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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Wagen, die in Ketten hingen, und zwei Schlitten, die gleich den Wagen Jahr
ein Jahr ans meist auf der Straße stehen blieben, wenn sie nicht gebraucht
wurden. Eine Fahrt nach Wien kostetet" 18 Gulden 40 Kr. (32 M.) eine
solche nach Salzburg 5 Gulden 40 Kr. (9 Mk. 71 Pf.), nach Augsburg 2
Gulden 30 Kr. (4 Mk. 29 Pf.), nach Landshut 3 Gulden (5 Mk. 14 Pf.)
Gegen eine Vergütung von 24 Kreuzern (69 Pf.) fuhr der Wagen außerdem
an der Wohnung des Reisenden vor. Die Preise stimmten ziemlich mit den
heutigen Eisenbahntaxen zweiter Klasse überein.

Als der erste Gnsthos Münchens galt damals der Schwarze Adler an der
Kanfingergasse, in dein auch Goethe auf seiner italienischen Reise einkehrte.
Ein Zimmer kostete 24 Kr. (69 Pf.) bis 2 Gulden 24 Kr. (4 Mk. 12 Pf.)
für den Tag, das trockene Couvert an der Mittags-Table d'hüte 1 Gulden
(1 Mk. 71 Pf.), am Abendtisch 40 Kr. (1 Mk. 14 Pf.) An den Schwarzen
Adler reihten sich der Goldene Hahn in der Weinstraße (jetzt Gendarmerie-
Kaserne), der Londoner Hof in der Kaufingergasse und der Goldene Hirsch in
der Theatinerstraße. Außerdem fand man in zahlreichen Bräuhäuseru Herberge
und für 12--18 Kr. (34--51 Pf.) nahrhaften Mittagstisch.

An Wirthshäusern hat es München auch vor hundert Jahren nicht ge¬
fehlt, sie mußten aber um 10 Uhr Nachts geschlossen werden, während die
Cafe's bis 11 Uhr offen bleiben durften.. Um diese Stunden erschienen Mili¬
tär-Patrouillen um "abzuschaffen." Verspätete Gäste wurden auf die Haupt-
wache gebracht und hatten die Nacht über dort zu bleiben. Restaurationen
und Speisehäuser in unserm Sinne kannte München damals noch uicht. Un-
verheirathete ans den mittleren und unteren Ständen fanden bei den "Köchen"
für 10 Kr. (29 Pf.) einen aus Suppe, Voressen, Fleisch, Gemüse und Brod
bestehenden Mittagstisch, an den zahlreichen und streng eingehaltenen Festtagen
aber für 8 Kr. (23 Pf.) Suppe, Nudel und Fischbrühe.

Die Produzenten von damals müssen sehr gutmüthige Leute gewesen sein,
denn sie ließen sich nicht einmal dadurch zu einer Preissteigerung reizen, daß
ihnen, wenn sie zur Stadt sichren, Unteroffiziere und Mannschaften der Thor¬
wachen gewaltsam Brennholz, Krauttvpfe, Kartoffeln und dergl. abnahmen, eine
Plackerei, die erst 1798 abgeschafft wurde.

Auch von Mauthplackereien hatte man viel zu leiden, und auch der Wein¬
verkauf war manchen Beschränkungen unterworfen. So durfte Wein nur im
Weinstadel (jetzt Restauration Minutti an der Dienersgasse) im Geblüte ver¬
kauft werden.

Der Gewerbebetrieb lag zwar in den engsten Banden des Zunftzwanges;
das hinderte aber nicht, daß der Kurfürst 1127 Schutzbefreiten seines Hofes
als aktiven oder vormaligen Bediensteten neben 863 Vollmeistern und 912


Wagen, die in Ketten hingen, und zwei Schlitten, die gleich den Wagen Jahr
ein Jahr ans meist auf der Straße stehen blieben, wenn sie nicht gebraucht
wurden. Eine Fahrt nach Wien kostetet« 18 Gulden 40 Kr. (32 M.) eine
solche nach Salzburg 5 Gulden 40 Kr. (9 Mk. 71 Pf.), nach Augsburg 2
Gulden 30 Kr. (4 Mk. 29 Pf.), nach Landshut 3 Gulden (5 Mk. 14 Pf.)
Gegen eine Vergütung von 24 Kreuzern (69 Pf.) fuhr der Wagen außerdem
an der Wohnung des Reisenden vor. Die Preise stimmten ziemlich mit den
heutigen Eisenbahntaxen zweiter Klasse überein.

Als der erste Gnsthos Münchens galt damals der Schwarze Adler an der
Kanfingergasse, in dein auch Goethe auf seiner italienischen Reise einkehrte.
Ein Zimmer kostete 24 Kr. (69 Pf.) bis 2 Gulden 24 Kr. (4 Mk. 12 Pf.)
für den Tag, das trockene Couvert an der Mittags-Table d'hüte 1 Gulden
(1 Mk. 71 Pf.), am Abendtisch 40 Kr. (1 Mk. 14 Pf.) An den Schwarzen
Adler reihten sich der Goldene Hahn in der Weinstraße (jetzt Gendarmerie-
Kaserne), der Londoner Hof in der Kaufingergasse und der Goldene Hirsch in
der Theatinerstraße. Außerdem fand man in zahlreichen Bräuhäuseru Herberge
und für 12—18 Kr. (34—51 Pf.) nahrhaften Mittagstisch.

