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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Auch die städtische Verwaltung von Karlsbad, an deren Spitze jetzt der
thatkräftige Bürgermeister Knoll steht, hat in den letzten Jahren höchst aner-
kennenswerthe Anstrengungen gemacht, um deu bekanntlich in städtischem Besitz
befindlichen Brunnen- und Badeanstalten eine dem modernen Geschmack und
dem Weltrnfe Karlsbads entsprechende Gestalt zu geben. Die aus Pirnaischen
Sandstein und Fichtelgebirgischem Granit erbaute Säulenhalle am Mühl-
brunnen ist, trotz einzelner Ausstellungen, die man daran machen kann, ein
schöner B.in, in welchem man mit Behagen den Klängen der Labitzky'schen
Musik lauscht und geduldig den großen Doppel Gänsemarsch nach den Mühl-
brnnnen mitmacht. Die Stadt hat für diese und andere Bauten eine Anleihe
von vier Millionen aufgenommen, und da diese Summe glücklicherweise noch
nicht aufgebraucht ist, so werden schon in diesem Herbst zwei neue, für die
Verschönerung der Stadt höchst wichtige Projekte zur Ausführung kommen.
Zunächst wird am Markte der "Weiße Adler" (Apotheke) mit den vorliegenden
kleinen Budiker abgerissen und eine Kolonnade vom Marktbrnnnen bis zur
Karlsquelle erbaut. Sodann sind die "Drei Uhlanen" und die "Zwei Ketten"
in der Sprudelgasse angekauft worden, welche nebst einem dritten, zwischen
beiden befindlichen Hause niedergerissen werden sollen, um auch an der Hygiea-
"nelle (in Karlsbad, selbst in ärztlichen Schriften, vielfach Hygiäa geschrieben!)
und am Sprudel eine dein jetzigen Geschmack entsprechende Kolonnade in Eisen¬
konstruktion herzustellen. Man muß es der jetzigen Stadtverwaltung nachsagen,
daß sie mit lobenswerther Energie die Versäumnisse früherer Zeiten nachzu¬
holen sucht. Auch für die Reinigung der Tepel, welche im Sommer fast ganz
austrocknet und durch die in sie einmündenden Hansschleußen die nächste Um-
gebung mit dem widerlichsten Gerüche erfüllt, wird Alles gethan.

Von hervorragenden Bauwerken, welche in diesem Sommer fertig geworden
sind oder noch werden sollen, ist die dicht am Fuße des "Hirschensprung"
in normännischen Stil erbaute englische Kirche zu nennen, welche am 24. Juni
unter Assistenz des Bischofs von London eingeweiht worden ist, und ferner
die neue jüdische Synagoge in der Parkstraße, welche das schönste Gotteshaus
in ganz Karlsbad zu werden verspricht. Da es außer der katholischen Pfarr¬
kirche auch eine, im Innern leider sehr nüchtern und kahle, evangelische Kirche,
sowie eine russische, in vollem Gegensatz hierzu reichgeschmückte Kapelle gibt,
so sind in Karlsbad, das jetzt ungefähr 10,000 Einwohner zählt (Genaueres
ist über die Einwohnerzahl nicht festzustellen, da in Oesterreich wohl nur aller
sieben Jahre Volkszählung stattfindet) alle Hauptknlte Europas, mit Ausnahme
des Islam, dnrch Gotteshäuser vertreten. Es herrscht auch unter den Bekennen:
der verschiedenen Religionen eine erfreuliche Toleranz; selbst der herrschende


Auch die städtische Verwaltung von Karlsbad, an deren Spitze jetzt der
thatkräftige Bürgermeister Knoll steht, hat in den letzten Jahren höchst aner-
kennenswerthe Anstrengungen gemacht, um deu bekanntlich in städtischem Besitz
befindlichen Brunnen- und Badeanstalten eine dem modernen Geschmack und
dem Weltrnfe Karlsbads entsprechende Gestalt zu geben. Die aus Pirnaischen
Sandstein und Fichtelgebirgischem Granit erbaute Säulenhalle am Mühl-
brunnen ist, trotz einzelner Ausstellungen, die man daran machen kann, ein
schöner B.in, in welchem man mit Behagen den Klängen der Labitzky'schen
Musik lauscht und geduldig den großen Doppel Gänsemarsch nach den Mühl-
brnnnen mitmacht. Die Stadt hat für diese und andere Bauten eine Anleihe
von vier Millionen aufgenommen, und da diese Summe glücklicherweise noch
nicht aufgebraucht ist, so werden schon in diesem Herbst zwei neue, für die
Verschönerung der Stadt höchst wichtige Projekte zur Ausführung kommen.
Zunächst wird am Markte der „Weiße Adler" (Apotheke) mit den vorliegenden
kleinen Budiker abgerissen und eine Kolonnade vom Marktbrnnnen bis zur
Karlsquelle erbaut. Sodann sind die „Drei Uhlanen" und die „Zwei Ketten"
in der Sprudelgasse angekauft worden, welche nebst einem dritten, zwischen
beiden befindlichen Hause niedergerissen werden sollen, um auch an der Hygiea-
"nelle (in Karlsbad, selbst in ärztlichen Schriften, vielfach Hygiäa geschrieben!)
und am Sprudel eine dein jetzigen Geschmack entsprechende Kolonnade in Eisen¬
konstruktion herzustellen. Man muß es der jetzigen Stadtverwaltung nachsagen,
daß sie mit lobenswerther Energie die Versäumnisse früherer Zeiten nachzu¬
holen sucht. Auch für die Reinigung der Tepel, welche im Sommer fast ganz
austrocknet und durch die in sie einmündenden Hansschleußen die nächste Um-
gebung mit dem widerlichsten Gerüche erfüllt, wird Alles gethan.

