Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kurzer Zeit eine Stelle als Buchhalter in dem Handelshause von Schröder
u. Co., die mit einem Gehalte von 2000 Fras. verbunden war. Gegen äußere
Noth geschützt, konnte er nun mit größerem Eifer seinen Studien obliegen.
Er begann russisch zu lernen und legte damit den Grundstein zu seinem Glück.
Seine Chefs schickten ihn im Jahre 1846 als Agenten nach Petersburg. Er
lernte die dortigen Verhältnisse kennen, benutzte die Konjunkturen und etablirte
ein Jahr später ein Geschäft auf eigne Rechnung. Seine Sprachstudien wur¬
den jetzt" durch die Ueberlast der Geschäfte bis 1854 unterbrochen, wo er
schwedisch und polnisch lernte. Im Jahre 1856 warf er sich mit Eifer auf
das neu- und altgriechische und bewältigte die Schwierigkeiten dieser beiden
Sprachen in fünf Monaten. Seine Handelsunternehmungen wurden auf wun¬
derbare Weise vom Glück begünstigt, so daß er sich bereits im Jahre 1863
mit einem bedeutenden Vermögen von den Geschäften zurückziehen konnte, um
fortan ausschließlich seinen Studien zu leben. Er machte größere Reisen, ein¬
mal auch die Reise um die Welt, und im Juli 1868 die Reise nach Griechen¬
land und Troja, deren Ergebnisse er in dem oben zitirten Buche niederge¬
legt hat.

Wie ich noch privatim erfahren habe, verdankt Schliemann einen großen
Theil seines Vermögens, das er in so uneigennütziger Weise dem Dienste der
Wissenschaft opfert, seiner jetzigen Frau, einer geborenen Athenerin. Von dem¬
selben Enthusiasmus wie ihr Gatte beseelt, nimmt sie an seinen Ausgrabun¬
gen Theil. In Mykenae wurde ein Schatzhaus, das mit dem schon länger
bekannten des Atreus völlig übereinstimmt, unter ihrer persönlichen Leitung
ausgegraben. Eine Abbildung des Schliemann'schen Buches gedenkt dieses
Umstandes ausdrücklich, indem sie Frau Dr. Schliemann am Eingang des
neu aufgedeckten unterirdischen Bauwerks verewigt. Schliemann wurde von
der Universität seines Heimathlandes, Rostock, zum Doktor der Philosophie
promovirt.

Schliemann besuchte im Jahre 1868 auch Mykenae, den Schauplatz sei¬
ner neuesten Ausgrabungen. Bei der Beschreibung des Löwenthors sagt er
in seinem Reisebuche Folgendes: "An Ober- und Unterschwelle des großen
Thors sieht man deutlich die Löcher für Riegel und Angeln und in den gro¬
ßen Steinen des Pflasters die Geleise für Wagenräder." Damals war jedoch
die Unterschwelle und das Pflaster mit so hohem Schutt bedeckt, daß Schlie¬
mann, als er am 6. August 1876 seine Ausgrabungen in Mykenae begann,
Tage langer Arbeit bedürfte, bevor seine Leute die Unterschwelle und das
Pflaster bloslegen konnten. Und jetzt schreibt derselbe Schliemann (Mykenae
S. 137): "Sie (die Thürschwelle) besteht aus einem 15 Fuß langen, 8 Fuß
breiten, sehr harten Block von Breccia. Das durch die Räder der alten Wagen


kurzer Zeit eine Stelle als Buchhalter in dem Handelshause von Schröder
u. Co., die mit einem Gehalte von 2000 Fras. verbunden war. Gegen äußere
Noth geschützt, konnte er nun mit größerem Eifer seinen Studien obliegen.
Er begann russisch zu lernen und legte damit den Grundstein zu seinem Glück.
Seine Chefs schickten ihn im Jahre 1846 als Agenten nach Petersburg. Er
lernte die dortigen Verhältnisse kennen, benutzte die Konjunkturen und etablirte
ein Jahr später ein Geschäft auf eigne Rechnung. Seine Sprachstudien wur¬
den jetzt« durch die Ueberlast der Geschäfte bis 1854 unterbrochen, wo er
schwedisch und polnisch lernte. Im Jahre 1856 warf er sich mit Eifer auf
das neu- und altgriechische und bewältigte die Schwierigkeiten dieser beiden
Sprachen in fünf Monaten. Seine Handelsunternehmungen wurden auf wun¬
derbare Weise vom Glück begünstigt, so daß er sich bereits im Jahre 1863
mit einem bedeutenden Vermögen von den Geschäften zurückziehen konnte, um
fortan ausschließlich seinen Studien zu leben. Er machte größere Reisen, ein¬
mal auch die Reise um die Welt, und im Juli 1868 die Reise nach Griechen¬
land und Troja, deren Ergebnisse er in dem oben zitirten Buche niederge¬
legt hat.

