruch
nahmen und sich dafür eine Abgabe zahlen ließen. Das Verfahren in dieser
Periode war folgendes: Nach dem Tode des römischen Bischofs gaben die drei
Vikare des apostolischen Stuhles, der Archipresbyter, der Archidiakonus und
der Obmann der Notare dem kaiserlichen Exarchen in Ravenna davon Anzeige.
Nach drei Tagen schritt man zur Neuwahl, an welcher sämmtliche Würden¬
träger der Kirche, der ganze Klerus, die Aristokratie, die Garnison und das
gesammte Volk Theil nahmen "a x^vo us^us irmAnrnn," Wählbar war
ein Presbyter oder Diakonus der römischen Kirche. Nach geschehener Wahl
wurde ein Dokument darüber aufgesetzt, von Geistlichen und Laien, so Viele
wollten, unterschrieben und dies im Archiv des Lateran niedergelegt. Mittels
einer besonderen Gesandtschaft wurden die Höfe von Ravenna und von Kon¬
stantinopel benachrichtigt und die Bestätigung erbeten. Erfolgte diese, so schritt
man zur Weihe des Gewählten. Er wurde aus der Sakristei der Peterskirche
zur Konfession des Apostels geführt, wo er das Glaubensbekenntniß ablegte.
Nachdem die Eingangsworte der Messe gelesen waren, führten die Bischöfe von
Albano und von Porto ihn vor denjenigen von Ostia, welcher sich ans einem
erhöhten Sitze befand, und sprachen je ein Gebet über ihn, während die Dia-


ben die Ursache zu dem ersten Eingriff des Laienelementes in die Papstwahl.
Ein Gesetz des Kaisers Honorius bestimmte, daß im Falle der Aufstellung
zweier Kandidaten von Seiten des Klerus Keiner von Beiden gewählt, fondern
zu einer neuen Wahl geschritten werden solle. Noch weiter ging Odoaker,
welcher verordnete, daß kein Papst ohne Genehmigung des Kaisers gewählt
werden solle, eine Verordnung, welche allerdings schon vom Papst Symmachus
auf dem römischen Konzil des Jahres 502, als von nichtgeistlicher Autorität
ausgegangen, für ungiltig erklärt wurde. Derselbe Papst erließ ferner eine
Bestimmung, welche als die erste der zahlreichen päpstlichen Verordnungen be¬
treffs der Wahl zu betrachten ist, nämlich die, daß im Falle der Nichtein-
stimmigkeit der Geistlichen — des oräo c-col ssi ^s dio-u 3 — die Majorität
entscheiden solle, und er untersagte außerdem die Verabredungen über den Nach¬
folger bei Lebzeiten des Papstes. Die letztere Verordnung ist wichtig, weil
sie unverändert in Kraft geblieben ist, die erstere, weil sie das hohe Alter der
päpstlichen Befugniß (? d. Red.) zu neuen Wahlbestimmungen beweist.

Die Unzufriedenheit des Klerus mit diesen Verordnungen und die heftigen
darüber entbrennenden Streitigkeiten innerhalb desselben waren Ursache zu einer
neuen Einmischung der weltlichen Autorität. Theodorich ließ durch einen von
ihm gesandten Bischof eine Untersuchung anstellen und ernannte 526 selbst¬
ständig einen Papst und zwar Felix V. Die anderen gothischen Fürsten hielten
das Recht zur Betheiligung an der Papstwahl aufrecht, und ebenso Justinian
und seine Nachfolger, welche die Bestätigung des Erwählten in Anspruch
nahmen und sich dafür eine Abgabe zahlen ließen. Das Verfahren in dieser
Periode war folgendes: Nach dem Tode des römischen Bischofs gaben die drei
Vikare des apostolischen Stuhles, der Archipresbyter, der Archidiakonus und
der Obmann der Notare dem kaiserlichen Exarchen in Ravenna davon Anzeige.
Nach drei Tagen schritt man zur Neuwahl, an welcher sämmtliche Würden¬
träger der Kirche, der ganze Klerus, die Aristokratie, die Garnison und das
gesammte Volk Theil nahmen „a x^vo us^us irmAnrnn," Wählbar war
ein Presbyter oder Diakonus der römischen Kirche. Nach geschehener Wahl
wurde ein Dokument darüber aufgesetzt, von Geistlichen und Laien, so Viele
wollten, unterschrieben und dies im Archiv des Lateran niedergelegt. Mittels
einer besonderen Gesandtschaft wurden die Höfe von Ravenna und von Kon¬
stantinopel benachrichtigt und die Bestätigung erbeten. Erfolgte diese, so schritt
man zur Weihe des Gewählten. Er wurde aus der Sakristei der Peterskirche
zur Konfession des Apostels geführt, wo er das Glaubensbekenntniß ablegte.
Nachdem die Eingangsworte der Messe gelesen waren, führten die Bischöfe von
Albano und von Porto ihn vor denjenigen von Ostia, welcher sich ans einem
erhöhten Sitze befand, und sprachen je ein Gebet über ihn, während die Dia-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/332>, abgerufen am 20.10.2024.