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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Eine meisterhafte Arbeit ist die folgende Abhandlung: Die Sage von
Petrus als römischem Bischof." Es ist Zeller gelungen, so durchschlagend den
Beweis zu führen, daß Petrus keinen Antheil an der Stiftung und Leitung
der römischen Gemeinde gehabt hat, daß der völlige Ungrund der katholischen
Ueberlieferung erhellt. Und um so treffender ist die Beweisführung, als sie
auch für denjenigen, welcher, wie Referent, mit Zelters Kritik der neutestament-
lichen Schriften nicht übereinstimmt, überzeugende Kraft besitzt. Nur ungern
enthalten wir uns eiuer Mittheilung des Beweisverfahrens, durch welches der
Verfasser die Ausgabe, die er sich gestellt, gelöst hat; wir müssen aber darauf
verzichten, um nicht unserm Referat einen zu großen Umfang zu geben. Auch
den Aufsatz: "der Prozeß Galileis" übergehen wir, da er wesentlich ein Referat
über die Schrift Karl von Geblers: "Galileo Galilei und die römische Kurie"
ist und es uns nicht thunlich erscheint, über ein Referat zu referiren. Wir
heben nur das eine hervor, daß wir ^ durch Geblers Untersuchungen um einen
Helden und ein kühnes Wort ärmer geworden sind. Denn Galilei war nichts
weniger als ein Held, und das Wort o pur si inuovs ist nicht über seine
Lippen gekommen. Er hat seine Lehre abgeschworen und verflucht und ist als
elender gebrochener Mann gestorben. In noch trüberen Lichte aber erscheint
uns die Handlungsweise der Kurie, die, um ihre Zwecke zu erreichen, kein
Bedenken getragen hat, entscheidende Dokumente zu fälschen.

Die umfangreiche Abhandlung: "Lessing als Theolog" ist ausgezeichnet.
Wir sprechen diese Anerkennung unumwunden ans, so wenig auch der religiöse
Standpunkt Zelters der unsere ist. Was diesem Aufsatz seinen Werth verleiht,
das ist der überzeugende Nachweis, daß Lessing im Wesentlichen die Anschau¬
ungen der Aufklärung seiner Zeit getheilt hat, wenn er auch ein höheres Maß
historischer Auffassung als diese besaß, und daß die Aeußerungen, welche einen
konservativeren Geist athmen, nur aus eiuer diplomatischen Taktik hervorge¬
gangen sind, welche ihre letzten Gedanken, übrigens in sehr durchsichtiger Ver¬
hüllung, vorläufig noch verbergen zu müssen glaubte.

Auch die letzte historische Darstellung dieser Sammlung: "Drei deutsche
Gelehrte" wollen wir nur kurz berühren. Dem Andenken Albert Schweg¬
lers und Theodor Waitz' sind die ersten beiden biographischen Charakteristiken
gewidmet. Hier und dort sind es wehmüthige Empfindungen, die in uns ge¬
weckt werden. In Albert Schwegler sehen wir eine Persönlichkeit, deren in
sich unbefriedigtes Wesen weniger die Folge äußerer Verhältnisse, als eines
unglücklichen Naturells war. Deun man wird es eben so wenig tragisch nen¬
nen können, daß Schwegler erst mit neun und zwanzig Jahren außerordentlicher
Professor wurde, als daß er nicht in der theologischen, sondern in der philo¬
sophischen Fakultät dies Amt bekleidete. Gehörte er doch nach seiner inneren


Eine meisterhafte Arbeit ist die folgende Abhandlung: Die Sage von
Petrus als römischem Bischof." Es ist Zeller gelungen, so durchschlagend den
Beweis zu führen, daß Petrus keinen Antheil an der Stiftung und Leitung
der römischen Gemeinde gehabt hat, daß der völlige Ungrund der katholischen
Ueberlieferung erhellt. Und um so treffender ist die Beweisführung, als sie
auch für denjenigen, welcher, wie Referent, mit Zelters Kritik der neutestament-
lichen Schriften nicht übereinstimmt, überzeugende Kraft besitzt. Nur ungern
enthalten wir uns eiuer Mittheilung des Beweisverfahrens, durch welches der
Verfasser die Ausgabe, die er sich gestellt, gelöst hat; wir müssen aber darauf
verzichten, um nicht unserm Referat einen zu großen Umfang zu geben. Auch
den Aufsatz: „der Prozeß Galileis" übergehen wir, da er wesentlich ein Referat
über die Schrift Karl von Geblers: „Galileo Galilei und die römische Kurie"
ist und es uns nicht thunlich erscheint, über ein Referat zu referiren. Wir
heben nur das eine hervor, daß wir ^ durch Geblers Untersuchungen um einen
Helden und ein kühnes Wort ärmer geworden sind. Denn Galilei war nichts
weniger als ein Held, und das Wort o pur si inuovs ist nicht über seine
Lippen gekommen. Er hat seine Lehre abgeschworen und verflucht und ist als
elender gebrochener Mann gestorben. In noch trüberen Lichte aber erscheint
uns die Handlungsweise der Kurie, die, um ihre Zwecke zu erreichen, kein
Bedenken getragen hat, entscheidende Dokumente zu fälschen.

Die umfangreiche Abhandlung: „Lessing als Theolog" ist ausgezeichnet.
Wir sprechen diese Anerkennung unumwunden ans, so wenig auch der religiöse
Standpunkt Zelters der unsere ist. Was diesem Aufsatz seinen Werth verleiht,
das ist der überzeugende Nachweis, daß Lessing im Wesentlichen die Anschau¬
ungen der Aufklärung seiner Zeit getheilt hat, wenn er auch ein höheres Maß
historischer Auffassung als diese besaß, und daß die Aeußerungen, welche einen
konservativeren Geist athmen, nur aus eiuer diplomatischen Taktik hervorge¬
gangen sind, welche ihre letzten Gedanken, übrigens in sehr durchsichtiger Ver¬
hüllung, vorläufig noch verbergen zu müssen glaubte.

Auch die letzte historische Darstellung dieser Sammlung: „Drei deutsche
Gelehrte" wollen wir nur kurz berühren. Dem Andenken Albert Schweg¬
lers und Theodor Waitz' sind die ersten beiden biographischen Charakteristiken
gewidmet. Hier und dort sind es wehmüthige Empfindungen, die in uns ge¬
weckt werden. In Albert Schwegler sehen wir eine Persönlichkeit, deren in
sich unbefriedigtes Wesen weniger die Folge äußerer Verhältnisse, als eines
unglücklichen Naturells war. Deun man wird es eben so wenig tragisch nen¬
nen können, daß Schwegler erst mit neun und zwanzig Jahren außerordentlicher
Professor wurde, als daß er nicht in der theologischen, sondern in der philo¬
sophischen Fakultät dies Amt bekleidete. Gehörte er doch nach seiner inneren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/227>, abgerufen am 19.10.2024.