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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Ich'sah mich darauf noch in der Umgebung des Klosters um, und ver¬
tiefte mich in das Dunkel des unvergleichlich schönen Lindenwaldes, der von
unzähligen Nachtigallen belebt, gerade in voller Blüthe stand und den köst¬
lichsten Duft aushauchte. Nicht genug konnte ich die schönen Formen dieser
Bäume bewundern. Jeder war ein Original, jeder würde ein neues Modell
zu einem schönen Bilde abgeben können.

Der unheimliche Geist, der in dem Kloster wehte, trieb mich nun zu
ungesäumter Abreise. Der Knabe mit dem Pferde hatte sich aber schon wie¬
der davon gemacht, und ich war nun in Verlegenheit wegen der Fvrtschciffung
meines Gepäcks. Da sagte die jüngere der alten Frauen: "Wenn Du der
Malo -- so hieß die ältere -- zwei Piaster giebst, so trägt sie Dir die Sachen
hinunter, (in der griechischen Volkssprache ist das antike "Du" noch überall
üblich.) Ich sah das alte krumme Mütterchen ein, und konnte mir nicht recht
vorstellen, daß sie zum Lasttragen tauglich sein sollte, doch sie versicherte,
auf ihre Jugendlichkeit sich nicht wenig einbildend, daß sie noch überaus
rüstig sei. So lud sie einen Theil auf, ich fühlte mich durch ihren Herois'
mus angespornt, das Schwerste selbst zu tragen, ein kleiner Knabe, den wir
vor dem Kloster fanden, nahm das Uebrige und so stiegen wir in langsamem
Zuge, während die Strahle" der untergehenden Sonne den Lindenwald und
die hohen, am Wege hier und da stehenden Ulmengruppeu vergoldeten, nach
der Küste hinunter. Nachdem ich von der guten Malo Abschied genommen,
fuhr ich nach einem dort vor Anker liegenden Schiffe, wo ich die Nacht schlief.

Am andern Morgen begab ich mich auf den Weg, um durch das Thal
Tempe nach Lcirissa zu reiten. Während ich auf die Pferde wartete, machte
ich noch die Bekanntschaft eines türkischen, Kriegsmannes, der sich in meine
Doppelflinte verliebte, und sie mir durchaus abkaufen wollte, auch schließlich
mir seinen schönen mit Silber verzierten Säbel dafür anbot, und gar nicht
begreifen konnte, warum ich nicht Lust hatte, auf den Tausch einzugehen so
daß es mir sehr schwer fiel, ihn los zu werden. Später, im Thal Tempe,
sagte mir mein Führer: "Wenn Du ihm das Gewehr gegeben hättest, würde
er Dir wohl hier den Säbel wieder abgenommen haben." Ich zog nun wohl-
gemuth meine Straße und hatte keine Mühe zu begreifen, warum dies Thal
bei den Alten in den Ruf unvergleichlicher Schönheit gekommen. Mir scheint,
daß es in der That die schönste von allen griechischen Landschaften darbietet.
Die Lage dieses engen Felsenthales (es ist etwa l Meile lang und ^/^ Meile
breit) zwischen einem großen, rings von hohen Bergen umschlossenen Binnen¬
lande auf der einen, und dem offnen Meer auf der andern Seite, bietet an
den Stellen, wo der Weg höher am AbHange der Berge hinführt, die Feru-
stchten der verschiedensten Art. So lange man nämlich gegen Osten ins Freie


Ich'sah mich darauf noch in der Umgebung des Klosters um, und ver¬
tiefte mich in das Dunkel des unvergleichlich schönen Lindenwaldes, der von
unzähligen Nachtigallen belebt, gerade in voller Blüthe stand und den köst¬
lichsten Duft aushauchte. Nicht genug konnte ich die schönen Formen dieser
Bäume bewundern. Jeder war ein Original, jeder würde ein neues Modell
zu einem schönen Bilde abgeben können.

Der unheimliche Geist, der in dem Kloster wehte, trieb mich nun zu
ungesäumter Abreise. Der Knabe mit dem Pferde hatte sich aber schon wie¬
der davon gemacht, und ich war nun in Verlegenheit wegen der Fvrtschciffung
meines Gepäcks. Da sagte die jüngere der alten Frauen: „Wenn Du der
Malo — so hieß die ältere — zwei Piaster giebst, so trägt sie Dir die Sachen
hinunter, (in der griechischen Volkssprache ist das antike „Du" noch überall
üblich.) Ich sah das alte krumme Mütterchen ein, und konnte mir nicht recht
vorstellen, daß sie zum Lasttragen tauglich sein sollte, doch sie versicherte,
auf ihre Jugendlichkeit sich nicht wenig einbildend, daß sie noch überaus
rüstig sei. So lud sie einen Theil auf, ich fühlte mich durch ihren Herois'
mus angespornt, das Schwerste selbst zu tragen, ein kleiner Knabe, den wir
vor dem Kloster fanden, nahm das Uebrige und so stiegen wir in langsamem
Zuge, während die Strahle» der untergehenden Sonne den Lindenwald und
die hohen, am Wege hier und da stehenden Ulmengruppeu vergoldeten, nach
der Küste hinunter. Nachdem ich von der guten Malo Abschied genommen,
fuhr ich nach einem dort vor Anker liegenden Schiffe, wo ich die Nacht schlief.

