Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Erfreulicher war die Thätigkeit des Kurators bei Neubesetzung erledigter
Professuren. War eine sophistische Lehrkanzel, ein -.'/yovox sog-""'"-"""?, zu be¬
setzen, so schrieb er einen Konkurs aus, zu welchem berühmte auswärtige
Sophisten auch ausdrücklich eingeladen wurden, umgab sich mit einem Beirath
ans Mitgliedern der Hochschule und der städtischen Behörden und verlieh nach
dem Erfolg der öffentlichen cleelairmtio die fragliche Professur. Anders verhielt
es sich von jeher mit der Besetzung der philosophischen Professuren; hier hatte
die Schule, deren erledigt war, das Wahlrecht und der Kurator nur
die Bestätigung. Bei der Anstellung aller Professoren aber sollte darauf ge¬
sehen werden, daß nur Männer von der lautersten Lebensführung in die
Lehranstalten einrückten, und erst seit dem vierten Jahrhundert häufen sich die
Beispiele vom Gegentheil; von da an begegnet man banausischen Naturen, die
bei einem ungeregelten und ausschweifenden Leben auf die finanzielle Ausbeu¬
tung der Studirenden ausgingen, allerdings neben Erscheinungen von der sitt¬
lichen Würde eines Himerius. Um diese Zeit hatte indeß der Kurator schon
fast alle" Einfluß auf die Besetzung der Lehrstühle verloren, denn auch das
Recht der Wahl der sophistischen Professoren war im Laufe der Zeit in die
Hände der Aristokratie von Athen gelegt worden. Nicht eben zum Vortheil der
Sache; denn seit der Einführung dieses Wahlmodus begannen die heftigen
Parteikämpfe unter den Lehrern, welche die ganze Stadt, die akademische Ju¬
gend und die heimatlichen Provinzen, aus denen diese stammte, in Mitleiden¬
schaft zogen. Begreiflich war aber diese Veränderung in der Verfassung der
Hochschule; denn der Gehalt ihrer Professoren wurde nicht von dem kaiserlichen
Fiskus, sondern aus dem städtischen Aerar bezahlt. So beschränkte sich die
verfassungsmäßige Thätigkeit des Kurators immer mehr auf die rein richter¬
liche, denn in die inneren Verhältnisse der Hochschule griff er nicht ein; wenn
es zu Klagen oder ärgerlichen Auftritten von öffentlicher Notorietät kam, ließ
er der Thätigkeit der Lehrer freien Spielraum.

Die Professuren in Athen wurden übrigens mit Eifer erstrebt; der Jahres¬
gehalt der sophistischen und philosophischen Lehrstühle belief sich auf 7500
Mark nach unserem Gelde, und da die immer zahlreichen Studirenden daneben
verpflichtet waren, ein nicht unbeträchtliches Honorar zu zahlen -- wir wissen
z. B., daß Proclus Naueratites von jedem Zuhörer für den Besuch aller seiner
Vorlesungen jährlich 100 Drachmen, d. i. t>8 Mark verlangte -- so war die
äußere Lage der Professoren keine ungünstige, wenn auch die Berufung von
Athen nach Rom für eine Auszeichnung galt.

Und nun noch ein Wort von den Studirenden. Jeder freigeborene junge
Mann, welcher die Vorbildung zu habe" glaubte, um den Vortrügen der
Sophisten oder Philosophen folgen zu können, hatte das Recht, in Athen z"


Erfreulicher war die Thätigkeit des Kurators bei Neubesetzung erledigter
Professuren. War eine sophistische Lehrkanzel, ein -.'/yovox sog-»«'»-»«»?, zu be¬
setzen, so schrieb er einen Konkurs aus, zu welchem berühmte auswärtige
Sophisten auch ausdrücklich eingeladen wurden, umgab sich mit einem Beirath
ans Mitgliedern der Hochschule und der städtischen Behörden und verlieh nach
dem Erfolg der öffentlichen cleelairmtio die fragliche Professur. Anders verhielt
es sich von jeher mit der Besetzung der philosophischen Professuren; hier hatte
die Schule, deren erledigt war, das Wahlrecht und der Kurator nur
die Bestätigung. Bei der Anstellung aller Professoren aber sollte darauf ge¬
sehen werden, daß nur Männer von der lautersten Lebensführung in die
Lehranstalten einrückten, und erst seit dem vierten Jahrhundert häufen sich die
Beispiele vom Gegentheil; von da an begegnet man banausischen Naturen, die
bei einem ungeregelten und ausschweifenden Leben auf die finanzielle Ausbeu¬
tung der Studirenden ausgingen, allerdings neben Erscheinungen von der sitt¬
lichen Würde eines Himerius. Um diese Zeit hatte indeß der Kurator schon
fast alle« Einfluß auf die Besetzung der Lehrstühle verloren, denn auch das
Recht der Wahl der sophistischen Professoren war im Laufe der Zeit in die
Hände der Aristokratie von Athen gelegt worden. Nicht eben zum Vortheil der
Sache; denn seit der Einführung dieses Wahlmodus begannen die heftigen
Parteikämpfe unter den Lehrern, welche die ganze Stadt, die akademische Ju¬
gend und die heimatlichen Provinzen, aus denen diese stammte, in Mitleiden¬
schaft zogen. Begreiflich war aber diese Veränderung in der Verfassung der
Hochschule; denn der Gehalt ihrer Professoren wurde nicht von dem kaiserlichen
Fiskus, sondern aus dem städtischen Aerar bezahlt. So beschränkte sich die
verfassungsmäßige Thätigkeit des Kurators immer mehr auf die rein richter¬
liche, denn in die inneren Verhältnisse der Hochschule griff er nicht ein; wenn
es zu Klagen oder ärgerlichen Auftritten von öffentlicher Notorietät kam, ließ
er der Thätigkeit der Lehrer freien Spielraum.

