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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Antriebe oder von Lnrge's Testamentsvollstrecker gesandt -- ging Caxton nach
Brügge. --

In dieser Residenz der burgundischen Herzöge blühten Handel und Ge¬
werbe im hohen Grade; Kaufleute aus allen Theilen Europas betrieben dort
schwungvolle Geschäfte, und namentlich lagerten deutsche und englische Gro߬
händler dort ihre Stapelwaaren. Daß Caxton hier ein eignes Geschäft be¬
gründete, welches bald blühte, daß er nicht nur durch kaufmännische Gaben,
sondern auch durch Biederkeit, Charakterfestigkeit und Kenntniß des internatio¬
nalen Rechts- und Geschäftsverkehrs Anerkennung fand, dafür haben wir die
verschiedensten Zeugnisse, namentlich in dem Archiv seiner Gilde, den lieeoräs
ol Nei-cers, in denen man ihn seit dem 24. Juni 1462 als Vorstand einer
Großhandelscompagnie ("Kovernor ok Nöredg-ut ^ävsnturers") wiederfindet.
Fehlen uns aber auch sichere Nachrichten über seine Thätigkeit bis zur Mitte
der 60 er Jahre, soviel ist gewiß, daß die spätere Verwendung des "inkisti-o
et Aouvernour etes marelums äelg, ludion äangletörrs" in politischen Diensten
und sein Eintritt an den Hof der burgundischen Herzogin Margarethe seiner
persönlichen Bedeutung zuzuschreiben ist. Im März 1471 stand er im Dienste
dieser seiner Landsmännin, der Schwester Heinrich's IV. und bezog von ihr
ein jährliches Gehalt; er nahm einen ehrenvollen Vertrauensposten bei ihr
ein, und nach den vielfachen Andeutungen persönlicher Beziehungen zu ihr in
seinen Prologen und den Nsreers Kizeorcls dürfen wir in ihm eine Art Hof¬
banquier oder Kabinetsekretair vermuthen.

Mit seinem Eintritts an den Hof verdrängten indessen literarische Nei¬
gungen die kaufmännischen. Bereits 1469 hatte er eine Uebersetzung des Lieb¬
lingshundes feiner Zeit, des französischen Recueil clef Hist. ac ?roz^ von
Raoul le ?evrs ins Englische begonnen, dieselbe aber aus Unlust an der Ar¬
beit nach dem 20. Bogen abgebrochen, um sie einige Jahre später "s,t tds eom-
numnäment ok tus riglrt n^e in^Und^ vsrwouse?r^it0W8e Irz^s reäoudrM
laSzs Narg.", die das Manuseript überlesen, wieder aufzunehmen und in Köln zu
vollenden ("I^n^sslM in etre Jot^ e^te ol lHolen tue XIX. et^ Loxt.
tds xers a tlrousanä toure nonärciä fixe^ c.^ enlevou"). Die Anregungen zu
dieser literarischen Arbeit hat er unzweifelhaft in den Kreisen der burgundischen
Residenz gefunden.

Denn wirft man einen Blick auf die mächtigen und vielseitigen
Strömungen des geistigen Lebens in Brügge, auf dessen vielfache Verbin¬
dungen mit den westdeutschen Stapelplätzen des deutschen Buchhandels,
so hat man in dieser Stadt das literarische Emporium der zukunftreichen
Niederlande, ein Leipzig des niedergehenden Mittelalters. -- Philipp der
Kühne, Herzog von Burgund (f 1404) war ein Mann von entschiedenen litera-


Antriebe oder von Lnrge's Testamentsvollstrecker gesandt — ging Caxton nach
Brügge. —

In dieser Residenz der burgundischen Herzöge blühten Handel und Ge¬
werbe im hohen Grade; Kaufleute aus allen Theilen Europas betrieben dort
schwungvolle Geschäfte, und namentlich lagerten deutsche und englische Gro߬
händler dort ihre Stapelwaaren. Daß Caxton hier ein eignes Geschäft be¬
gründete, welches bald blühte, daß er nicht nur durch kaufmännische Gaben,
sondern auch durch Biederkeit, Charakterfestigkeit und Kenntniß des internatio¬
nalen Rechts- und Geschäftsverkehrs Anerkennung fand, dafür haben wir die
verschiedensten Zeugnisse, namentlich in dem Archiv seiner Gilde, den lieeoräs
ol Nei-cers, in denen man ihn seit dem 24. Juni 1462 als Vorstand einer
Großhandelscompagnie („Kovernor ok Nöredg-ut ^ävsnturers") wiederfindet.
Fehlen uns aber auch sichere Nachrichten über seine Thätigkeit bis zur Mitte
der 60 er Jahre, soviel ist gewiß, daß die spätere Verwendung des „inkisti-o
et Aouvernour etes marelums äelg, ludion äangletörrs" in politischen Diensten
und sein Eintritt an den Hof der burgundischen Herzogin Margarethe seiner
persönlichen Bedeutung zuzuschreiben ist. Im März 1471 stand er im Dienste
dieser seiner Landsmännin, der Schwester Heinrich's IV. und bezog von ihr
ein jährliches Gehalt; er nahm einen ehrenvollen Vertrauensposten bei ihr
ein, und nach den vielfachen Andeutungen persönlicher Beziehungen zu ihr in
seinen Prologen und den Nsreers Kizeorcls dürfen wir in ihm eine Art Hof¬
banquier oder Kabinetsekretair vermuthen.

