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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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hielten die Ephoren mit der Botschaft zurück. Erst Abends nach Abschluß der
Spiele sandten sie die Namen der Gefallenen in die einzelnen Häuser, jede
laute Klage verbietend. -- Schnell wurde eine neue Bewaffnung angeordnet,
die alle Bürger bis zum 60. Jahre, sogar mit Einschluß der Beamten um¬
faßte. An die Bundesgenossen erging ein Aufgebot, dem diese, welche noch
nichts von der Niederlage wußten, schnell und gehorsam entsprachen.

Das lakonische Heer bei Leuktra, wie es sich in sein Lager zurückgezogen
hatte, übertraf auch nach der Niederlage noch das der Thebäer an Zahl, und
es fehlte uicht an Stimmen, welche für Erneuerung der Schlacht eintraten.
Indessen die Verstimmung der im Heer befindlichen Bundesgenossen ließ doch
davon abstehen. -- Auch die Thebäer wünschten den Kampf zu erneuern, doch
in Gemeinschaft mit ihren bisherigen Verbündeten, den Athenern und Thessalern,
um der Vernichtung des lakonischer Heeres sicher zu sein. Aber die Athener
empfingen die Siegesnachricht mit sichtbarem Neide, und der Tagos der Thes-
saler, Jason, der mächtige Thrann von Pherü, eilte zwar mit einem Heer-
Hansen herbei; doch statt, wie die Thebäer gehofft, mit ihnen vereint die Pelo-
ponnesier anzugreifen, trat er als Vermittler und Schiedsrichter auf. Unter
solchen Umständen wurde eine Uebereinkunft geschlossen, zufolge derer die
Lakedaimonier ungehindert heimkehren durften. Ihre Pvlemarchen waren aber
so besorgt vor Verrath, daß sie es vorzogen, sich in einen Nachtmarsche
durchzuschleichen. Für dies Verhalten und sür die Flucht in der Schlacht
hätten die Lakedaimonier nach der alten Gesetzesstrenge als Feldflüchtige mit
Ehrlosigkeit lind lebenslanger Beraubung des Wasfenrechts bestraft werden
müssen; aber König Agesilavs, sonst ein so strenger Hüter des Herkommens,
that den Ausspruch: "das Gesetz solle für heute ruhen, von morgen an aber
wieder in Kraft treten." -- In Megara vereinigte sich das geschlagene Heer
mit dem allgemeinen Aufgebote, welches Archidamvs heranführte, und dieser
ging mit der vereinigten Macht nach Lakedaiinon zurück.

In der That hatten die Spartaner alle Ursache, die noch vorhandenen
Kräfte zu schonen; denn die Kunde von Leuktra wirkte wie ein Blitzstrahl auf
die Vundesgeuvsseu im Peloponnes und auf die gutsgehörige Landbevölkerung
Lcckoniens.' Wenn sich unter den Heilvten und Messeniern unheimliche Gäh-
rung kundgab, so wurden in Elis, Mantineia und anderen Städten des Pelo¬
ponnes die unterdrückten Volksherrschaften wiederhergestellt; ja in Argos stand
das rasende Volk in Masse wider die Edlen auf und erschlug ihrer 1200
mit Knitteln.

Während so der Peloponnes in gräuelhafteu Parteikämpfen nach einer
neuen Staatsordnung rang, gewann der boiotische Bundesstaat unter Thebens


hielten die Ephoren mit der Botschaft zurück. Erst Abends nach Abschluß der
Spiele sandten sie die Namen der Gefallenen in die einzelnen Häuser, jede
laute Klage verbietend. — Schnell wurde eine neue Bewaffnung angeordnet,
die alle Bürger bis zum 60. Jahre, sogar mit Einschluß der Beamten um¬
faßte. An die Bundesgenossen erging ein Aufgebot, dem diese, welche noch
nichts von der Niederlage wußten, schnell und gehorsam entsprachen.

Das lakonische Heer bei Leuktra, wie es sich in sein Lager zurückgezogen
hatte, übertraf auch nach der Niederlage noch das der Thebäer an Zahl, und
es fehlte uicht an Stimmen, welche für Erneuerung der Schlacht eintraten.
Indessen die Verstimmung der im Heer befindlichen Bundesgenossen ließ doch
davon abstehen. — Auch die Thebäer wünschten den Kampf zu erneuern, doch
in Gemeinschaft mit ihren bisherigen Verbündeten, den Athenern und Thessalern,
um der Vernichtung des lakonischer Heeres sicher zu sein. Aber die Athener
empfingen die Siegesnachricht mit sichtbarem Neide, und der Tagos der Thes-
saler, Jason, der mächtige Thrann von Pherü, eilte zwar mit einem Heer-
Hansen herbei; doch statt, wie die Thebäer gehofft, mit ihnen vereint die Pelo-
ponnesier anzugreifen, trat er als Vermittler und Schiedsrichter auf. Unter
solchen Umständen wurde eine Uebereinkunft geschlossen, zufolge derer die
Lakedaimonier ungehindert heimkehren durften. Ihre Pvlemarchen waren aber
so besorgt vor Verrath, daß sie es vorzogen, sich in einen Nachtmarsche
durchzuschleichen. Für dies Verhalten und sür die Flucht in der Schlacht
hätten die Lakedaimonier nach der alten Gesetzesstrenge als Feldflüchtige mit
Ehrlosigkeit lind lebenslanger Beraubung des Wasfenrechts bestraft werden
müssen; aber König Agesilavs, sonst ein so strenger Hüter des Herkommens,
that den Ausspruch: „das Gesetz solle für heute ruhen, von morgen an aber
wieder in Kraft treten." — In Megara vereinigte sich das geschlagene Heer
mit dem allgemeinen Aufgebote, welches Archidamvs heranführte, und dieser
ging mit der vereinigten Macht nach Lakedaiinon zurück.

