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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Jschvlavs, der den Paß von Ion hütete, wie ein zweiter Leonidas; doch die
Vereinigung der vier Heersäulen bei Sellcisia gelang; Epamemondas zog auf
dem östlichen Ufer des Eurotas südwärts. In dieser Gefahr rettete Agesilaos
die Vaterstadt. Mit hoher Besonnenheit und Umsicht traf er die Anstalten
zur Vertheidigung des mauerlosen Sparta, indem er die kampfbegierige junge
Bürgerschaft dort festhielt und die Heiloten unter Zusicherung bürgerlicher
Rechte zu deu Waffen rief. Seine Vorkehrungen zur Abwehr erschienen so
zweckmäßig, daß Epameinoudas vorzog, die Eurotasbrücke nicht zu foreireu.
Er ging bei Amyklä über den angeschwollenen Strom, gab aber nach einigen
tastenden Versuchen den Angriff ans Sparta auf und zog in die Thalebene
des Pamisos, um einen lange gehegten großen Plan in Ausführung zu
bringen: die Herstellung Messeniens.

Schon vor dem Einmarsch in den Peloponnes hatte Epamemondas Boten
nach Sizilien, Italien und Lybien gesandt, um die versprengten Neste des
des verfolgten Messenervvlkes zur Rückkehr in das Land ihrer Väter aufzu¬
fordern und um erhoben sich auf seinen Ruf die geknechteten Bewohner Mes¬
seniens selbst und erbauten unter seinem Schutze am Fuße der alten Bergfeste
Jthome, um welche einst so heiß gestritten worden, die neue Stadt Messene.
Der Bau stieg wunderbar schnell empor; schaarenweise strömten die Vertriebenen
herbei, und in überraschender Weise gelang wirklich eine vollkommene Her¬
stellung des alten dorischen Staates. --Solche Erfolge der Thebäer weckten die
Eifersucht Athens und es sandte den Jphikrates mit einem Söldnerheere auf
den Jsthmos, um dem heimkehrenden Epamemondas, der sehr bedeutende Theile
seines Heeres zum Schutz der neuen Staaten Arkadien und Messene im Pelo-
ponnes zurücklassen mußte, den Weg zu verlegen. Aber der große Thebaner
wußte den berühmten Söldnerführer, der keine namhafte Kampflust zeigte,
durch täuschende Bewegungen zu umgehen und gewann ungefährdet die Heimat.

Hier wurde er zwar wegen eigenmächtiger Anmaßung des Heeresbefehls
auf den Tod angeklagt, und er erkannte die gesetzliche Berechtigung der Klage
an. Auf seine Bitte aber, ihm ans den Grabstein die Worte zu setzen: er
habe nur deshalb das Gebot übertreten und sich das Todesurtheil zugezogen,,
weil er in Lakonien eingefallen sei und Messenien hergestellt habe, wurde die
Klage ohne Weiteres niedergeschlagen.

Hätten sich die drei mächtigsten Staaten zu einer Theilung der Oberherr¬
lichkeit in Griechenland einigen können, so daß Theben an die Spitze der nörd¬
lichen Landschaften getreten wäre, Sparta im Pelopoimes die Führung be¬
hauptet und Athen über die Seestaaten geboten Hütte, so würde Griechenland
vielleicht zu einem friedlichen Zusammenleben auf föderativer Grundlage gelangt
sein. Zu solcher Ausgleichung fehlten jedoch guter Wille und Vertrauen, und


Jschvlavs, der den Paß von Ion hütete, wie ein zweiter Leonidas; doch die
Vereinigung der vier Heersäulen bei Sellcisia gelang; Epamemondas zog auf
dem östlichen Ufer des Eurotas südwärts. In dieser Gefahr rettete Agesilaos
die Vaterstadt. Mit hoher Besonnenheit und Umsicht traf er die Anstalten
zur Vertheidigung des mauerlosen Sparta, indem er die kampfbegierige junge
Bürgerschaft dort festhielt und die Heiloten unter Zusicherung bürgerlicher
Rechte zu deu Waffen rief. Seine Vorkehrungen zur Abwehr erschienen so
zweckmäßig, daß Epameinoudas vorzog, die Eurotasbrücke nicht zu foreireu.
Er ging bei Amyklä über den angeschwollenen Strom, gab aber nach einigen
tastenden Versuchen den Angriff ans Sparta auf und zog in die Thalebene
des Pamisos, um einen lange gehegten großen Plan in Ausführung zu
bringen: die Herstellung Messeniens.

