Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.daß die badische uativnalliberale Partei, die drei Viertel der Kammermitglicder Die Thronrede betont die Treue Badens gegen das Reich und charakterisirte daß die badische uativnalliberale Partei, die drei Viertel der Kammermitglicder Die Thronrede betont die Treue Badens gegen das Reich und charakterisirte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139458"/> <p xml:id="ID_472" prev="#ID_471"> daß die badische uativnalliberale Partei, die drei Viertel der Kammermitglicder<lb/> in ihren Reihen zähle und „einer Regierung gegenüberstehe, die man, den<lb/> Fürsten einbegriffen, das Recht hat, als Muster einer nationalen und liberalen"<lb/> zu bezeichnen, der Zusammenfassung in der Fraktion nicht bedürfe. Derlei<lb/> Erörterungen mußten daran ernmern, daß der jetzige Präsident des Ministeriums<lb/> des Innern auf dem vorigen Landtag ans der nationalliberalen Fraktion aus¬<lb/> schied, und es knüpft sich hieran eine naheliegende Gedankenreiche. Doch zu<lb/> Ende. Die nationalliberale Fraktion bleibt intakt und geschlossen, und nicht<lb/> in letzter Linie dürfte das für die Regierung, so sie anders aufrichtig national<lb/> und liberal bleiben will, von höchstem Werth fein.</p><lb/> <p xml:id="ID_473" next="#ID_474"> Die Thronrede betont die Treue Badens gegen das Reich und charakterisirte<lb/> die Beziehungen zu den Organen des Reiches als die freundlichsten und<lb/> proklamirt das Bestreben der 'Regierung, mitzuwirken für die Befestigung und<lb/> Vervollkommnung seiner Einrichtungen. Eine ausdrückliche Hervorhebung<lb/> und Anerkennung der im innern Staatsleben zur Geltung gekommenen liberalen<lb/> Prinzipien enthält sie nicht, so sehr der Rückblick auf die 25jährige Regierungs-<lb/> zeit des Großherzogs dieselbe nahe legen mochte und so sehr dieselbe im<lb/> Hinblick auf den seit dem letzten Landtag stattgehabten Ministerwechsel geboten<lb/> schien. Es sollte offenbar gezeigt werden, daß die Regierung Frieden wünsche<lb/> und friedliches Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren und Parteien für<lb/> das Wohl des Landes. Sind aber damit die vorhandenen politischen Gegensätze<lb/> aus der Welt geschafft? oder glaubt man, sie vertuschen zu können? Die erste<lb/> Kammer hat den Wink verstanden. Irgend etwas von dem, was man ein<lb/> politisches Glaubensbekenntniß zu nennen pflegt, enthält die von ihr votirte<lb/> Adresse nicht. Die wohlgefügten Sätze geben einen zumeist höchst farblosen,<lb/> unbestimmten Inhalt in Worten, die so gefaßt sind, daß Manche mancherlei<lb/> Sinn hineinlegen können. Man wollte volle Einmütigkeit zeigen. Und siehe<lb/> da! in unserer von den tiefsten politischen Gegensätzen zerklüfteten Zeit ist das<lb/> Wunderbare passirt, daß die Adresse einmüthig votirt wurde! Warum ver¬<lb/> tuschen? Diese Frage haben wir in einem süddeutschen Blatte ausgeworfen<lb/> gefunden. Ist es eine falsche Antwort, so wurde erwidert, wenn wir sagen:<lb/> weil die hervorragendsten Führer in dem hohen Hause nicht wagen, die letzten<lb/> Ziele ihrer Politik frank und frei zu enthüllen und zur Zeit es für opportun<lb/> halten, zu vertuschen, abzuschwächen, zu redressiren? Ist das eine Zeit lang<lb/> mit Erfolg geübt, dann hat man den Boden präparirt und kann, irgend einen<lb/> günstigen Unistand benutzend, fester auftreten, direkt auf das Ziel lossteuern.<lb/> Nur keinen Kulturkampf'mehr! so ist jetzt die Parole. Wie häßlich dieser<lb/> Kampf! wie religionsschädigend! wie vvlksentsittlichend! Komme die Gesetz¬<lb/> gebung ein klein wenig entgegen, die Kirche wird sich fügen! Wem? Antwort:<lb/> dem Staat, den ein deutsch-konservatives Ministerium regiert. Hinter den aal¬<lb/> glattesten Redewendungen und hinter den fast furchtsam vorsichtig auf Schrauben<lb/> gestellten Worten des Freiherrn v. Marschall hat das deutsch-konservative<lb/> Programmgesicht recht hübsch erkennbar hervorgeblickt mit bitterbösem reaktio¬<lb/> nären Stirnrunzeln. Frischer Muthes in die Augen schauen wollte es nicht,<lb/> nicht einmal dem Einen nur, der als Gegner in die Schranken trat. Das wäre<lb/> ja sündiger Kulturkampf gewesen, und der darf nicht sein. — Die Adresse der<lb/> zweiten Kammer wollte keineswegs nur ein „Wiederhall" der Thronrede sein,<lb/> sondern das Haus wollte einerseits von sich aus ein nicht mißznverstehendes<lb/> politisches Programm geben, anderseits aber auch dem neue» Ministerium Ge¬<lb/> legenheit bieten, seine Stellung zu bezeichnen. Die Sprache der hier votirten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
daß die badische uativnalliberale Partei, die drei Viertel der Kammermitglicder
in ihren Reihen zähle und „einer Regierung gegenüberstehe, die man, den
Fürsten einbegriffen, das Recht hat, als Muster einer nationalen und liberalen"
zu bezeichnen, der Zusammenfassung in der Fraktion nicht bedürfe. Derlei
Erörterungen mußten daran ernmern, daß der jetzige Präsident des Ministeriums
des Innern auf dem vorigen Landtag ans der nationalliberalen Fraktion aus¬
schied, und es knüpft sich hieran eine naheliegende Gedankenreiche. Doch zu
Ende. Die nationalliberale Fraktion bleibt intakt und geschlossen, und nicht
in letzter Linie dürfte das für die Regierung, so sie anders aufrichtig national
und liberal bleiben will, von höchstem Werth fein.
