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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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blicken kann, sieht man als Hintergrund der Landschaft die Waldebene zwischen
den Peneus-Mündungen wie einen grünen Teppich ausgebreitet, und daran
sich schließend den blauen Spiegel des Meeres: nähert man sich aber dem
westlichen Ende des Thales, so erscheinen die grünen Wiesenflächen oder Korn¬
felder Thessaliens und die weiter gegen Westen sich erhebenden schneebedeckten
Ketten des Pindnsgebirges. Ueberall zeigen die abwechselnd kahlen und wal¬
digen Berge und Felsen die malerischsten Formen, und hohe schroffe Stein¬
wände sind oft mit dem harmonischsten Farbenspiel von grün, braun,
roth, gelb schimmernden Mosen bedeckt. Wo aber der Weg in die Gründe
des Thales sich senkt, erblickt man den Peneus als einen tief und ruhig
fließenden Strom, an seinen Ufern beschattet von hohen Platanen, Ulmen,
Linden, die durchflochten von gewaltigen Epheugehüngen zu Gruppen der schön¬
sten und mannigfaltigsten Formen sich fügen. An manchen Stellen sah ich --
der Fluß überfluthet in dieser Jahreszeit sein gewöhnliches Bett -- Haine von
uralten Platanen im Wasser stehen, das wie ein sanft fließender See unter
ihren grünen Hallen sich ergoß. Zuweilen windet sich der Weg durch kleine
Seitenschlnchten des Thales, in denen krystallhelle Bäche eiskalten Wassers in
Kaskaden von den Felsen herabströmen, oder an ihrem Fuße zwischen einer
Fülle von Blumen aus geräumigen Bassins entspringen, umschattet von Myr-
then- und Lorbeerbüschen und üppig wuchernden Schlingpflanzen. Ich bedauerte
sehr, so rasch an diesen anmuthigen Stellen vorübereilen zu müssen. Um
Mittag rastete ich auf dem schwellenden maigrünen Rasen dicht am Ufer des
Penens, und nachdem ich dem Gesänge der Vögel gelauscht, und geträumt
und geschlummert -- bewacht von meinen: treuen Hunde, und die geladene
Flinte unter dem Kopfe, brach ich wieder auf und zog nun bald in die pracht¬
volle Thessalische Ebene ein. Gegen Westen schimmerte jetzt in weiter Aus¬
dehnung mit schneeigen Gipfeln die hohe Pindnskette, und auch die weißen
Häupter des Olymp und Ossa, Pelion und Othrys traten allmälig hervor
und schufen überall die schönsten Gebirgsbilder über dem grünen Teppich der
Wiesen und Saaten.

Es war halb zehn Uhr Nachts geworden, als ich Larissa erreichte. Nir¬
gends war mehr Jemand auf -- denn die Türken gehen sehr früh zu Bett
an den man sich hätte wenden können. Da sagte mir ein auf Posten ste¬
hender Soldat: "Despot" d. h. er rieth mir, beim Bischof, (griech. -^onor^s)
oder vielmehr Erzbischof Nachtquartier zu suchen. Dies that ich und wurde
gastlich dort aufgenommen. Ein junger Geistlicher machte die Honneurs, der
Erzbischof selbst ließ sich nach der ersten Begrüßung nicht weiter sehn. Nach
einem frugalen Mal und noch frugalerer Unterhaltung suchte ich ermüdet mein
Lager. Ich schlief fast etwas zu kühl, in einem großen Saal bei offenen


blicken kann, sieht man als Hintergrund der Landschaft die Waldebene zwischen
den Peneus-Mündungen wie einen grünen Teppich ausgebreitet, und daran
sich schließend den blauen Spiegel des Meeres: nähert man sich aber dem
westlichen Ende des Thales, so erscheinen die grünen Wiesenflächen oder Korn¬
felder Thessaliens und die weiter gegen Westen sich erhebenden schneebedeckten
Ketten des Pindnsgebirges. Ueberall zeigen die abwechselnd kahlen und wal¬
digen Berge und Felsen die malerischsten Formen, und hohe schroffe Stein¬
wände sind oft mit dem harmonischsten Farbenspiel von grün, braun,
roth, gelb schimmernden Mosen bedeckt. Wo aber der Weg in die Gründe
des Thales sich senkt, erblickt man den Peneus als einen tief und ruhig
fließenden Strom, an seinen Ufern beschattet von hohen Platanen, Ulmen,
Linden, die durchflochten von gewaltigen Epheugehüngen zu Gruppen der schön¬
sten und mannigfaltigsten Formen sich fügen. An manchen Stellen sah ich —
der Fluß überfluthet in dieser Jahreszeit sein gewöhnliches Bett — Haine von
uralten Platanen im Wasser stehen, das wie ein sanft fließender See unter
ihren grünen Hallen sich ergoß. Zuweilen windet sich der Weg durch kleine
Seitenschlnchten des Thales, in denen krystallhelle Bäche eiskalten Wassers in
Kaskaden von den Felsen herabströmen, oder an ihrem Fuße zwischen einer
Fülle von Blumen aus geräumigen Bassins entspringen, umschattet von Myr-
then- und Lorbeerbüschen und üppig wuchernden Schlingpflanzen. Ich bedauerte
sehr, so rasch an diesen anmuthigen Stellen vorübereilen zu müssen. Um
Mittag rastete ich auf dem schwellenden maigrünen Rasen dicht am Ufer des
Penens, und nachdem ich dem Gesänge der Vögel gelauscht, und geträumt
und geschlummert — bewacht von meinen: treuen Hunde, und die geladene
Flinte unter dem Kopfe, brach ich wieder auf und zog nun bald in die pracht¬
volle Thessalische Ebene ein. Gegen Westen schimmerte jetzt in weiter Aus¬
dehnung mit schneeigen Gipfeln die hohe Pindnskette, und auch die weißen
Häupter des Olymp und Ossa, Pelion und Othrys traten allmälig hervor
und schufen überall die schönsten Gebirgsbilder über dem grünen Teppich der
Wiesen und Saaten.

