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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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wegen ihres schlechten Polnisch nicht der besten Reputation. Man unterstützt
sie jedoch wegen ihrer Tendenz.

Przyniezynski gibt mich eine polnische landwirthschaftliche Zeitung
"?oft6ax0>v/ rolrük" (der fortschrittliche Landwirth) heraus, welche natürlich
ihr Material aus deutschen Fachblättern entnimmt.

Wir gehen nun in unserer Betrachtung der polnischen periodischen Presse
zu den in Galizien erscheinenden Blättern über.

Den Reigen beginnt der Krakauer "d^s."" (die Zeit), welcher, im Jahre
1848 von der katholisch-polnischen Aristokratie Galiziens gegründet, ein treuer
Verfechter der alten Privilegien der Hierarchie und des Adels wurde. Vom
Augenblicke der Gründung bis vor ungefähr einem halben Jahre wurde dieses
Aristokratenblatt von dem Plebejer Marieins Mann mit ausgezeichnetem Takte
und vielem Talente redigirt, und man mußte thatsächlich bedauern, daß so viele
Fähigkeiten dem Dienste einer schlechten Sache gewidmet sind. Abgesehen von
der Tendenz, waren die Leitartikel und Korrespondenzen des "(Ü2g,8" immer
gehaltvoll, in einer edlen und maßvollen Sprache abgefaßt, so daß sie selbst
den Gegner nicht beleidigten, und seine Feuilletons waren sehr häufig einer
weiteren Verbreitung würdig, besonders wenn sie historische Gegenstände be¬
trafen. Denn, wenn sie anch in diesem Falle tendenziös gehalten waren, be¬
ruhten sie doch auf dein Studium von Quellen, die nicht Jedermann zugänglich
find, während sie den Verfassern in der Bibliothek der jagiellvnischen Univer¬
sität in Krakau zu Gebote standen. Erst als der kirchenpolitische Kampf in
Preußen ausbrach, ließ sich der "L!i?g,8" theilweise vou seinem bis dahin be¬
folgten Wege ablenken und veröffentlichte Korrespondenzen aus Berlin, Posen
und dem Posenschen, welche mehr als trivial und häufig gemein waren. Statt
objektiv gegen die Gesetzesprojekte und Gesetze zu kämpfen, griffen die preußi¬
schen Korrespondenten des "L^-is" Personen, besonders aber die Person
des Fürsten Bismarck in gehässiger Weise an, was dem Blatte einige Prozesse
vor dem Forum des Kreisgerichtes in Posen zuzog, welches seine Verurtei¬
lung und die Entziehung des Postdebietes in Deutschland nach sich zog.

Der "<Ü2g,8" hat nie einen großen Leserkreis gehabt, trotzdem war er das
leitende polnische Blatt; denn wie er der Ausdruck der höchsten polnischen Ge¬
sellschaftskreise war, so beeinflußte er auch wiederum diese Kreise. Nach dem
Tode seines ersten Redakteurs Mann sank das Blatt etwas, doch soll bereits
eine Korrektur der Redaktion eingetreten und dafür gesorgt sein, daß es wieder
seinen früheren aristokratisch-wissenschaftlichen Teint erhalte. Seine Fahne hat
der "(Ü!5g,8" immer mit Muth, Geschick und Treue vertheidigt.

Eine ähnliche, jedoch nicht die gleiche Tendenz verfolgt die in Lemberg er¬
scheinende "KkMt3, Mwäo^og," (National-Zeitung); denn sie vertheidigt Priester-


wegen ihres schlechten Polnisch nicht der besten Reputation. Man unterstützt
sie jedoch wegen ihrer Tendenz.

Przyniezynski gibt mich eine polnische landwirthschaftliche Zeitung
„?oft6ax0>v/ rolrük« (der fortschrittliche Landwirth) heraus, welche natürlich
ihr Material aus deutschen Fachblättern entnimmt.

Wir gehen nun in unserer Betrachtung der polnischen periodischen Presse
zu den in Galizien erscheinenden Blättern über.

Den Reigen beginnt der Krakauer „d^s.«" (die Zeit), welcher, im Jahre
1848 von der katholisch-polnischen Aristokratie Galiziens gegründet, ein treuer
Verfechter der alten Privilegien der Hierarchie und des Adels wurde. Vom
Augenblicke der Gründung bis vor ungefähr einem halben Jahre wurde dieses
Aristokratenblatt von dem Plebejer Marieins Mann mit ausgezeichnetem Takte
und vielem Talente redigirt, und man mußte thatsächlich bedauern, daß so viele
Fähigkeiten dem Dienste einer schlechten Sache gewidmet sind. Abgesehen von
der Tendenz, waren die Leitartikel und Korrespondenzen des „(Ü2g,8" immer
gehaltvoll, in einer edlen und maßvollen Sprache abgefaßt, so daß sie selbst
den Gegner nicht beleidigten, und seine Feuilletons waren sehr häufig einer
weiteren Verbreitung würdig, besonders wenn sie historische Gegenstände be¬
trafen. Denn, wenn sie anch in diesem Falle tendenziös gehalten waren, be¬
ruhten sie doch auf dein Studium von Quellen, die nicht Jedermann zugänglich
find, während sie den Verfassern in der Bibliothek der jagiellvnischen Univer¬
sität in Krakau zu Gebote standen. Erst als der kirchenpolitische Kampf in
Preußen ausbrach, ließ sich der „L!i?g,8" theilweise vou seinem bis dahin be¬
folgten Wege ablenken und veröffentlichte Korrespondenzen aus Berlin, Posen
und dem Posenschen, welche mehr als trivial und häufig gemein waren. Statt
objektiv gegen die Gesetzesprojekte und Gesetze zu kämpfen, griffen die preußi¬
schen Korrespondenten des „L^-is" Personen, besonders aber die Person
des Fürsten Bismarck in gehässiger Weise an, was dem Blatte einige Prozesse
vor dem Forum des Kreisgerichtes in Posen zuzog, welches seine Verurtei¬
lung und die Entziehung des Postdebietes in Deutschland nach sich zog.

Der „<Ü2g,8" hat nie einen großen Leserkreis gehabt, trotzdem war er das
leitende polnische Blatt; denn wie er der Ausdruck der höchsten polnischen Ge¬
sellschaftskreise war, so beeinflußte er auch wiederum diese Kreise. Nach dem
Tode seines ersten Redakteurs Mann sank das Blatt etwas, doch soll bereits
eine Korrektur der Redaktion eingetreten und dafür gesorgt sein, daß es wieder
seinen früheren aristokratisch-wissenschaftlichen Teint erhalte. Seine Fahne hat
der „(Ü!5g,8" immer mit Muth, Geschick und Treue vertheidigt.

Eine ähnliche, jedoch nicht die gleiche Tendenz verfolgt die in Lemberg er¬
scheinende „KkMt3, Mwäo^og," (National-Zeitung); denn sie vertheidigt Priester-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/68>, abgerufen am 28.09.2024.