In der That hatten die Spartaner alle Ursache, die noch vorhandenen
Kräfte zu schonen; denn die Kunde von Leuktra wirkte wie ein Blitzstrahl auf
die Vundesgeuvsseu im Peloponnes und auf die gutsgehörige Landbevölkerung
Lcckoniens.' Wenn sich unter den Heilvten und Messeniern unheimliche Gäh-
rung kundgab, so wurden in Elis, Mantineia und anderen Städten des Pelo¬
ponnes die unterdrückten Volksherrschaften wiederhergestellt; ja in Argos stand
das rasende Volk in Masse wider die Edlen auf und erschlug ihrer 1200
mit Knitteln.

Während so der Peloponnes in gräuelhafteu Parteikämpfen nach einer
neuen Staatsordnung rang, gewann der boiotische Bundesstaat unter Thebens


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[0308] hielten die Ephoren mit der Botschaft zurück. Erst Abends nach Abschluß der Spiele sandten sie die Namen der Gefallenen in die einzelnen Häuser, jede laute Klage verbietend. — Schnell wurde eine neue Bewaffnung angeordnet, die alle Bürger bis zum 60. Jahre, sogar mit Einschluß der Beamten um¬ faßte. An die Bundesgenossen erging ein Aufgebot, dem diese, welche noch nichts von der Niederlage wußten, schnell und gehorsam entsprachen. Das lakonische Heer bei Leuktra, wie es sich in sein Lager zurückgezogen hatte, übertraf auch nach der Niederlage noch das der Thebäer an Zahl, und es fehlte uicht an Stimmen, welche für Erneuerung der Schlacht eintraten. Indessen die Verstimmung der im Heer befindlichen Bundesgenossen ließ doch davon abstehen. — Auch die Thebäer wünschten den Kampf zu erneuern, doch in Gemeinschaft mit ihren bisherigen Verbündeten, den Athenern und Thessalern, um der Vernichtung des lakonischer Heeres sicher zu sein. Aber die Athener empfingen die Siegesnachricht mit sichtbarem Neide, und der Tagos der Thes- saler, Jason, der mächtige Thrann von Pherü, eilte zwar mit einem Heer- Hansen herbei; doch statt, wie die Thebäer gehofft, mit ihnen vereint die Pelo- ponnesier anzugreifen, trat er als Vermittler und Schiedsrichter auf. Unter solchen Umständen wurde eine Uebereinkunft geschlossen, zufolge derer die Lakedaimonier ungehindert heimkehren durften. Ihre Pvlemarchen waren aber so besorgt vor Verrath, daß sie es vorzogen, sich in einen Nachtmarsche durchzuschleichen. Für dies Verhalten und sür die Flucht in der Schlacht hätten die Lakedaimonier nach der alten Gesetzesstrenge als Feldflüchtige mit Ehrlosigkeit lind lebenslanger Beraubung des Wasfenrechts bestraft werden müssen; aber König Agesilavs, sonst ein so strenger Hüter des Herkommens, that den Ausspruch: „das Gesetz solle für heute ruhen, von morgen an aber wieder in Kraft treten." — In Megara vereinigte sich das geschlagene Heer mit dem allgemeinen Aufgebote, welches Archidamvs heranführte, und dieser ging mit der vereinigten Macht nach Lakedaiinon zurück. In der That hatten die Spartaner alle Ursache, die noch vorhandenen Kräfte zu schonen; denn die Kunde von Leuktra wirkte wie ein Blitzstrahl auf die Vundesgeuvsseu im Peloponnes und auf die gutsgehörige Landbevölkerung Lcckoniens.' Wenn sich unter den Heilvten und Messeniern unheimliche Gäh- rung kundgab, so wurden in Elis, Mantineia und anderen Städten des Pelo¬ ponnes die unterdrückten Volksherrschaften wiederhergestellt; ja in Argos stand das rasende Volk in Masse wider die Edlen auf und erschlug ihrer 1200 mit Knitteln. Während so der Peloponnes in gräuelhafteu Parteikämpfen nach einer neuen Staatsordnung rang, gewann der boiotische Bundesstaat unter Thebens

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/308>, abgerufen am 27.09.2024.