Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.-- das ist am Ende die wichtigste der sich hier aufdrängenden Fragen -- zu Wozu haben diese Blätter gedient? Schliemann hielt sie für Miniatur¬ — das ist am Ende die wichtigste der sich hier aufdrängenden Fragen — zu Wozu haben diese Blätter gedient? Schliemann hielt sie für Miniatur¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0300" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139593"/> <p xml:id="ID_838" prev="#ID_837"> — das ist am Ende die wichtigste der sich hier aufdrängenden Fragen — zu<lb/> gewinnen, wollen wir einen Blick auf den Inhalt eines Grabes, und zwar<lb/> auf den des reichsten, des dritten in der von Schliemann aufgefundenen Reihe<lb/> werfen. Im dritten Grabe fand er die Ueberreste von drei Personen, die nach<lb/> der Kleinheit der Knochen, besonders der Zähne, und nach den Massen von<lb/> Frauenschmuck zu urtheilen, die darin gefunden wurden, Frauen gewesen sein<lb/> müssen. Wie in den anderen Gräbern lagen die Gerippe drei Fuß von einan¬<lb/> der entfernt — das spricht auch gegen eine hastige Bestattung — und zwar<lb/> mit dem Kopfe nach Osten und den Füßen gen Westen. Sie waren mit einer<lb/> Schicht von Kieselsteinen bedeckt und lagen auf einer Schicht gleicher Steine.<lb/> Die Körper waren buchstäblich mit Juwelen und Gold überladen. Sowohl<lb/> unter den Gerippen als über ihnen und um dieselben herum fand Schliemann<lb/> 701 goldene, schön ornamentirte Platten, theils kreisförmige im Durchmesser<lb/> von 2^/2 Zea., theils solche in Form von ziemlich naturalistisch durchgebilde¬<lb/> ten Baumblättern und Palmetten. Eines der runden Blätter zeigt ein Schmet-<lb/> terling- oder bienenartiges Thier, ein anderes ein vielfüßiges Fabelthier, in<lb/> welchem Schliemann's Phantasie einen Tintenfisch erkennt, die anderen sind<lb/> mit gepreßten Ornamenten geziert, die aus konzentrischen Kreisen und aus<lb/> Spiralen bestehen, welche mit großer Virtuosität zu den verschiedenartigsten<lb/> Combinationen verbunden sind. Auf vielen Blättern findet sich auch ein<lb/> Ornament, welches dem ausgebreiteten Kelche einer Aster ähnlich sieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_839" next="#ID_840"> Wozu haben diese Blätter gedient? Schliemann hielt sie für Miniatur¬<lb/> abbildungen von Schilden. Schilde im Grabe von Frauen! Wie bei den<lb/> oben beschriebenen Grabstellen geben uns auch hier die Monumente von Ni-<lb/> nive die erwünschte Aufklärung und zugleich den ersten festen Anhaltspunkt<lb/> für die Datirung der Gräber. Die großen Alabastertafeln mit den Bildern<lb/> der altassyrischen Könige, die im sogenannten Südwestpalast von Nimrud,<lb/> dem ältesten Theile der Riesenstadt am Tigris, gefunden wurden, zeigen uns<lb/> dieselben runden Blätter mit denselben Ornamenten, unter welchen das aster-<lb/> förmige am häufigsten wiederkehrt, als Agraffen von Armspangen, als Dia¬<lb/> deme, Stirn-, Mützen- und Halsbänder auf Binden aneinandergereiht, als<lb/> Besatz der Prünkgewänder u. s. w. Hermann Weiß hat im ersten Bande seiner<lb/> unübertrefflichen „Kostümkunde" über diese Goldbleche und ihre vielfache Ver¬<lb/> wendung an der Kleidung der luxusliebenden Assyrier gesprochen. Er glaubt<lb/> aus den Monumenten folgern zu können, daß diese runden Ornamente ur¬<lb/> sprünglich in die dicken Gewänder eingewebt und daß erst in späterer Zeit<lb/> wirkliche Goldbleche aufgenäht worden sind. Es unterliegt keinem Zweifel,<lb/> daß die in den mykenäischen Gräbern in so erstaunlicher Anzahl gefundenen<lb/> Goldblätter dieselbe Verwendung gehabt haben. In einem Grabe bei Kertsch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