Die Thronrede betont die Treue Badens gegen das Reich und charakterisirte
die Beziehungen zu den Organen des Reiches als die freundlichsten und
proklamirt das Bestreben der 'Regierung, mitzuwirken für die Befestigung und
Vervollkommnung seiner Einrichtungen. Eine ausdrückliche Hervorhebung
und Anerkennung der im innern Staatsleben zur Geltung gekommenen liberalen
Prinzipien enthält sie nicht, so sehr der Rückblick auf die 25jährige Regierungs-
zeit des Großherzogs dieselbe nahe legen mochte und so sehr dieselbe im
Hinblick auf den seit dem letzten Landtag stattgehabten Ministerwechsel geboten
schien. Es sollte offenbar gezeigt werden, daß die Regierung Frieden wünsche
und friedliches Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren und Parteien für
das Wohl des Landes. Sind aber damit die vorhandenen politischen Gegensätze
aus der Welt geschafft? oder glaubt man, sie vertuschen zu können? Die erste
Kammer hat den Wink verstanden. Irgend etwas von dem, was man ein
politisches Glaubensbekenntniß zu nennen pflegt, enthält die von ihr votirte
Adresse nicht. Die wohlgefügten Sätze geben einen zumeist höchst farblosen,
unbestimmten Inhalt in Worten, die so gefaßt sind, daß Manche mancherlei
Sinn hineinlegen können. Man wollte volle Einmütigkeit zeigen. Und siehe
da! in unserer von den tiefsten politischen Gegensätzen zerklüfteten Zeit ist das
Wunderbare passirt, daß die Adresse einmüthig votirt wurde! Warum ver¬
tuschen? Diese Frage haben wir in einem süddeutschen Blatte ausgeworfen
gefunden. Ist es eine falsche Antwort, so wurde erwidert, wenn wir sagen:
weil die hervorragendsten Führer in dem hohen Hause nicht wagen, die letzten
Ziele ihrer Politik frank und frei zu enthüllen und zur Zeit es für opportun
halten, zu vertuschen, abzuschwächen, zu redressiren? Ist das eine Zeit lang
mit Erfolg geübt, dann hat man den Boden präparirt und kann, irgend einen
günstigen Unistand benutzend, fester auftreten, direkt auf das Ziel lossteuern.
Nur keinen Kulturkampf'mehr! so ist jetzt die Parole. Wie häßlich dieser
Kampf! wie religionsschädigend! wie vvlksentsittlichend! Komme die Gesetz¬
gebung ein klein wenig entgegen, die Kirche wird sich fügen! Wem? Antwort:
dem Staat, den ein deutsch-konservatives Ministerium regiert. Hinter den aal¬
glattesten Redewendungen und hinter den fast furchtsam vorsichtig auf Schrauben
gestellten Worten des Freiherrn v. Marschall hat das deutsch-konservative
Programmgesicht recht hübsch erkennbar hervorgeblickt mit bitterbösem reaktio¬
nären Stirnrunzeln. Frischer Muthes in die Augen schauen wollte es nicht,
nicht einmal dem Einen nur, der als Gegner in die Schranken trat. Das wäre
ja sündiger Kulturkampf gewesen, und der darf nicht sein. — Die Adresse der
zweiten Kammer wollte keineswegs nur ein „Wiederhall" der Thronrede sein,
sondern das Haus wollte einerseits von sich aus ein nicht mißznverstehendes
politisches Programm geben, anderseits aber auch dem neue» Ministerium Ge¬
legenheit bieten, seine Stellung zu bezeichnen. Die Sprache der hier votirten
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