Schon vor dem Einmarsch in den Peloponnes hatte Epamemondas Boten
nach Sizilien, Italien und Lybien gesandt, um die versprengten Neste des
des verfolgten Messenervvlkes zur Rückkehr in das Land ihrer Väter aufzu¬
fordern und um erhoben sich auf seinen Ruf die geknechteten Bewohner Mes¬
seniens selbst und erbauten unter seinem Schutze am Fuße der alten Bergfeste
Jthome, um welche einst so heiß gestritten worden, die neue Stadt Messene.
Der Bau stieg wunderbar schnell empor; schaarenweise strömten die Vertriebenen
herbei, und in überraschender Weise gelang wirklich eine vollkommene Her¬
stellung des alten dorischen Staates. —Solche Erfolge der Thebäer weckten die
Eifersucht Athens und es sandte den Jphikrates mit einem Söldnerheere auf
den Jsthmos, um dem heimkehrenden Epamemondas, der sehr bedeutende Theile
seines Heeres zum Schutz der neuen Staaten Arkadien und Messene im Pelo-
ponnes zurücklassen mußte, den Weg zu verlegen. Aber der große Thebaner
wußte den berühmten Söldnerführer, der keine namhafte Kampflust zeigte,
durch täuschende Bewegungen zu umgehen und gewann ungefährdet die Heimat.

Hier wurde er zwar wegen eigenmächtiger Anmaßung des Heeresbefehls
auf den Tod angeklagt, und er erkannte die gesetzliche Berechtigung der Klage
an. Auf seine Bitte aber, ihm ans den Grabstein die Worte zu setzen: er
habe nur deshalb das Gebot übertreten und sich das Todesurtheil zugezogen,,
weil er in Lakonien eingefallen sei und Messenien hergestellt habe, wurde die
Klage ohne Weiteres niedergeschlagen.

Hätten sich die drei mächtigsten Staaten zu einer Theilung der Oberherr¬
lichkeit in Griechenland einigen können, so daß Theben an die Spitze der nörd¬
lichen Landschaften getreten wäre, Sparta im Pelopoimes die Führung be¬
hauptet und Athen über die Seestaaten geboten Hütte, so würde Griechenland
vielleicht zu einem friedlichen Zusammenleben auf föderativer Grundlage gelangt
sein. Zu solcher Ausgleichung fehlten jedoch guter Wille und Vertrauen, und


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[0310] Jschvlavs, der den Paß von Ion hütete, wie ein zweiter Leonidas; doch die Vereinigung der vier Heersäulen bei Sellcisia gelang; Epamemondas zog auf dem östlichen Ufer des Eurotas südwärts. In dieser Gefahr rettete Agesilaos die Vaterstadt. Mit hoher Besonnenheit und Umsicht traf er die Anstalten zur Vertheidigung des mauerlosen Sparta, indem er die kampfbegierige junge Bürgerschaft dort festhielt und die Heiloten unter Zusicherung bürgerlicher Rechte zu deu Waffen rief. Seine Vorkehrungen zur Abwehr erschienen so zweckmäßig, daß Epameinoudas vorzog, die Eurotasbrücke nicht zu foreireu. Er ging bei Amyklä über den angeschwollenen Strom, gab aber nach einigen tastenden Versuchen den Angriff ans Sparta auf und zog in die Thalebene des Pamisos, um einen lange gehegten großen Plan in Ausführung zu bringen: die Herstellung Messeniens. Schon vor dem Einmarsch in den Peloponnes hatte Epamemondas Boten nach Sizilien, Italien und Lybien gesandt, um die versprengten Neste des des verfolgten Messenervvlkes zur Rückkehr in das Land ihrer Väter aufzu¬ fordern und um erhoben sich auf seinen Ruf die geknechteten Bewohner Mes¬ seniens selbst und erbauten unter seinem Schutze am Fuße der alten Bergfeste Jthome, um welche einst so heiß gestritten worden, die neue Stadt Messene. Der Bau stieg wunderbar schnell empor; schaarenweise strömten die Vertriebenen herbei, und in überraschender Weise gelang wirklich eine vollkommene Her¬ stellung des alten dorischen Staates. —Solche Erfolge der Thebäer weckten die Eifersucht Athens und es sandte den Jphikrates mit einem Söldnerheere auf den Jsthmos, um dem heimkehrenden Epamemondas, der sehr bedeutende Theile seines Heeres zum Schutz der neuen Staaten Arkadien und Messene im Pelo- ponnes zurücklassen mußte, den Weg zu verlegen. Aber der große Thebaner wußte den berühmten Söldnerführer, der keine namhafte Kampflust zeigte, durch täuschende Bewegungen zu umgehen und gewann ungefährdet die Heimat. Hier wurde er zwar wegen eigenmächtiger Anmaßung des Heeresbefehls auf den Tod angeklagt, und er erkannte die gesetzliche Berechtigung der Klage an. Auf seine Bitte aber, ihm ans den Grabstein die Worte zu setzen: er habe nur deshalb das Gebot übertreten und sich das Todesurtheil zugezogen,, weil er in Lakonien eingefallen sei und Messenien hergestellt habe, wurde die Klage ohne Weiteres niedergeschlagen. Hätten sich die drei mächtigsten Staaten zu einer Theilung der Oberherr¬ lichkeit in Griechenland einigen können, so daß Theben an die Spitze der nörd¬ lichen Landschaften getreten wäre, Sparta im Pelopoimes die Führung be¬ hauptet und Athen über die Seestaaten geboten Hütte, so würde Griechenland vielleicht zu einem friedlichen Zusammenleben auf föderativer Grundlage gelangt sein. Zu solcher Ausgleichung fehlten jedoch guter Wille und Vertrauen, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/310>, abgerufen am 20.10.2024.