Mit seinem Eintritts an den Hof verdrängten indessen literarische Nei¬
gungen die kaufmännischen. Bereits 1469 hatte er eine Uebersetzung des Lieb¬
lingshundes feiner Zeit, des französischen Recueil clef Hist. ac ?roz^ von
Raoul le ?evrs ins Englische begonnen, dieselbe aber aus Unlust an der Ar¬
beit nach dem 20. Bogen abgebrochen, um sie einige Jahre später „s,t tds eom-
numnäment ok tus riglrt n^e in^Und^ vsrwouse?r^it0W8e Irz^s reäoudrM
laSzs Narg.", die das Manuseript überlesen, wieder aufzunehmen und in Köln zu
vollenden („I^n^sslM in etre Jot^ e^te ol lHolen tue XIX. et^ Loxt.
tds xers a tlrousanä toure nonärciä fixe^ c.^ enlevou"). Die Anregungen zu
dieser literarischen Arbeit hat er unzweifelhaft in den Kreisen der burgundischen
Residenz gefunden.

Denn wirft man einen Blick auf die mächtigen und vielseitigen
Strömungen des geistigen Lebens in Brügge, auf dessen vielfache Verbin¬
dungen mit den westdeutschen Stapelplätzen des deutschen Buchhandels,
so hat man in dieser Stadt das literarische Emporium der zukunftreichen
Niederlande, ein Leipzig des niedergehenden Mittelalters. — Philipp der
Kühne, Herzog von Burgund (f 1404) war ein Mann von entschiedenen litera-


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[0051] Antriebe oder von Lnrge's Testamentsvollstrecker gesandt — ging Caxton nach Brügge. — In dieser Residenz der burgundischen Herzöge blühten Handel und Ge¬ werbe im hohen Grade; Kaufleute aus allen Theilen Europas betrieben dort schwungvolle Geschäfte, und namentlich lagerten deutsche und englische Gro߬ händler dort ihre Stapelwaaren. Daß Caxton hier ein eignes Geschäft be¬ gründete, welches bald blühte, daß er nicht nur durch kaufmännische Gaben, sondern auch durch Biederkeit, Charakterfestigkeit und Kenntniß des internatio¬ nalen Rechts- und Geschäftsverkehrs Anerkennung fand, dafür haben wir die verschiedensten Zeugnisse, namentlich in dem Archiv seiner Gilde, den lieeoräs ol Nei-cers, in denen man ihn seit dem 24. Juni 1462 als Vorstand einer Großhandelscompagnie („Kovernor ok Nöredg-ut ^ävsnturers") wiederfindet. Fehlen uns aber auch sichere Nachrichten über seine Thätigkeit bis zur Mitte der 60 er Jahre, soviel ist gewiß, daß die spätere Verwendung des „inkisti-o et Aouvernour etes marelums äelg, ludion äangletörrs" in politischen Diensten und sein Eintritt an den Hof der burgundischen Herzogin Margarethe seiner persönlichen Bedeutung zuzuschreiben ist. Im März 1471 stand er im Dienste dieser seiner Landsmännin, der Schwester Heinrich's IV. und bezog von ihr ein jährliches Gehalt; er nahm einen ehrenvollen Vertrauensposten bei ihr ein, und nach den vielfachen Andeutungen persönlicher Beziehungen zu ihr in seinen Prologen und den Nsreers Kizeorcls dürfen wir in ihm eine Art Hof¬ banquier oder Kabinetsekretair vermuthen. Mit seinem Eintritts an den Hof verdrängten indessen literarische Nei¬ gungen die kaufmännischen. Bereits 1469 hatte er eine Uebersetzung des Lieb¬ lingshundes feiner Zeit, des französischen Recueil clef Hist. ac ?roz^ von Raoul le ?evrs ins Englische begonnen, dieselbe aber aus Unlust an der Ar¬ beit nach dem 20. Bogen abgebrochen, um sie einige Jahre später „s,t tds eom- numnäment ok tus riglrt n^e in^Und^ vsrwouse?r^it0W8e Irz^s reäoudrM laSzs Narg.", die das Manuseript überlesen, wieder aufzunehmen und in Köln zu vollenden („I^n^sslM in etre Jot^ e^te ol lHolen tue XIX. et^ Loxt. tds xers a tlrousanä toure nonärciä fixe^ c.^ enlevou"). Die Anregungen zu dieser literarischen Arbeit hat er unzweifelhaft in den Kreisen der burgundischen Residenz gefunden. Denn wirft man einen Blick auf die mächtigen und vielseitigen Strömungen des geistigen Lebens in Brügge, auf dessen vielfache Verbin¬ dungen mit den westdeutschen Stapelplätzen des deutschen Buchhandels, so hat man in dieser Stadt das literarische Emporium der zukunftreichen Niederlande, ein Leipzig des niedergehenden Mittelalters. — Philipp der Kühne, Herzog von Burgund (f 1404) war ein Mann von entschiedenen litera-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/51>, abgerufen am 28.09.2024.