— das ist am Ende die wichtigste der sich hier aufdrängenden Fragen — zu
gewinnen, wollen wir einen Blick auf den Inhalt eines Grabes, und zwar
auf den des reichsten, des dritten in der von Schliemann aufgefundenen Reihe
werfen. Im dritten Grabe fand er die Ueberreste von drei Personen, die nach
der Kleinheit der Knochen, besonders der Zähne, und nach den Massen von
Frauenschmuck zu urtheilen, die darin gefunden wurden, Frauen gewesen sein
müssen. Wie in den anderen Gräbern lagen die Gerippe drei Fuß von einan¬
der entfernt — das spricht auch gegen eine hastige Bestattung — und zwar
mit dem Kopfe nach Osten und den Füßen gen Westen. Sie waren mit einer
Schicht von Kieselsteinen bedeckt und lagen auf einer Schicht gleicher Steine.
Die Körper waren buchstäblich mit Juwelen und Gold überladen. Sowohl
unter den Gerippen als über ihnen und um dieselben herum fand Schliemann
701 goldene, schön ornamentirte Platten, theils kreisförmige im Durchmesser
von 2^/2 Zea., theils solche in Form von ziemlich naturalistisch durchgebilde¬
ten Baumblättern und Palmetten. Eines der runden Blätter zeigt ein Schmet-
terling- oder bienenartiges Thier, ein anderes ein vielfüßiges Fabelthier, in
welchem Schliemann's Phantasie einen Tintenfisch erkennt, die anderen sind
mit gepreßten Ornamenten geziert, die aus konzentrischen Kreisen und aus
Spiralen bestehen, welche mit großer Virtuosität zu den verschiedenartigsten
Combinationen verbunden sind. Auf vielen Blättern findet sich auch ein
Ornament, welches dem ausgebreiteten Kelche einer Aster ähnlich sieht.
Wozu haben diese Blätter gedient? Schliemann hielt sie für Miniatur¬
abbildungen von Schilden. Schilde im Grabe von Frauen! Wie bei den
oben beschriebenen Grabstellen geben uns auch hier die Monumente von Ni-
nive die erwünschte Aufklärung und zugleich den ersten festen Anhaltspunkt
für die Datirung der Gräber. Die großen Alabastertafeln mit den Bildern
der altassyrischen Könige, die im sogenannten Südwestpalast von Nimrud,
dem ältesten Theile der Riesenstadt am Tigris, gefunden wurden, zeigen uns
dieselben runden Blätter mit denselben Ornamenten, unter welchen das aster-
förmige am häufigsten wiederkehrt, als Agraffen von Armspangen, als Dia¬
deme, Stirn-, Mützen- und Halsbänder auf Binden aneinandergereiht, als
Besatz der Prünkgewänder u. s. w. Hermann Weiß hat im ersten Bande seiner
unübertrefflichen „Kostümkunde" über diese Goldbleche und ihre vielfache Ver¬
wendung an der Kleidung der luxusliebenden Assyrier gesprochen. Er glaubt
aus den Monumenten folgern zu können, daß diese runden Ornamente ur¬
sprünglich in die dicken Gewänder eingewebt und daß erst in späterer Zeit
wirkliche Goldbleche aufgenäht worden sind. Es unterliegt keinem Zweifel,
daß die in den mykenäischen Gräbern in so erstaunlicher Anzahl gefundenen
Goldblätter dieselbe Verwendung gehabt haben. In einem Grabe bei Kertsch
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