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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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purem Patriotismus wurde er, trotzdem er ein vom Adel auf Actien gegrün¬
detes Unternehmen ist, radikal, Verehrer der Kommune, Anbeter Napoleon's,
Panslavist, ja sogar, -- wenn auch nur kurze Zeit, -- Verehrer des Mosko¬
witerzaren Alexander II- Früher enragirter Feind Ledochowski's, weil
er nicht wie weiland die polnischen Könige durch Wahl, soudern durch päpst¬
liche Ernennung auf den Thron der "polnischen Primaten" erhoben worden
ist, wurde er später "liberal-katholisch" und vertheidigte die Sache des
Klerus gegen die sogenannten Maigesetze, obwohl er einst in einem schwachen
Augenblicke zugestand, daß wenn eine politische Regierung diese, ja noch weit
einschneidendere Gesetze erlassen hätte, sie seine ganze Unterstützung, seinen un-
getheilten Beifall gesunden haben würde.

Der "vsiemrilc kviinküski", von der hiesigen Ostdeutschen Zeitung das
"Chamäleon" der Presse getauft, gehört zu den prätentiösesten Blättern der
Welt. Während des deutsch-französischen Krieges ertheilte er Napoleon und
seinen Generälen strategische Rathschläge, deren Befolgung unbedingt die Ver¬
nichtung der verhaßten deutschen Armee herbeiführen mußten; später schrieb er
Gcunbetta, den Führern der Kommune, Thiers und Mac-Mahon Direktiven
für ihre innere und äußere Politik vor, und es gibt wohl keine europäische
Regierung, mit Ausschluß der deutschen und der Republiken vou Se. Marino
und Andorra, so wie der des Fürsten von Monaco, der er seine Rathschläge
nicht aufgedrängt hätte.

Nicht bloß in seinen Leaders, in seinen Korrespondenzen, im politischen
Theile und in seiner seit Kurzem eingeführten "ökonomisch-finanziellen Rund¬
schau", ist der "D/ieimiK ?vimaitski" ausgesprochener Feind der Regierung,
sondern auch in seinen Feuilletons, die er mit der größten Vorliebe der fran¬
zösischen, hin und wieder auch der englischen Presse entlehnt, so daß der
viiiermik natürlich mit der Staatsanwaltschaft nicht selten in recht unange¬
nehme Berührung gekommen ist. Von deutschen literarischen und wissenschaft¬
lichen Erscheinungen wird im "v^iennili ?"2ria.üsKi" nnr selten und fast nie
ohne eine gewisse Dosis von Ingrimm Notiz genommen.

Trotz der bekannten Unfähigkeit der Redaktion des Blattes, dessen Chef¬
redakteur sich, wie Witzliuge sagen, " Kriminalverso rgung öd erechtigte"
hält, die sür ihn Gefängnißstrafen verbüßen, welche ziemlich hänfig gegen das
Blatt vom Gerichte ausgesprochen werden, hält sich das Blatt und hat gegen
1400 Abonnenten, auf deren Urtheilsfühigkeit man vom Gehalte der Dziennik-
artikel schließen kann.

Von anderen Stahl ist der "Xurz^r?oxn!^>8ki" (Posener Courier). Vor
sechs Jahren mit einer politisch-farblosen Tendenz für einen ehemaligen
Dziennikredakteur und als Konkurrenzblatt des "DiiiemnK xosna-üski" gegrün-


purem Patriotismus wurde er, trotzdem er ein vom Adel auf Actien gegrün¬
detes Unternehmen ist, radikal, Verehrer der Kommune, Anbeter Napoleon's,
Panslavist, ja sogar, — wenn auch nur kurze Zeit, — Verehrer des Mosko¬
witerzaren Alexander II- Früher enragirter Feind Ledochowski's, weil
er nicht wie weiland die polnischen Könige durch Wahl, soudern durch päpst¬
liche Ernennung auf den Thron der „polnischen Primaten" erhoben worden
ist, wurde er später „liberal-katholisch" und vertheidigte die Sache des
Klerus gegen die sogenannten Maigesetze, obwohl er einst in einem schwachen
Augenblicke zugestand, daß wenn eine politische Regierung diese, ja noch weit
einschneidendere Gesetze erlassen hätte, sie seine ganze Unterstützung, seinen un-
getheilten Beifall gesunden haben würde.

Der „vsiemrilc kviinküski", von der hiesigen Ostdeutschen Zeitung das
„Chamäleon" der Presse getauft, gehört zu den prätentiösesten Blättern der
Welt. Während des deutsch-französischen Krieges ertheilte er Napoleon und
seinen Generälen strategische Rathschläge, deren Befolgung unbedingt die Ver¬
nichtung der verhaßten deutschen Armee herbeiführen mußten; später schrieb er
Gcunbetta, den Führern der Kommune, Thiers und Mac-Mahon Direktiven
für ihre innere und äußere Politik vor, und es gibt wohl keine europäische
Regierung, mit Ausschluß der deutschen und der Republiken vou Se. Marino
und Andorra, so wie der des Fürsten von Monaco, der er seine Rathschläge
nicht aufgedrängt hätte.

Nicht bloß in seinen Leaders, in seinen Korrespondenzen, im politischen
Theile und in seiner seit Kurzem eingeführten „ökonomisch-finanziellen Rund¬
schau", ist der „D/ieimiK ?vimaitski" ausgesprochener Feind der Regierung,
sondern auch in seinen Feuilletons, die er mit der größten Vorliebe der fran¬
zösischen, hin und wieder auch der englischen Presse entlehnt, so daß der
viiiermik natürlich mit der Staatsanwaltschaft nicht selten in recht unange¬
nehme Berührung gekommen ist. Von deutschen literarischen und wissenschaft¬
lichen Erscheinungen wird im „v^iennili ?»2ria.üsKi" nnr selten und fast nie
ohne eine gewisse Dosis von Ingrimm Notiz genommen.

Trotz der bekannten Unfähigkeit der Redaktion des Blattes, dessen Chef¬
redakteur sich, wie Witzliuge sagen, „ Kriminalverso rgung öd erechtigte"
hält, die sür ihn Gefängnißstrafen verbüßen, welche ziemlich hänfig gegen das
Blatt vom Gerichte ausgesprochen werden, hält sich das Blatt und hat gegen
1400 Abonnenten, auf deren Urtheilsfühigkeit man vom Gehalte der Dziennik-
artikel schließen kann.

Von anderen Stahl ist der „Xurz^r?oxn!^>8ki" (Posener Courier). Vor
sechs Jahren mit einer politisch-farblosen Tendenz für einen ehemaligen
Dziennikredakteur und als Konkurrenzblatt des «DiiiemnK xosna-üski" gegrün-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/63>, abgerufen am 28.09.2024.