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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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leisten. Die Gesittung wäre zu Grunde gegangen, wenn hier nicht eine Thei¬
lung der Arbeit eingetreten wäre. Daß aber nur diese Alternative gegeben
war, muß als das traurigste Verhängniß für Griechenland betrachtet werden;
denn auch das Söldnerthmn schlug ihm unheilbare Wunden. -- Tenophon hat
in der Kyropädie mit Vorliebe Tänze und Spiele geschildert, um dabei sinn¬
reiche Anspielungen einfließen zu lassen. So berichtet er von einer mimischen
Darstellung, in der ein Landmann den Pflug sührt, ohne doch die Waffen,
die ihn auf's Feld begleitet, außer Augen zu lassen. Ein Kriegsknecht stürmt
herbei und beraubt ihn; aber der Landmann greift zu den bereit gehaltenen
Waffen, überwindet den Feind, bindet ihn zu seinen Stieren und führt ihn
im Triumph nach Hause. -- Dies ist das Urbild des Volksheeres. Lange Zeit
haben die Hellenen ihm nachgelebt, und erst als sie die Rolle des pflugführen¬
den Kriegers mit der des beutegierigen Söldners vertauschten, sanken sie von
der Höhe ihrer Weltstellung herab.

Dieser Prozeß war jedoch unvermeidlich. Sogar dasjenige Hellenenvolk, das
wie kein anderes konservativ war in seiner altdorischen Starrheit, Lakedaimon
selbst, lenkte ein in die Bahn des Sölduerthums, freilich nicht, um es als
Ersatz zu verwerthen für die eigentlichen Spartiaten, wohl aber als solchen
für die peloponnesischen Heerespflichtigen. Es ging dabei in ganz ähnlicher
Weise vor, wie dereinst Athen gegenüber seinen maritimen Verbündeten.

Agesilaos änderte nämlich (383) die Bundesmatrikel dahin, daß er es den
Eidgenossen freistellte, ob sie, statt Mannschaft zu geben, Geld zahlen wollten,
und berechnete zu diesem Zwecke sür den einzelnen vollgerüsteten Wehrmann
täglich 3 äginäische Obolen, für den Reiter das vierfache, einen stäter (2,15 M.).
Für jeden fehlenden Mann sei täglich 1 stäter als Buße zu zahlen. Durch
dies, Strenge mit Nachsicht klüglich mischende Verfahren, ermöglichte man es
den wohlhabenden Gemeinden, sich frei zu kaufen vom persönlichen Kriegs¬
dienst, und Sparta war es willkommen, wenn davon ausgiebiger Gebrauch
gemacht wurde, weil die Halbunterworfenen sich so des Wasfenwerks entwöhn¬
ten. -- Für die erlegten Summen aber warb man Söldner, welche in weit
besserer Zucht und Ordnung zu erhalten waren, als die hündischen Aufgebote.
Diese Entwickelung war übrigens schon von langer Hand vorbereitet und dnrch
die stetig fortschreitende Verminderung der Zahl der Spartiaten auch von un-
abweislicher Nothwendigkeit. Statt der 9000 bis 10,000 Vollbürger, die in
den Blüthezeiten des Staats gelebt, gab es nur noch 3000 bis 4000, und der
Grund dieser Abnahme lag nicht allein in den Menschenverlusten während der
langen Kriege, sondern auch in der Verarmung vieler Bürger, die sich scheu¬
ten, ein Hauswesen zu begründen. Auf alle Weise suchte man zur Kinder¬
erzeugung aufzumuntern; wer 3 Söhne erzeugt, wurde von der Verpflichtung


leisten. Die Gesittung wäre zu Grunde gegangen, wenn hier nicht eine Thei¬
lung der Arbeit eingetreten wäre. Daß aber nur diese Alternative gegeben
war, muß als das traurigste Verhängniß für Griechenland betrachtet werden;
denn auch das Söldnerthmn schlug ihm unheilbare Wunden. — Tenophon hat
in der Kyropädie mit Vorliebe Tänze und Spiele geschildert, um dabei sinn¬
reiche Anspielungen einfließen zu lassen. So berichtet er von einer mimischen
Darstellung, in der ein Landmann den Pflug sührt, ohne doch die Waffen,
die ihn auf's Feld begleitet, außer Augen zu lassen. Ein Kriegsknecht stürmt
herbei und beraubt ihn; aber der Landmann greift zu den bereit gehaltenen
Waffen, überwindet den Feind, bindet ihn zu seinen Stieren und führt ihn
im Triumph nach Hause. — Dies ist das Urbild des Volksheeres. Lange Zeit
haben die Hellenen ihm nachgelebt, und erst als sie die Rolle des pflugführen¬
den Kriegers mit der des beutegierigen Söldners vertauschten, sanken sie von
der Höhe ihrer Weltstellung herab.

Dieser Prozeß war jedoch unvermeidlich. Sogar dasjenige Hellenenvolk, das
wie kein anderes konservativ war in seiner altdorischen Starrheit, Lakedaimon
selbst, lenkte ein in die Bahn des Sölduerthums, freilich nicht, um es als
Ersatz zu verwerthen für die eigentlichen Spartiaten, wohl aber als solchen
für die peloponnesischen Heerespflichtigen. Es ging dabei in ganz ähnlicher
Weise vor, wie dereinst Athen gegenüber seinen maritimen Verbündeten.

