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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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nicht, und ihr Verdruß darüber wurde um so größer, als ihr der steinreiche
Herzog von Kingston jetzt seine Hand anbot. Indeß willigte ihr Gemahl nach
langem Zögern in eine Scheidung, die von dem kirchlichen Gerichtshof (Doktors
Commons) ausgesprochen wurde, aber nicht ganz in der vom Gesetze verlangten
Form erfolgte. Damit unbekannt, ließ Elisabeth sich mit Erlaubniß des Erz-
bischofs von Canterbury im Jahre 1769 öffentlich trauen. Aber auch diese
Ehe war keine glückliche. Das stürmische Wesen der nun doch schon neunund-
vierzigjährigeu Frau brachte den an Gesundheit wie an Willen schwachen
Mann dem Grabe nahe, und 1773 starb er, nachdem er seiner Frau sein ge¬
stimmtes ungeheures Vermögen vermacht hatte.

Jetzt ließ Elisabeth ihrem Wesen vollständig die Zügel schießen, stürzte
sich wie wahnsinnig in alle möglichen Vergnügungen und erregte durch selt¬
same Streiche und rasende Verschwendung in London solchen Skandal, daß sie
sich endlich genöthigt sah, das Land zu verlassen und nach Italien zu gehen.
Hier machte sie dnrch ihre Schrullen und ihren unerhörten Luxus ebenfalls
großes Aufsehen, und in Rom wurde sie von dem Papste und den Kardinälen
wie eine Königin behandelt. Ein Abenteurer, der sich für den Herzog vou
Albanien ausgab, wußte die nun recht ältliche, aber noch im-ner für die
Freuden der Liebe stark empfängliche Dame zu bewegen, ihm ihr Herz zu
schenken, und sie war im Begriffe, ihre Hand hinzuzufügen, als sie aus ihrem
Rausche durch die Nachricht aufgeschreckt wurde, daß die Verwandten des
Herzogs von Kingston, um ihr das reiche Erbe zu entziehen, beim Pairshofe
einen Prozeß wegen Bigamie gegen sie angestrengt hätte". Als Elisabeth im
Frühling 1776 zu London erschien, war dieser Prozeß bereits eingeleitet und
das Publikum durch grausame Schmähschriften und sogar durch Theaterstücke
gegen sie eingenommen. Sie ließ sich aber dadurch uicht erschrecken, und als
sie vor den Schranken der Lords sich eingestellt hatte, wußte sie während der
Verhandlungen, welchen die gestimmte vornehme Welt Englands mit Einschluß
der königlichen Familie und der Minister beiwohnten, Vieler Herzen durch
ihre feste und unbefangene Haltung für sich zu gewinnen. Demungeachtet
blieb ihr die Verurtheilung wegen Bigamie nicht erspart, doch erließ man ihr
in Folge ihres hohen Ranges die vom Gesetze über dieses Verbrechen ver¬
hängte Strafe, die im Brandmarken der rechten Hand mit einem B bestand,
anch wurde ihr seltsamer Weise das ihr vom Herzog von Kingston hinter¬
lassene Vermögen nicht abgesprochen. Ihre Verfolger machten hierauf eine"
neuen Prozeß gegen sie anhängig, mit dem sie bezweckten, sie für eine Ver¬
schwenderin erklären und ihr so die Disposition über ihren Besitz entziehen zu,
lassen. Allein Elisabeth entging dem, indem sie, die nunmehr den Titel einer
Gräfin Bristol führte, sich nach Frankreich, von da nach Italien und zuletzt


nicht, und ihr Verdruß darüber wurde um so größer, als ihr der steinreiche
Herzog von Kingston jetzt seine Hand anbot. Indeß willigte ihr Gemahl nach
langem Zögern in eine Scheidung, die von dem kirchlichen Gerichtshof (Doktors
Commons) ausgesprochen wurde, aber nicht ganz in der vom Gesetze verlangten
Form erfolgte. Damit unbekannt, ließ Elisabeth sich mit Erlaubniß des Erz-
bischofs von Canterbury im Jahre 1769 öffentlich trauen. Aber auch diese
Ehe war keine glückliche. Das stürmische Wesen der nun doch schon neunund-
vierzigjährigeu Frau brachte den an Gesundheit wie an Willen schwachen
Mann dem Grabe nahe, und 1773 starb er, nachdem er seiner Frau sein ge¬
stimmtes ungeheures Vermögen vermacht hatte.

Jetzt ließ Elisabeth ihrem Wesen vollständig die Zügel schießen, stürzte
sich wie wahnsinnig in alle möglichen Vergnügungen und erregte durch selt¬
same Streiche und rasende Verschwendung in London solchen Skandal, daß sie
sich endlich genöthigt sah, das Land zu verlassen und nach Italien zu gehen.
Hier machte sie dnrch ihre Schrullen und ihren unerhörten Luxus ebenfalls
großes Aufsehen, und in Rom wurde sie von dem Papste und den Kardinälen
wie eine Königin behandelt. Ein Abenteurer, der sich für den Herzog vou
Albanien ausgab, wußte die nun recht ältliche, aber noch im-ner für die
Freuden der Liebe stark empfängliche Dame zu bewegen, ihm ihr Herz zu
schenken, und sie war im Begriffe, ihre Hand hinzuzufügen, als sie aus ihrem
Rausche durch die Nachricht aufgeschreckt wurde, daß die Verwandten des
Herzogs von Kingston, um ihr das reiche Erbe zu entziehen, beim Pairshofe
einen Prozeß wegen Bigamie gegen sie angestrengt hätte». Als Elisabeth im
Frühling 1776 zu London erschien, war dieser Prozeß bereits eingeleitet und
das Publikum durch grausame Schmähschriften und sogar durch Theaterstücke
gegen sie eingenommen. Sie ließ sich aber dadurch uicht erschrecken, und als
sie vor den Schranken der Lords sich eingestellt hatte, wußte sie während der
Verhandlungen, welchen die gestimmte vornehme Welt Englands mit Einschluß
der königlichen Familie und der Minister beiwohnten, Vieler Herzen durch
ihre feste und unbefangene Haltung für sich zu gewinnen. Demungeachtet
blieb ihr die Verurtheilung wegen Bigamie nicht erspart, doch erließ man ihr
in Folge ihres hohen Ranges die vom Gesetze über dieses Verbrechen ver¬
hängte Strafe, die im Brandmarken der rechten Hand mit einem B bestand,
anch wurde ihr seltsamer Weise das ihr vom Herzog von Kingston hinter¬
lassene Vermögen nicht abgesprochen. Ihre Verfolger machten hierauf eine»
neuen Prozeß gegen sie anhängig, mit dem sie bezweckten, sie für eine Ver¬
schwenderin erklären und ihr so die Disposition über ihren Besitz entziehen zu,
lassen. Allein Elisabeth entging dem, indem sie, die nunmehr den Titel einer
Gräfin Bristol führte, sich nach Frankreich, von da nach Italien und zuletzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/404>, abgerufen am 28.09.2024.