Von hervorragenden Bauwerken, welche in diesem Sommer fertig geworden
sind oder noch werden sollen, ist die dicht am Fuße des „Hirschensprung"
in normännischen Stil erbaute englische Kirche zu nennen, welche am 24. Juni
unter Assistenz des Bischofs von London eingeweiht worden ist, und ferner
die neue jüdische Synagoge in der Parkstraße, welche das schönste Gotteshaus
in ganz Karlsbad zu werden verspricht. Da es außer der katholischen Pfarr¬
kirche auch eine, im Innern leider sehr nüchtern und kahle, evangelische Kirche,
sowie eine russische, in vollem Gegensatz hierzu reichgeschmückte Kapelle gibt,
so sind in Karlsbad, das jetzt ungefähr 10,000 Einwohner zählt (Genaueres
ist über die Einwohnerzahl nicht festzustellen, da in Oesterreich wohl nur aller
sieben Jahre Volkszählung stattfindet) alle Hauptknlte Europas, mit Ausnahme
des Islam, dnrch Gotteshäuser vertreten. Es herrscht auch unter den Bekennen:
der verschiedenen Religionen eine erfreuliche Toleranz; selbst der herrschende


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[0397] Auch die städtische Verwaltung von Karlsbad, an deren Spitze jetzt der thatkräftige Bürgermeister Knoll steht, hat in den letzten Jahren höchst aner- kennenswerthe Anstrengungen gemacht, um deu bekanntlich in städtischem Besitz befindlichen Brunnen- und Badeanstalten eine dem modernen Geschmack und dem Weltrnfe Karlsbads entsprechende Gestalt zu geben. Die aus Pirnaischen Sandstein und Fichtelgebirgischem Granit erbaute Säulenhalle am Mühl- brunnen ist, trotz einzelner Ausstellungen, die man daran machen kann, ein schöner B.in, in welchem man mit Behagen den Klängen der Labitzky'schen Musik lauscht und geduldig den großen Doppel Gänsemarsch nach den Mühl- brnnnen mitmacht. Die Stadt hat für diese und andere Bauten eine Anleihe von vier Millionen aufgenommen, und da diese Summe glücklicherweise noch nicht aufgebraucht ist, so werden schon in diesem Herbst zwei neue, für die Verschönerung der Stadt höchst wichtige Projekte zur Ausführung kommen. Zunächst wird am Markte der „Weiße Adler" (Apotheke) mit den vorliegenden kleinen Budiker abgerissen und eine Kolonnade vom Marktbrnnnen bis zur Karlsquelle erbaut. Sodann sind die „Drei Uhlanen" und die „Zwei Ketten" in der Sprudelgasse angekauft worden, welche nebst einem dritten, zwischen beiden befindlichen Hause niedergerissen werden sollen, um auch an der Hygiea- "nelle (in Karlsbad, selbst in ärztlichen Schriften, vielfach Hygiäa geschrieben!) und am Sprudel eine dein jetzigen Geschmack entsprechende Kolonnade in Eisen¬ konstruktion herzustellen. Man muß es der jetzigen Stadtverwaltung nachsagen, daß sie mit lobenswerther Energie die Versäumnisse früherer Zeiten nachzu¬ holen sucht. Auch für die Reinigung der Tepel, welche im Sommer fast ganz austrocknet und durch die in sie einmündenden Hansschleußen die nächste Um- gebung mit dem widerlichsten Gerüche erfüllt, wird Alles gethan. Von hervorragenden Bauwerken, welche in diesem Sommer fertig geworden sind oder noch werden sollen, ist die dicht am Fuße des „Hirschensprung" in normännischen Stil erbaute englische Kirche zu nennen, welche am 24. Juni unter Assistenz des Bischofs von London eingeweiht worden ist, und ferner die neue jüdische Synagoge in der Parkstraße, welche das schönste Gotteshaus in ganz Karlsbad zu werden verspricht. Da es außer der katholischen Pfarr¬ kirche auch eine, im Innern leider sehr nüchtern und kahle, evangelische Kirche, sowie eine russische, in vollem Gegensatz hierzu reichgeschmückte Kapelle gibt, so sind in Karlsbad, das jetzt ungefähr 10,000 Einwohner zählt (Genaueres ist über die Einwohnerzahl nicht festzustellen, da in Oesterreich wohl nur aller sieben Jahre Volkszählung stattfindet) alle Hauptknlte Europas, mit Ausnahme des Islam, dnrch Gotteshäuser vertreten. Es herrscht auch unter den Bekennen: der verschiedenen Religionen eine erfreuliche Toleranz; selbst der herrschende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/397>, abgerufen am 28.09.2024.