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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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hiebevor nicht bei rechtem Verstände gewesen, dennoch aber und dieweil drei
Zeugen, daß sie die gotteslästerlichen Worte von ihn: gehört, vermittelst körper¬
lichen Eides aussagen, auch in der Konfrontation dabei verblieben, und ihn
dergestalt genugsam überführet, so erscheint daraus soviel, daß Peter Günther
der ausgestoßenen gotteslästerlichen Reden wegen mit dem Schwerte vom
Leben zum Tode zu bestrafen sei.

Als dieses Urtheil bekannt wurde, machte der obengenannte redliche und
unermüdliche Petersen noch einen Versuch, wenigstens eine Milderung desselben
zu bewirken. Er schrieb einen Brief' an seinen Freund, den Syndikus
Pomeneschen in Lübeck, ans welchem, da er des Verfassers Gesinnung zu er¬
kennen gibt und zeigt, wie weit er über die große Masse seiner Zeit erhaben
war, einige Stellen hervorgehoben zu werden verdienen. Er wiederholt darin
mit großer Klarheit seine Ansicht über Günther, wie er sie schon mündlich
dem Lübeckischen Bürgermeister Rerkring vorgetragen hatte: Günther sei ganz
offenbar ein Mensch von der aufrichtigsten Gesinnung, der nnr seines beschränkten
Urtheils wegen, aus Furcht, in einen groben Irrthum und in eine Gottes¬
lästerung zu verfallen, so standhaft bei seiner Meinung beharre. "Ich gestehe
gern, daß er mit seinem falschen Begriffe den einigen Gott nicht so erkennt,
wie er nach der heiligen Schrift soll erkannt werden, aber ihn deswegen einen
Atheisten nennen zu wollen, sehe ich nicht; den Gott Himmels und der Erden
ruft er inbrünstig an und beugt seine Kniee mit großer Devotion vor ihm;
wie mag dann der ein Atheist sein, der für den einigen Gott und sein Be¬
kenntniß sterben will. Wo er je, wie seine Widersacher anzeigen, Jesum ge¬
lästert hat, so hat er nur das vorhin von ihm in seinem Gehirn formirte
falsche Gedicht von dreien Göttern gelästert und verworfen und hat aus der
Blödigkeit seines Sinnes nud Wahrnehmung der Gottlosigkeit der Jesuiten ge¬
schlossen (wie er denn solchen Schluß in meiner Gegenwart gemacht hat):
wenn er Christum verehren solle, so müsse er auch die schelmischen Jesuiten
mit anbeten, weil sie von ihm herkämen. Aber mit was für einem Gewissen
haben die Geschwornen gezeugt, die soviel Kannen Biers, so leider auf den
Sonntag geschehen, ausgesoffen, und wenig in solchem Tumult bei so wunder¬
lichem groben Disputiren haben wissen können, was geredet sei. Mit was für
Gewissen hat man solchen trunkenen Leuten einen Eid deferiren können. Gott
kennet den armen angefochtenen Peter und seine Ankläger am besten und wird
schon dermaleins recht urtheilen, wer von ihnen ihn am meisten im Herzen
gehabt. Ja, Gott weiß es, daß ihnen die hergesagten Worte ihres Bekennt¬
nisses bei ihrem gottlos geführten, durch Fluchen und liederliche Worte be¬
zeugten Leben nichts helfen werden. Wenn Lübeck alle die Leute aus der
Stadt stoßen wollte, die Gott durch ihr Leben mehr lüstern, als Günther


hiebevor nicht bei rechtem Verstände gewesen, dennoch aber und dieweil drei
Zeugen, daß sie die gotteslästerlichen Worte von ihn: gehört, vermittelst körper¬
lichen Eides aussagen, auch in der Konfrontation dabei verblieben, und ihn
dergestalt genugsam überführet, so erscheint daraus soviel, daß Peter Günther
der ausgestoßenen gotteslästerlichen Reden wegen mit dem Schwerte vom
Leben zum Tode zu bestrafen sei.

Als dieses Urtheil bekannt wurde, machte der obengenannte redliche und
unermüdliche Petersen noch einen Versuch, wenigstens eine Milderung desselben
zu bewirken. Er schrieb einen Brief' an seinen Freund, den Syndikus
Pomeneschen in Lübeck, ans welchem, da er des Verfassers Gesinnung zu er¬
kennen gibt und zeigt, wie weit er über die große Masse seiner Zeit erhaben
war, einige Stellen hervorgehoben zu werden verdienen. Er wiederholt darin
mit großer Klarheit seine Ansicht über Günther, wie er sie schon mündlich
dem Lübeckischen Bürgermeister Rerkring vorgetragen hatte: Günther sei ganz
offenbar ein Mensch von der aufrichtigsten Gesinnung, der nnr seines beschränkten
Urtheils wegen, aus Furcht, in einen groben Irrthum und in eine Gottes¬
lästerung zu verfallen, so standhaft bei seiner Meinung beharre. „Ich gestehe
gern, daß er mit seinem falschen Begriffe den einigen Gott nicht so erkennt,
wie er nach der heiligen Schrift soll erkannt werden, aber ihn deswegen einen
Atheisten nennen zu wollen, sehe ich nicht; den Gott Himmels und der Erden
ruft er inbrünstig an und beugt seine Kniee mit großer Devotion vor ihm;
wie mag dann der ein Atheist sein, der für den einigen Gott und sein Be¬
kenntniß sterben will. Wo er je, wie seine Widersacher anzeigen, Jesum ge¬
lästert hat, so hat er nur das vorhin von ihm in seinem Gehirn formirte
falsche Gedicht von dreien Göttern gelästert und verworfen und hat aus der
Blödigkeit seines Sinnes nud Wahrnehmung der Gottlosigkeit der Jesuiten ge¬
schlossen (wie er denn solchen Schluß in meiner Gegenwart gemacht hat):
wenn er Christum verehren solle, so müsse er auch die schelmischen Jesuiten
mit anbeten, weil sie von ihm herkämen. Aber mit was für einem Gewissen
haben die Geschwornen gezeugt, die soviel Kannen Biers, so leider auf den
Sonntag geschehen, ausgesoffen, und wenig in solchem Tumult bei so wunder¬
lichem groben Disputiren haben wissen können, was geredet sei. Mit was für
Gewissen hat man solchen trunkenen Leuten einen Eid deferiren können. Gott
kennet den armen angefochtenen Peter und seine Ankläger am besten und wird
schon dermaleins recht urtheilen, wer von ihnen ihn am meisten im Herzen
gehabt. Ja, Gott weiß es, daß ihnen die hergesagten Worte ihres Bekennt¬
nisses bei ihrem gottlos geführten, durch Fluchen und liederliche Worte be¬
zeugten Leben nichts helfen werden. Wenn Lübeck alle die Leute aus der
Stadt stoßen wollte, die Gott durch ihr Leben mehr lüstern, als Günther


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/84>, abgerufen am 28.09.2024.