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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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zu höre", und wenn die Verbündeten (der Tripelallianz) sie zu diesem Schritte
vermögen, so werden sie ohne Zweifel den Wünschen des Kaisers begegnen.

Welcher Art die "werthvollen Mittheilungen" v. Müfflings gewesen sind,
wissen nur nicht. Genug, daß die Pforte seinen Rath, zwei Friedeusunter-
häudler ins russische Hanptguartier zu senden, befolgte. Diebitsch übergab
ihnen die Friedensbedingungen Rußlands gleich in Vertragsform redigirt.
Nußland gab nach denselben alle von ihm in Europa eroberten Theile der
Türkei zurück. Die Grenze sollte wie bisher durch den Pruth und uach dessen
Vereinigung mit der Donau von letzterer gebildet werden. Die Juselu im
Donau-Delta sollten an Nußland fallen, und die Pforte sollte sich verpflichten,
das Südufer des Stromes hier auf zwei Stunden Entfernung unbewohnt zu
lassen. Mehr verlangte Rußland in Asien, Die von letzterem eroberten Küsten-
Plätze von Araya bis Poli sollten ihm verbleiben. Südlich vom Gnriel sollte
sodann wie bisher der Fluß Tschürücksu die beiderseitigen Gebiete scheiden.
Von dein Verbindungspuilkte Gürtels und des türkischen Adjara mit der rus¬
sischen Provinz Jmeretien dagegen sollte eine möglichst gerade Demarkations¬
linie durch die Paschaliks Tschüldür, Achalzig und Kars bis zu dem Verbin-
dnngspunkte der letztgenannten Provinzen mit Georgien gezogen werden, welche
die Festungen Achalzich und Achalkcilaki nördlich ließ. Die Länder im Süden
dieser Linie sollten der Pforte verbleiben, die also die Paschaliks Kars, Erzerum
und Bajasid ganz und das Paschalik Achalzik zur größeren Hälfte zurück¬
bekam. Die Artikel 5 und 6 bestätigten der Moldau und Wallachei ihre alten
Privilegien und verbürgten den Serben den Genuß aller durch den Vertrag
von Merman für sie ausbedungenen Vortheile. Der 7. bestimmte die Rechte
der auf türkischem Gebiet verkehrenden russischen Unterthanen, für welche voll¬
kommene Handelsfreiheit stipulirt wurde. Außerdem sollten die russischen Schiffe
wie die aller mit der Türkei im Frieden lebenden Nationen unter Kauffarthei-
flagge das Recht freier Durchfahrt durch die Straßen der Dardanellen und
des Bosporus haben. Von den übrigen Artikeln nennen wir noch den 8., der
eine binnen Jahresfrist zu zahlende Summe von anderthalb Millionen hollän¬
dischen Dukaten als Entschädigung für die russischen Kaufleuten von der Pforte
seit dem Kriege von 1806 bis zum Vertrage von Akkerman und später zuge¬
fügten Beeinträchtigungen forderte, den 9., der zehn Millionen holländische
Dukaten als Aequivalent für die russischen Kriegskosten verlangte, und den 10.
durch den sich die Pforte verpflichtete, dem Londoner Vertrage vom 6. Juli
1827 und dem Protokoll vom 22. März 1829 beizutreten, d. l> die Unab¬
hängigkeit Griechenlands anzuerkennen. Die Feindseligkeiten sollten nach Aus¬
wechselung der Ratifikationen aufhören.

Zu diesem Hauptvertrage kam noch eine besondere Konvention, die Fol-


zu höre«, und wenn die Verbündeten (der Tripelallianz) sie zu diesem Schritte
vermögen, so werden sie ohne Zweifel den Wünschen des Kaisers begegnen.

Welcher Art die „werthvollen Mittheilungen" v. Müfflings gewesen sind,
wissen nur nicht. Genug, daß die Pforte seinen Rath, zwei Friedeusunter-
häudler ins russische Hanptguartier zu senden, befolgte. Diebitsch übergab
ihnen die Friedensbedingungen Rußlands gleich in Vertragsform redigirt.
Nußland gab nach denselben alle von ihm in Europa eroberten Theile der
Türkei zurück. Die Grenze sollte wie bisher durch den Pruth und uach dessen
Vereinigung mit der Donau von letzterer gebildet werden. Die Juselu im
Donau-Delta sollten an Nußland fallen, und die Pforte sollte sich verpflichten,
das Südufer des Stromes hier auf zwei Stunden Entfernung unbewohnt zu
lassen. Mehr verlangte Rußland in Asien, Die von letzterem eroberten Küsten-
Plätze von Araya bis Poli sollten ihm verbleiben. Südlich vom Gnriel sollte
sodann wie bisher der Fluß Tschürücksu die beiderseitigen Gebiete scheiden.
Von dein Verbindungspuilkte Gürtels und des türkischen Adjara mit der rus¬
sischen Provinz Jmeretien dagegen sollte eine möglichst gerade Demarkations¬
linie durch die Paschaliks Tschüldür, Achalzig und Kars bis zu dem Verbin-
dnngspunkte der letztgenannten Provinzen mit Georgien gezogen werden, welche
die Festungen Achalzich und Achalkcilaki nördlich ließ. Die Länder im Süden
dieser Linie sollten der Pforte verbleiben, die also die Paschaliks Kars, Erzerum
und Bajasid ganz und das Paschalik Achalzik zur größeren Hälfte zurück¬
bekam. Die Artikel 5 und 6 bestätigten der Moldau und Wallachei ihre alten
Privilegien und verbürgten den Serben den Genuß aller durch den Vertrag
von Merman für sie ausbedungenen Vortheile. Der 7. bestimmte die Rechte
der auf türkischem Gebiet verkehrenden russischen Unterthanen, für welche voll¬
kommene Handelsfreiheit stipulirt wurde. Außerdem sollten die russischen Schiffe
wie die aller mit der Türkei im Frieden lebenden Nationen unter Kauffarthei-
flagge das Recht freier Durchfahrt durch die Straßen der Dardanellen und
des Bosporus haben. Von den übrigen Artikeln nennen wir noch den 8., der
eine binnen Jahresfrist zu zahlende Summe von anderthalb Millionen hollän¬
dischen Dukaten als Entschädigung für die russischen Kaufleuten von der Pforte
seit dem Kriege von 1806 bis zum Vertrage von Akkerman und später zuge¬
fügten Beeinträchtigungen forderte, den 9., der zehn Millionen holländische
Dukaten als Aequivalent für die russischen Kriegskosten verlangte, und den 10.
durch den sich die Pforte verpflichtete, dem Londoner Vertrage vom 6. Juli
1827 und dem Protokoll vom 22. März 1829 beizutreten, d. l> die Unab¬
hängigkeit Griechenlands anzuerkennen. Die Feindseligkeiten sollten nach Aus¬
wechselung der Ratifikationen aufhören.

Zu diesem Hauptvertrage kam noch eine besondere Konvention, die Fol-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/363>, abgerufen am 25.06.2024.