Am andern Morgen begab ich mich auf den Weg, um durch das Thal
Tempe nach Lcirissa zu reiten. Während ich auf die Pferde wartete, machte
ich noch die Bekanntschaft eines türkischen, Kriegsmannes, der sich in meine
Doppelflinte verliebte, und sie mir durchaus abkaufen wollte, auch schließlich
mir seinen schönen mit Silber verzierten Säbel dafür anbot, und gar nicht
begreifen konnte, warum ich nicht Lust hatte, auf den Tausch einzugehen so
daß es mir sehr schwer fiel, ihn los zu werden. Später, im Thal Tempe,
sagte mir mein Führer: „Wenn Du ihm das Gewehr gegeben hättest, würde
er Dir wohl hier den Säbel wieder abgenommen haben." Ich zog nun wohl-
gemuth meine Straße und hatte keine Mühe zu begreifen, warum dies Thal
bei den Alten in den Ruf unvergleichlicher Schönheit gekommen. Mir scheint,
daß es in der That die schönste von allen griechischen Landschaften darbietet.
Die Lage dieses engen Felsenthales (es ist etwa l Meile lang und ^/^ Meile
breit) zwischen einem großen, rings von hohen Bergen umschlossenen Binnen¬
lande auf der einen, und dem offnen Meer auf der andern Seite, bietet an
den Stellen, wo der Weg höher am AbHange der Berge hinführt, die Feru-
stchten der verschiedensten Art. So lange man nämlich gegen Osten ins Freie


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[0234] Ich'sah mich darauf noch in der Umgebung des Klosters um, und ver¬ tiefte mich in das Dunkel des unvergleichlich schönen Lindenwaldes, der von unzähligen Nachtigallen belebt, gerade in voller Blüthe stand und den köst¬ lichsten Duft aushauchte. Nicht genug konnte ich die schönen Formen dieser Bäume bewundern. Jeder war ein Original, jeder würde ein neues Modell zu einem schönen Bilde abgeben können. Der unheimliche Geist, der in dem Kloster wehte, trieb mich nun zu ungesäumter Abreise. Der Knabe mit dem Pferde hatte sich aber schon wie¬ der davon gemacht, und ich war nun in Verlegenheit wegen der Fvrtschciffung meines Gepäcks. Da sagte die jüngere der alten Frauen: „Wenn Du der Malo — so hieß die ältere — zwei Piaster giebst, so trägt sie Dir die Sachen hinunter, (in der griechischen Volkssprache ist das antike „Du" noch überall üblich.) Ich sah das alte krumme Mütterchen ein, und konnte mir nicht recht vorstellen, daß sie zum Lasttragen tauglich sein sollte, doch sie versicherte, auf ihre Jugendlichkeit sich nicht wenig einbildend, daß sie noch überaus rüstig sei. So lud sie einen Theil auf, ich fühlte mich durch ihren Herois' mus angespornt, das Schwerste selbst zu tragen, ein kleiner Knabe, den wir vor dem Kloster fanden, nahm das Uebrige und so stiegen wir in langsamem Zuge, während die Strahle» der untergehenden Sonne den Lindenwald und die hohen, am Wege hier und da stehenden Ulmengruppeu vergoldeten, nach der Küste hinunter. Nachdem ich von der guten Malo Abschied genommen, fuhr ich nach einem dort vor Anker liegenden Schiffe, wo ich die Nacht schlief. Am andern Morgen begab ich mich auf den Weg, um durch das Thal Tempe nach Lcirissa zu reiten. Während ich auf die Pferde wartete, machte ich noch die Bekanntschaft eines türkischen, Kriegsmannes, der sich in meine Doppelflinte verliebte, und sie mir durchaus abkaufen wollte, auch schließlich mir seinen schönen mit Silber verzierten Säbel dafür anbot, und gar nicht begreifen konnte, warum ich nicht Lust hatte, auf den Tausch einzugehen so daß es mir sehr schwer fiel, ihn los zu werden. Später, im Thal Tempe, sagte mir mein Führer: „Wenn Du ihm das Gewehr gegeben hättest, würde er Dir wohl hier den Säbel wieder abgenommen haben." Ich zog nun wohl- gemuth meine Straße und hatte keine Mühe zu begreifen, warum dies Thal bei den Alten in den Ruf unvergleichlicher Schönheit gekommen. Mir scheint, daß es in der That die schönste von allen griechischen Landschaften darbietet. Die Lage dieses engen Felsenthales (es ist etwa l Meile lang und ^/^ Meile breit) zwischen einem großen, rings von hohen Bergen umschlossenen Binnen¬ lande auf der einen, und dem offnen Meer auf der andern Seite, bietet an den Stellen, wo der Weg höher am AbHange der Berge hinführt, die Feru- stchten der verschiedensten Art. So lange man nämlich gegen Osten ins Freie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/234>, abgerufen am 20.10.2024.