Wie ich noch privatim erfahren habe, verdankt Schliemann einen großen
Theil seines Vermögens, das er in so uneigennütziger Weise dem Dienste der
Wissenschaft opfert, seiner jetzigen Frau, einer geborenen Athenerin. Von dem¬
selben Enthusiasmus wie ihr Gatte beseelt, nimmt sie an seinen Ausgrabun¬
gen Theil. In Mykenae wurde ein Schatzhaus, das mit dem schon länger
bekannten des Atreus völlig übereinstimmt, unter ihrer persönlichen Leitung
ausgegraben. Eine Abbildung des Schliemann'schen Buches gedenkt dieses
Umstandes ausdrücklich, indem sie Frau Dr. Schliemann am Eingang des
neu aufgedeckten unterirdischen Bauwerks verewigt. Schliemann wurde von
der Universität seines Heimathlandes, Rostock, zum Doktor der Philosophie
promovirt.

Schliemann besuchte im Jahre 1868 auch Mykenae, den Schauplatz sei¬
ner neuesten Ausgrabungen. Bei der Beschreibung des Löwenthors sagt er
in seinem Reisebuche Folgendes: „An Ober- und Unterschwelle des großen
Thors sieht man deutlich die Löcher für Riegel und Angeln und in den gro¬
ßen Steinen des Pflasters die Geleise für Wagenräder." Damals war jedoch
die Unterschwelle und das Pflaster mit so hohem Schutt bedeckt, daß Schlie¬
mann, als er am 6. August 1876 seine Ausgrabungen in Mykenae begann,
Tage langer Arbeit bedürfte, bevor seine Leute die Unterschwelle und das
Pflaster bloslegen konnten. Und jetzt schreibt derselbe Schliemann (Mykenae
S. 137): „Sie (die Thürschwelle) besteht aus einem 15 Fuß langen, 8 Fuß
breiten, sehr harten Block von Breccia. Das durch die Räder der alten Wagen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139586"/>
          <p xml:id="ID_815" prev="#ID_814"> kurzer Zeit eine Stelle als Buchhalter in dem Handelshause von Schröder<lb/>
u. Co., die mit einem Gehalte von 2000 Fras. verbunden war. Gegen äußere<lb/>
Noth geschützt, konnte er nun mit größerem Eifer seinen Studien obliegen.<lb/>
Er begann russisch zu lernen und legte damit den Grundstein zu seinem Glück.<lb/>
Seine Chefs schickten ihn im Jahre 1846 als Agenten nach Petersburg. Er<lb/>
lernte die dortigen Verhältnisse kennen, benutzte die Konjunkturen und etablirte<lb/>
ein Jahr später ein Geschäft auf eigne Rechnung. Seine Sprachstudien wur¬<lb/>
den jetzt« durch die Ueberlast der Geschäfte bis 1854 unterbrochen, wo er<lb/>
schwedisch und polnisch lernte. Im Jahre 1856 warf er sich mit Eifer auf<lb/>
das neu- und altgriechische und bewältigte die Schwierigkeiten dieser beiden<lb/>
Sprachen in fünf Monaten. Seine Handelsunternehmungen wurden auf wun¬<lb/>
derbare Weise vom Glück begünstigt, so daß er sich bereits im Jahre 1863<lb/>
mit einem bedeutenden Vermögen von den Geschäften zurückziehen konnte, um<lb/>
fortan ausschließlich seinen Studien zu leben. Er machte größere Reisen, ein¬<lb/>
mal auch die Reise um die Welt, und im Juli 1868 die Reise nach Griechen¬<lb/>
land und Troja, deren Ergebnisse er in dem oben zitirten Buche niederge¬<lb/>
legt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_816"> Wie ich noch privatim erfahren habe, verdankt Schliemann einen großen<lb/>
Theil seines Vermögens, das er in so uneigennütziger Weise dem Dienste der<lb/>
Wissenschaft opfert, seiner jetzigen Frau, einer geborenen Athenerin. Von dem¬<lb/>
selben Enthusiasmus wie ihr Gatte beseelt, nimmt sie an seinen Ausgrabun¬<lb/>
gen Theil. In Mykenae wurde ein Schatzhaus, das mit dem schon länger<lb/>
bekannten des Atreus völlig übereinstimmt, unter ihrer persönlichen Leitung<lb/>
ausgegraben. Eine Abbildung des Schliemann'schen Buches gedenkt dieses<lb/>
Umstandes ausdrücklich, indem sie Frau Dr. Schliemann am Eingang des<lb/>
neu aufgedeckten unterirdischen Bauwerks verewigt. Schliemann wurde von<lb/>
der Universität seines Heimathlandes, Rostock, zum Doktor der Philosophie<lb/>
promovirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_817" next="#ID_818"> Schliemann besuchte im Jahre 1868 auch Mykenae, den Schauplatz sei¬<lb/>
ner neuesten Ausgrabungen. Bei der Beschreibung des Löwenthors sagt er<lb/>
in seinem Reisebuche Folgendes: &#x201E;An Ober- und Unterschwelle des großen<lb/>
Thors sieht man deutlich die Löcher für Riegel und Angeln und in den gro¬<lb/>
ßen Steinen des Pflasters die Geleise für Wagenräder." Damals war jedoch<lb/>
die Unterschwelle und das Pflaster mit so hohem Schutt bedeckt, daß Schlie¬<lb/>
mann, als er am 6. August 1876 seine Ausgrabungen in Mykenae begann,<lb/>
Tage langer Arbeit bedürfte, bevor seine Leute die Unterschwelle und das<lb/>
Pflaster bloslegen konnten. Und jetzt schreibt derselbe Schliemann (Mykenae<lb/>
S. 137): &#x201E;Sie (die Thürschwelle) besteht aus einem 15 Fuß langen, 8 Fuß<lb/>
breiten, sehr harten Block von Breccia. Das durch die Räder der alten Wagen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] kurzer Zeit eine Stelle als Buchhalter in dem Handelshause von Schröder u. Co., die mit einem Gehalte von 2000 Fras. verbunden war. Gegen äußere Noth geschützt, konnte er nun mit größerem Eifer seinen Studien obliegen. Er begann russisch zu lernen und legte damit den Grundstein zu seinem Glück. Seine Chefs schickten ihn im Jahre 1846 als Agenten nach Petersburg. Er lernte die dortigen Verhältnisse kennen, benutzte die Konjunkturen und etablirte ein Jahr später ein Geschäft auf eigne Rechnung. Seine Sprachstudien wur¬ den jetzt« durch die Ueberlast der Geschäfte bis 1854 unterbrochen, wo er schwedisch und polnisch lernte. Im Jahre 1856 warf er sich mit Eifer auf das neu- und altgriechische und bewältigte die Schwierigkeiten dieser beiden Sprachen in fünf Monaten. Seine Handelsunternehmungen wurden auf wun¬ derbare Weise vom Glück begünstigt, so daß er sich bereits im Jahre 1863 mit einem bedeutenden Vermögen von den Geschäften zurückziehen konnte, um fortan ausschließlich seinen Studien zu leben. Er machte größere Reisen, ein¬ mal auch die Reise um die Welt, und im Juli 1868 die Reise nach Griechen¬ land und Troja, deren Ergebnisse er in dem oben zitirten Buche niederge¬ legt hat. Wie ich noch privatim erfahren habe, verdankt Schliemann einen großen Theil seines Vermögens, das er in so uneigennütziger Weise dem Dienste der Wissenschaft opfert, seiner jetzigen Frau, einer geborenen Athenerin. Von dem¬ selben Enthusiasmus wie ihr Gatte beseelt, nimmt sie an seinen Ausgrabun¬ gen Theil. In Mykenae wurde ein Schatzhaus, das mit dem schon länger bekannten des Atreus völlig übereinstimmt, unter ihrer persönlichen Leitung ausgegraben. Eine Abbildung des Schliemann'schen Buches gedenkt dieses Umstandes ausdrücklich, indem sie Frau Dr. Schliemann am Eingang des neu aufgedeckten unterirdischen Bauwerks verewigt. Schliemann wurde von der Universität seines Heimathlandes, Rostock, zum Doktor der Philosophie promovirt. Schliemann besuchte im Jahre 1868 auch Mykenae, den Schauplatz sei¬ ner neuesten Ausgrabungen. Bei der Beschreibung des Löwenthors sagt er in seinem Reisebuche Folgendes: „An Ober- und Unterschwelle des großen Thors sieht man deutlich die Löcher für Riegel und Angeln und in den gro¬ ßen Steinen des Pflasters die Geleise für Wagenräder." Damals war jedoch die Unterschwelle und das Pflaster mit so hohem Schutt bedeckt, daß Schlie¬ mann, als er am 6. August 1876 seine Ausgrabungen in Mykenae begann, Tage langer Arbeit bedürfte, bevor seine Leute die Unterschwelle und das Pflaster bloslegen konnten. Und jetzt schreibt derselbe Schliemann (Mykenae S. 137): „Sie (die Thürschwelle) besteht aus einem 15 Fuß langen, 8 Fuß breiten, sehr harten Block von Breccia. Das durch die Räder der alten Wagen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/293>, abgerufen am 27.09.2024.