Es war halb zehn Uhr Nachts geworden, als ich Larissa erreichte. Nir¬
gends war mehr Jemand auf — denn die Türken gehen sehr früh zu Bett
an den man sich hätte wenden können. Da sagte mir ein auf Posten ste¬
hender Soldat: „Despot" d. h. er rieth mir, beim Bischof, (griech. -^onor^s)
oder vielmehr Erzbischof Nachtquartier zu suchen. Dies that ich und wurde
gastlich dort aufgenommen. Ein junger Geistlicher machte die Honneurs, der
Erzbischof selbst ließ sich nach der ersten Begrüßung nicht weiter sehn. Nach
einem frugalen Mal und noch frugalerer Unterhaltung suchte ich ermüdet mein
Lager. Ich schlief fast etwas zu kühl, in einem großen Saal bei offenen


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[0235] blicken kann, sieht man als Hintergrund der Landschaft die Waldebene zwischen den Peneus-Mündungen wie einen grünen Teppich ausgebreitet, und daran sich schließend den blauen Spiegel des Meeres: nähert man sich aber dem westlichen Ende des Thales, so erscheinen die grünen Wiesenflächen oder Korn¬ felder Thessaliens und die weiter gegen Westen sich erhebenden schneebedeckten Ketten des Pindnsgebirges. Ueberall zeigen die abwechselnd kahlen und wal¬ digen Berge und Felsen die malerischsten Formen, und hohe schroffe Stein¬ wände sind oft mit dem harmonischsten Farbenspiel von grün, braun, roth, gelb schimmernden Mosen bedeckt. Wo aber der Weg in die Gründe des Thales sich senkt, erblickt man den Peneus als einen tief und ruhig fließenden Strom, an seinen Ufern beschattet von hohen Platanen, Ulmen, Linden, die durchflochten von gewaltigen Epheugehüngen zu Gruppen der schön¬ sten und mannigfaltigsten Formen sich fügen. An manchen Stellen sah ich — der Fluß überfluthet in dieser Jahreszeit sein gewöhnliches Bett — Haine von uralten Platanen im Wasser stehen, das wie ein sanft fließender See unter ihren grünen Hallen sich ergoß. Zuweilen windet sich der Weg durch kleine Seitenschlnchten des Thales, in denen krystallhelle Bäche eiskalten Wassers in Kaskaden von den Felsen herabströmen, oder an ihrem Fuße zwischen einer Fülle von Blumen aus geräumigen Bassins entspringen, umschattet von Myr- then- und Lorbeerbüschen und üppig wuchernden Schlingpflanzen. Ich bedauerte sehr, so rasch an diesen anmuthigen Stellen vorübereilen zu müssen. Um Mittag rastete ich auf dem schwellenden maigrünen Rasen dicht am Ufer des Penens, und nachdem ich dem Gesänge der Vögel gelauscht, und geträumt und geschlummert — bewacht von meinen: treuen Hunde, und die geladene Flinte unter dem Kopfe, brach ich wieder auf und zog nun bald in die pracht¬ volle Thessalische Ebene ein. Gegen Westen schimmerte jetzt in weiter Aus¬ dehnung mit schneeigen Gipfeln die hohe Pindnskette, und auch die weißen Häupter des Olymp und Ossa, Pelion und Othrys traten allmälig hervor und schufen überall die schönsten Gebirgsbilder über dem grünen Teppich der Wiesen und Saaten. Es war halb zehn Uhr Nachts geworden, als ich Larissa erreichte. Nir¬ gends war mehr Jemand auf — denn die Türken gehen sehr früh zu Bett an den man sich hätte wenden können. Da sagte mir ein auf Posten ste¬ hender Soldat: „Despot" d. h. er rieth mir, beim Bischof, (griech. -^onor^s) oder vielmehr Erzbischof Nachtquartier zu suchen. Dies that ich und wurde gastlich dort aufgenommen. Ein junger Geistlicher machte die Honneurs, der Erzbischof selbst ließ sich nach der ersten Begrüßung nicht weiter sehn. Nach einem frugalen Mal und noch frugalerer Unterhaltung suchte ich ermüdet mein Lager. Ich schlief fast etwas zu kühl, in einem großen Saal bei offenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/235>, abgerufen am 20.10.2024.