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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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den. Was Bonghi anführt, ist höchst fragmentarisch, indessen hinreichend,
(? d. Red.) um die erwähnten drei Behauptungen zu begründen.

Die gegenwärtig geltenden Papstwahlen beruhen auf keinem unveränder¬
lichen, den Papst und die Kardinäle bindenden Gesetz. Sie sind vielmehr eine
Stufe in einer langen Reihe von Entwickelnngsstadien, welche vielfache Aen¬
derungen in ihnen herbeigeführt haben, und sind aus diesem Grunde auch wei¬
teren dnrch die Umstände geforderten Veränderungen unterworfen. Geändert
haben sich im Laufe der Zeit die Bedingungen, welche an den zu Wühlender
gestellt wurden; geändert hat sich mehrfach die Zusammensetzung des Wahl¬
körpers, der Einfluß von NichtWählern auf die Wahl, die Frist, der Ort, die
Form des Wahlaktes. Uuangetastete und darum unantastbare Giltigkeit haben
nur die Grundprinzipien behalten, nämlich daß der Papst erivählt werden
muß, daß er nicht vor dem Tode des regierenden Papstes erwählt werden
darf, daß eine in den vorgeschriebenen Formen erfolgte Wahl als vom heiligen
Geiste inspirirt durch nichts rückgängig gemacht werden kann, und daß die
päpstliche Würde eine lebenslängliche, keiner höheren Autorität unterworfene
ist. Während also dein Papste unzweifelhaft das Recht zusteht, neue Verord¬
nungen über Zeit und Ort des Konklave, über das Wahlverfahren und die
Zeremonien zu geben und selbst seinen Nachfolger in Vorschlag zu bringen, so
würde jeder Erlaß ungiltig sein, durch welchen ein Nachfolger ernannt oder
irgend einem der Wählende" die Ausübung feines Wahlrechtes untersagt würde.

In den ersten Jahrhunderten des Christenthums wurde der römische Bischof
durch Klerus und Volk von Rom erwählt. Die christliche Gemeinde erwarb
durch direkte Vererbung das Recht der republikanischen römischen Volksgemeinde
(? d. Red.); an Stelle der Magistratur stand die Hierarchie. Der Klerus, ver¬
treten durch die l^riniatss Olsri, ?riorss ZZoolssias oder Ol^rÄin ^Iss,
gleichbedeutende Titel der oberen Diakonen und Presbyter, hatte das Recht
des Vorschlages; die Gemeinde bestätigte oder verwarf durch Zuruf den Vor¬
geschlagenen. Dieser Wahlmodus war nur brauchbar, solange Klerus und
Gemeinde sehr einträchtig waren. Schon im Jahre 217 machte sich ein starker
Zwiespalt bemerkbar, und es wurde Calistus dem Ersten der erste Gegenpapst,
Hippolitus, entgegengestellt. -- Daß auch Klerus und Volk von Rom das Wahl¬
recht nicht für sich allein beanspruchten, geht aus der Wahl des Cornelius a. 250
hervor, an welcher nach Cyprians Bericht in erster Linie die zahlreich in Rom
anwesenden fremden Bischöfe Theil nahmen. Ein solches Zusammenwirken
der Bischöfe, des römischen Klerus und des Volkes war während der ersten
vier Jahrhunderte Regel. So natürlich dies war, so lag doch in der großen
Zahl und der verschiedenen Natur der Wählenden eine Gefahr für die Ein¬
stimmigkeit der Wahl, und in der That waren Zwistigkeiten innerhalb dersel-


den. Was Bonghi anführt, ist höchst fragmentarisch, indessen hinreichend,
(? d. Red.) um die erwähnten drei Behauptungen zu begründen.

Die gegenwärtig geltenden Papstwahlen beruhen auf keinem unveränder¬
lichen, den Papst und die Kardinäle bindenden Gesetz. Sie sind vielmehr eine
Stufe in einer langen Reihe von Entwickelnngsstadien, welche vielfache Aen¬
derungen in ihnen herbeigeführt haben, und sind aus diesem Grunde auch wei¬
teren dnrch die Umstände geforderten Veränderungen unterworfen. Geändert
haben sich im Laufe der Zeit die Bedingungen, welche an den zu Wühlender
gestellt wurden; geändert hat sich mehrfach die Zusammensetzung des Wahl¬
körpers, der Einfluß von NichtWählern auf die Wahl, die Frist, der Ort, die
Form des Wahlaktes. Uuangetastete und darum unantastbare Giltigkeit haben
nur die Grundprinzipien behalten, nämlich daß der Papst erivählt werden
muß, daß er nicht vor dem Tode des regierenden Papstes erwählt werden
darf, daß eine in den vorgeschriebenen Formen erfolgte Wahl als vom heiligen
Geiste inspirirt durch nichts rückgängig gemacht werden kann, und daß die
päpstliche Würde eine lebenslängliche, keiner höheren Autorität unterworfene
ist. Während also dein Papste unzweifelhaft das Recht zusteht, neue Verord¬
nungen über Zeit und Ort des Konklave, über das Wahlverfahren und die
Zeremonien zu geben und selbst seinen Nachfolger in Vorschlag zu bringen, so
würde jeder Erlaß ungiltig sein, durch welchen ein Nachfolger ernannt oder
irgend einem der Wählende» die Ausübung feines Wahlrechtes untersagt würde.

In den ersten Jahrhunderten des Christenthums wurde der römische Bischof
durch Klerus und Volk von Rom erwählt. Die christliche Gemeinde erwarb
durch direkte Vererbung das Recht der republikanischen römischen Volksgemeinde
(? d. Red.); an Stelle der Magistratur stand die Hierarchie. Der Klerus, ver¬
treten durch die l^riniatss Olsri, ?riorss ZZoolssias oder Ol^rÄin ^Iss,
gleichbedeutende Titel der oberen Diakonen und Presbyter, hatte das Recht
des Vorschlages; die Gemeinde bestätigte oder verwarf durch Zuruf den Vor¬
geschlagenen. Dieser Wahlmodus war nur brauchbar, solange Klerus und
Gemeinde sehr einträchtig waren. Schon im Jahre 217 machte sich ein starker
Zwiespalt bemerkbar, und es wurde Calistus dem Ersten der erste Gegenpapst,
Hippolitus, entgegengestellt. — Daß auch Klerus und Volk von Rom das Wahl¬
recht nicht für sich allein beanspruchten, geht aus der Wahl des Cornelius a. 250
hervor, an welcher nach Cyprians Bericht in erster Linie die zahlreich in Rom
anwesenden fremden Bischöfe Theil nahmen. Ein solches Zusammenwirken
der Bischöfe, des römischen Klerus und des Volkes war während der ersten
vier Jahrhunderte Regel. So natürlich dies war, so lag doch in der großen
Zahl und der verschiedenen Natur der Wählenden eine Gefahr für die Ein¬
stimmigkeit der Wahl, und in der That waren Zwistigkeiten innerhalb dersel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/331>, abgerufen am 27.09.2024.