An Wirthshäusern hat es München auch vor hundert Jahren nicht ge¬
fehlt, sie mußten aber um 10 Uhr Nachts geschlossen werden, während die
Cafe's bis 11 Uhr offen bleiben durften.. Um diese Stunden erschienen Mili¬
tär-Patrouillen um „abzuschaffen." Verspätete Gäste wurden auf die Haupt-
wache gebracht und hatten die Nacht über dort zu bleiben. Restaurationen
und Speisehäuser in unserm Sinne kannte München damals noch uicht. Un-
verheirathete ans den mittleren und unteren Ständen fanden bei den „Köchen"
für 10 Kr. (29 Pf.) einen aus Suppe, Voressen, Fleisch, Gemüse und Brod
bestehenden Mittagstisch, an den zahlreichen und streng eingehaltenen Festtagen
aber für 8 Kr. (23 Pf.) Suppe, Nudel und Fischbrühe.

Die Produzenten von damals müssen sehr gutmüthige Leute gewesen sein,
denn sie ließen sich nicht einmal dadurch zu einer Preissteigerung reizen, daß
ihnen, wenn sie zur Stadt sichren, Unteroffiziere und Mannschaften der Thor¬
wachen gewaltsam Brennholz, Krauttvpfe, Kartoffeln und dergl. abnahmen, eine
Plackerei, die erst 1798 abgeschafft wurde.

Auch von Mauthplackereien hatte man viel zu leiden, und auch der Wein¬
verkauf war manchen Beschränkungen unterworfen. So durfte Wein nur im
Weinstadel (jetzt Restauration Minutti an der Dienersgasse) im Geblüte ver¬
kauft werden.

Der Gewerbebetrieb lag zwar in den engsten Banden des Zunftzwanges;
das hinderte aber nicht, daß der Kurfürst 1127 Schutzbefreiten seines Hofes
als aktiven oder vormaligen Bediensteten neben 863 Vollmeistern und 912


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[0350] Wagen, die in Ketten hingen, und zwei Schlitten, die gleich den Wagen Jahr ein Jahr ans meist auf der Straße stehen blieben, wenn sie nicht gebraucht wurden. Eine Fahrt nach Wien kostetet« 18 Gulden 40 Kr. (32 M.) eine solche nach Salzburg 5 Gulden 40 Kr. (9 Mk. 71 Pf.), nach Augsburg 2 Gulden 30 Kr. (4 Mk. 29 Pf.), nach Landshut 3 Gulden (5 Mk. 14 Pf.) Gegen eine Vergütung von 24 Kreuzern (69 Pf.) fuhr der Wagen außerdem an der Wohnung des Reisenden vor. Die Preise stimmten ziemlich mit den heutigen Eisenbahntaxen zweiter Klasse überein. Als der erste Gnsthos Münchens galt damals der Schwarze Adler an der Kanfingergasse, in dein auch Goethe auf seiner italienischen Reise einkehrte. Ein Zimmer kostete 24 Kr. (69 Pf.) bis 2 Gulden 24 Kr. (4 Mk. 12 Pf.) für den Tag, das trockene Couvert an der Mittags-Table d'hüte 1 Gulden (1 Mk. 71 Pf.), am Abendtisch 40 Kr. (1 Mk. 14 Pf.) An den Schwarzen Adler reihten sich der Goldene Hahn in der Weinstraße (jetzt Gendarmerie- Kaserne), der Londoner Hof in der Kaufingergasse und der Goldene Hirsch in der Theatinerstraße. Außerdem fand man in zahlreichen Bräuhäuseru Herberge und für 12—18 Kr. (34—51 Pf.) nahrhaften Mittagstisch. An Wirthshäusern hat es München auch vor hundert Jahren nicht ge¬ fehlt, sie mußten aber um 10 Uhr Nachts geschlossen werden, während die Cafe's bis 11 Uhr offen bleiben durften.. Um diese Stunden erschienen Mili¬ tär-Patrouillen um „abzuschaffen." Verspätete Gäste wurden auf die Haupt- wache gebracht und hatten die Nacht über dort zu bleiben. Restaurationen und Speisehäuser in unserm Sinne kannte München damals noch uicht. Un- verheirathete ans den mittleren und unteren Ständen fanden bei den „Köchen" für 10 Kr. (29 Pf.) einen aus Suppe, Voressen, Fleisch, Gemüse und Brod bestehenden Mittagstisch, an den zahlreichen und streng eingehaltenen Festtagen aber für 8 Kr. (23 Pf.) Suppe, Nudel und Fischbrühe. Die Produzenten von damals müssen sehr gutmüthige Leute gewesen sein, denn sie ließen sich nicht einmal dadurch zu einer Preissteigerung reizen, daß ihnen, wenn sie zur Stadt sichren, Unteroffiziere und Mannschaften der Thor¬ wachen gewaltsam Brennholz, Krauttvpfe, Kartoffeln und dergl. abnahmen, eine Plackerei, die erst 1798 abgeschafft wurde. Auch von Mauthplackereien hatte man viel zu leiden, und auch der Wein¬ verkauf war manchen Beschränkungen unterworfen. So durfte Wein nur im Weinstadel (jetzt Restauration Minutti an der Dienersgasse) im Geblüte ver¬ kauft werden. Der Gewerbebetrieb lag zwar in den engsten Banden des Zunftzwanges; das hinderte aber nicht, daß der Kurfürst 1127 Schutzbefreiten seines Hofes als aktiven oder vormaligen Bediensteten neben 863 Vollmeistern und 912

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/350>, abgerufen am 28.09.2024.