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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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schon mit einander bis ans anderthalb Meilen hinangezogen waren, sagte
Plötzlich Gleißenwolf: Ich bin nun weit genug mitgekommen, lebt wohl, Graf
Eberhard, wir wollen von nun an wieder stehen, wie wir früher gestanden!
Mit diesen Worten spornte er sein Pferd im Kreise, jagte zur Linken hinweg
und ritt nach Hanse. Unterwegs begegnete ihm eine Heerde aus dem nächsten
Dorfe, welches Zuffenhausen hieß, von der er und seine Reisegefährten einen
guten Theil abschnitten und mit sich wegtrieben. Da kommen eilends die
Landleute uach Stuttgart und erzählen wehklagend, was ihnen von Räubern
widerfahren sei. Da lachte Graf Eberhard: Ha, ha, der alte Wolf hat sich
Kochfleisch geholt!"

Uhland hat die ganze Hilfsleistung des Wunneusteiuers, die bei Crusius
hinterher erzählt wird, organisch in die Haupthandlung verflochten, und wie
er in der "Schlacht bei Rentlingen", deren Hauptfigur ja der junge Graf
Ulrich ist, doch in der letzten Strophe


Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an dem Tisch,
Er schlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Fisch;
Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei
Und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.

den Blick ans den alten Greiner, der den Mittelpunkt des Ganzen bildet,
zurücklenkt, so hat er auch hier in der "Döffinger Schlacht" durch die Verse


Der stolze Graf entgegnen "Ich hab' sein nicht begehrt: .
Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt."

geschickt deu Zusammenhang zum "Ueberfall im Wildbad" hergestellt. Auch
der Schluß des Gedichtes, wo dem alten Eberhard die Kunde kommt, daß für
seinen im Kampfe gefallenen Sohn der Himmel schon Ersatz geschenkt habe, da die
Gemahlin seines Enkels Eberhard, Antonia, eines Knäbleins genesen sei, und
der Alte nnn in die Worte ausbricht:


"Der Fink hat wieder Samen; dem Herrn sei Dank und Preis",

stammt wörtlich aus Crusius. Die oft mißverstandenen Worte "der Fink hat
Samen" bedeuten: "der Fink hat wieder Futter", man kann getrost in die
Zukunft blicken.

Die zweite Ballade unseres Cyklus: "Die drei Könige zu Heimsen"
behandelt eine Begebenheit, die gar nicht unter Eberhard's des Greiners Re¬
gierung, sondern erst ins Jahr 1395, also drei Jahre nach seinem Tode und
w die Regierung seines Enkels Eberhard's des Milden fällt. Zu der poetischen
Licenz, sie in die Zeit des alten Eberhard zu verlegen, hatte Uhland aber
guten Grund: offenbar wollte er, wie in den letzten beiden Gedichten den
Ulrich, fo in den ersten beiden den Greiner das einemal unterliegend, das an-
deremal siegreich zeigen, so daß der ganze Cyklus sich in zwei parallele Paare


schon mit einander bis ans anderthalb Meilen hinangezogen waren, sagte
Plötzlich Gleißenwolf: Ich bin nun weit genug mitgekommen, lebt wohl, Graf
Eberhard, wir wollen von nun an wieder stehen, wie wir früher gestanden!
Mit diesen Worten spornte er sein Pferd im Kreise, jagte zur Linken hinweg
und ritt nach Hanse. Unterwegs begegnete ihm eine Heerde aus dem nächsten
Dorfe, welches Zuffenhausen hieß, von der er und seine Reisegefährten einen
guten Theil abschnitten und mit sich wegtrieben. Da kommen eilends die
Landleute uach Stuttgart und erzählen wehklagend, was ihnen von Räubern
widerfahren sei. Da lachte Graf Eberhard: Ha, ha, der alte Wolf hat sich
Kochfleisch geholt!"

Uhland hat die ganze Hilfsleistung des Wunneusteiuers, die bei Crusius
hinterher erzählt wird, organisch in die Haupthandlung verflochten, und wie
er in der „Schlacht bei Rentlingen", deren Hauptfigur ja der junge Graf
Ulrich ist, doch in der letzten Strophe


Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an dem Tisch,
Er schlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Fisch;
Da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei
Und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.

den Blick ans den alten Greiner, der den Mittelpunkt des Ganzen bildet,
zurücklenkt, so hat er auch hier in der „Döffinger Schlacht" durch die Verse


Der stolze Graf entgegnen „Ich hab' sein nicht begehrt: .
Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt."

geschickt deu Zusammenhang zum „Ueberfall im Wildbad" hergestellt. Auch
der Schluß des Gedichtes, wo dem alten Eberhard die Kunde kommt, daß für
seinen im Kampfe gefallenen Sohn der Himmel schon Ersatz geschenkt habe, da die
Gemahlin seines Enkels Eberhard, Antonia, eines Knäbleins genesen sei, und
der Alte nnn in die Worte ausbricht:


„Der Fink hat wieder Samen; dem Herrn sei Dank und Preis",

stammt wörtlich aus Crusius. Die oft mißverstandenen Worte „der Fink hat
Samen" bedeuten: „der Fink hat wieder Futter", man kann getrost in die
Zukunft blicken.

Die zweite Ballade unseres Cyklus: „Die drei Könige zu Heimsen"
behandelt eine Begebenheit, die gar nicht unter Eberhard's des Greiners Re¬
gierung, sondern erst ins Jahr 1395, also drei Jahre nach seinem Tode und
w die Regierung seines Enkels Eberhard's des Milden fällt. Zu der poetischen
Licenz, sie in die Zeit des alten Eberhard zu verlegen, hatte Uhland aber
guten Grund: offenbar wollte er, wie in den letzten beiden Gedichten den
Ulrich, fo in den ersten beiden den Greiner das einemal unterliegend, das an-
deremal siegreich zeigen, so daß der ganze Cyklus sich in zwei parallele Paare


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/341>, abgerufen am 29.09.2024.