Agesilaos änderte nämlich (383) die Bundesmatrikel dahin, daß er es den
Eidgenossen freistellte, ob sie, statt Mannschaft zu geben, Geld zahlen wollten,
und berechnete zu diesem Zwecke sür den einzelnen vollgerüsteten Wehrmann
täglich 3 äginäische Obolen, für den Reiter das vierfache, einen stäter (2,15 M.).
Für jeden fehlenden Mann sei täglich 1 stäter als Buße zu zahlen. Durch
dies, Strenge mit Nachsicht klüglich mischende Verfahren, ermöglichte man es
den wohlhabenden Gemeinden, sich frei zu kaufen vom persönlichen Kriegs¬
dienst, und Sparta war es willkommen, wenn davon ausgiebiger Gebrauch
gemacht wurde, weil die Halbunterworfenen sich so des Wasfenwerks entwöhn¬
ten. — Für die erlegten Summen aber warb man Söldner, welche in weit
besserer Zucht und Ordnung zu erhalten waren, als die hündischen Aufgebote.
Diese Entwickelung war übrigens schon von langer Hand vorbereitet und dnrch
die stetig fortschreitende Verminderung der Zahl der Spartiaten auch von un-
abweislicher Nothwendigkeit. Statt der 9000 bis 10,000 Vollbürger, die in
den Blüthezeiten des Staats gelebt, gab es nur noch 3000 bis 4000, und der
Grund dieser Abnahme lag nicht allein in den Menschenverlusten während der
langen Kriege, sondern auch in der Verarmung vieler Bürger, die sich scheu¬
ten, ein Hauswesen zu begründen. Auf alle Weise suchte man zur Kinder¬
erzeugung aufzumuntern; wer 3 Söhne erzeugt, wurde von der Verpflichtung


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[0258] leisten. Die Gesittung wäre zu Grunde gegangen, wenn hier nicht eine Thei¬ lung der Arbeit eingetreten wäre. Daß aber nur diese Alternative gegeben war, muß als das traurigste Verhängniß für Griechenland betrachtet werden; denn auch das Söldnerthmn schlug ihm unheilbare Wunden. — Tenophon hat in der Kyropädie mit Vorliebe Tänze und Spiele geschildert, um dabei sinn¬ reiche Anspielungen einfließen zu lassen. So berichtet er von einer mimischen Darstellung, in der ein Landmann den Pflug sührt, ohne doch die Waffen, die ihn auf's Feld begleitet, außer Augen zu lassen. Ein Kriegsknecht stürmt herbei und beraubt ihn; aber der Landmann greift zu den bereit gehaltenen Waffen, überwindet den Feind, bindet ihn zu seinen Stieren und führt ihn im Triumph nach Hause. — Dies ist das Urbild des Volksheeres. Lange Zeit haben die Hellenen ihm nachgelebt, und erst als sie die Rolle des pflugführen¬ den Kriegers mit der des beutegierigen Söldners vertauschten, sanken sie von der Höhe ihrer Weltstellung herab. Dieser Prozeß war jedoch unvermeidlich. Sogar dasjenige Hellenenvolk, das wie kein anderes konservativ war in seiner altdorischen Starrheit, Lakedaimon selbst, lenkte ein in die Bahn des Sölduerthums, freilich nicht, um es als Ersatz zu verwerthen für die eigentlichen Spartiaten, wohl aber als solchen für die peloponnesischen Heerespflichtigen. Es ging dabei in ganz ähnlicher Weise vor, wie dereinst Athen gegenüber seinen maritimen Verbündeten. Agesilaos änderte nämlich (383) die Bundesmatrikel dahin, daß er es den Eidgenossen freistellte, ob sie, statt Mannschaft zu geben, Geld zahlen wollten, und berechnete zu diesem Zwecke sür den einzelnen vollgerüsteten Wehrmann täglich 3 äginäische Obolen, für den Reiter das vierfache, einen stäter (2,15 M.). Für jeden fehlenden Mann sei täglich 1 stäter als Buße zu zahlen. Durch dies, Strenge mit Nachsicht klüglich mischende Verfahren, ermöglichte man es den wohlhabenden Gemeinden, sich frei zu kaufen vom persönlichen Kriegs¬ dienst, und Sparta war es willkommen, wenn davon ausgiebiger Gebrauch gemacht wurde, weil die Halbunterworfenen sich so des Wasfenwerks entwöhn¬ ten. — Für die erlegten Summen aber warb man Söldner, welche in weit besserer Zucht und Ordnung zu erhalten waren, als die hündischen Aufgebote. Diese Entwickelung war übrigens schon von langer Hand vorbereitet und dnrch die stetig fortschreitende Verminderung der Zahl der Spartiaten auch von un- abweislicher Nothwendigkeit. Statt der 9000 bis 10,000 Vollbürger, die in den Blüthezeiten des Staats gelebt, gab es nur noch 3000 bis 4000, und der Grund dieser Abnahme lag nicht allein in den Menschenverlusten während der langen Kriege, sondern auch in der Verarmung vieler Bürger, die sich scheu¬ ten, ein Hauswesen zu begründen. Auf alle Weise suchte man zur Kinder¬ erzeugung aufzumuntern; wer 3 Söhne erzeugt, wurde von der Verpflichtung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/258>, abgerufen am 27.09.2024.