Die Professuren in Athen wurden übrigens mit Eifer erstrebt; der Jahres¬
gehalt der sophistischen und philosophischen Lehrstühle belief sich auf 7500
Mark nach unserem Gelde, und da die immer zahlreichen Studirenden daneben
verpflichtet waren, ein nicht unbeträchtliches Honorar zu zahlen — wir wissen
z. B., daß Proclus Naueratites von jedem Zuhörer für den Besuch aller seiner
Vorlesungen jährlich 100 Drachmen, d. i. t>8 Mark verlangte — so war die
äußere Lage der Professoren keine ungünstige, wenn auch die Berufung von
Athen nach Rom für eine Auszeichnung galt.

Und nun noch ein Wort von den Studirenden. Jeder freigeborene junge
Mann, welcher die Vorbildung zu habe» glaubte, um den Vortrügen der
Sophisten oder Philosophen folgen zu können, hatte das Recht, in Athen z»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0336" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138567"/>
          <p xml:id="ID_1030"> Erfreulicher war die Thätigkeit des Kurators bei Neubesetzung erledigter<lb/>
Professuren. War eine sophistische Lehrkanzel, ein -.'/yovox sog-»«'»-»«»?, zu be¬<lb/>
setzen, so schrieb er einen Konkurs aus, zu welchem berühmte auswärtige<lb/>
Sophisten auch ausdrücklich eingeladen wurden, umgab sich mit einem Beirath<lb/>
ans Mitgliedern der Hochschule und der städtischen Behörden und verlieh nach<lb/>
dem Erfolg der öffentlichen cleelairmtio die fragliche Professur. Anders verhielt<lb/>
es sich von jeher mit der Besetzung der philosophischen Professuren; hier hatte<lb/>
die Schule, deren erledigt war, das Wahlrecht und der Kurator nur<lb/>
die Bestätigung. Bei der Anstellung aller Professoren aber sollte darauf ge¬<lb/>
sehen werden, daß nur Männer von der lautersten Lebensführung in die<lb/>
Lehranstalten einrückten, und erst seit dem vierten Jahrhundert häufen sich die<lb/>
Beispiele vom Gegentheil; von da an begegnet man banausischen Naturen, die<lb/>
bei einem ungeregelten und ausschweifenden Leben auf die finanzielle Ausbeu¬<lb/>
tung der Studirenden ausgingen, allerdings neben Erscheinungen von der sitt¬<lb/>
lichen Würde eines Himerius. Um diese Zeit hatte indeß der Kurator schon<lb/>
fast alle« Einfluß auf die Besetzung der Lehrstühle verloren, denn auch das<lb/>
Recht der Wahl der sophistischen Professoren war im Laufe der Zeit in die<lb/>
Hände der Aristokratie von Athen gelegt worden. Nicht eben zum Vortheil der<lb/>
Sache; denn seit der Einführung dieses Wahlmodus begannen die heftigen<lb/>
Parteikämpfe unter den Lehrern, welche die ganze Stadt, die akademische Ju¬<lb/>
gend und die heimatlichen Provinzen, aus denen diese stammte, in Mitleiden¬<lb/>
schaft zogen. Begreiflich war aber diese Veränderung in der Verfassung der<lb/>
Hochschule; denn der Gehalt ihrer Professoren wurde nicht von dem kaiserlichen<lb/>
Fiskus, sondern aus dem städtischen Aerar bezahlt. So beschränkte sich die<lb/>
verfassungsmäßige Thätigkeit des Kurators immer mehr auf die rein richter¬<lb/>
liche, denn in die inneren Verhältnisse der Hochschule griff er nicht ein; wenn<lb/>
es zu Klagen oder ärgerlichen Auftritten von öffentlicher Notorietät kam, ließ<lb/>
er der Thätigkeit der Lehrer freien Spielraum.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1031"> Die Professuren in Athen wurden übrigens mit Eifer erstrebt; der Jahres¬<lb/>
gehalt der sophistischen und philosophischen Lehrstühle belief sich auf 7500<lb/>
Mark nach unserem Gelde, und da die immer zahlreichen Studirenden daneben<lb/>
verpflichtet waren, ein nicht unbeträchtliches Honorar zu zahlen &#x2014; wir wissen<lb/>
z. B., daß Proclus Naueratites von jedem Zuhörer für den Besuch aller seiner<lb/>
Vorlesungen jährlich 100 Drachmen, d. i. t&gt;8 Mark verlangte &#x2014; so war die<lb/>
äußere Lage der Professoren keine ungünstige, wenn auch die Berufung von<lb/>
Athen nach Rom für eine Auszeichnung galt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1032" next="#ID_1033"> Und nun noch ein Wort von den Studirenden. Jeder freigeborene junge<lb/>
Mann, welcher die Vorbildung zu habe» glaubte, um den Vortrügen der<lb/>
Sophisten oder Philosophen folgen zu können, hatte das Recht, in Athen z»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0336] Erfreulicher war die Thätigkeit des Kurators bei Neubesetzung erledigter Professuren. War eine sophistische Lehrkanzel, ein -.'/yovox sog-»«'»-»«»?, zu be¬ setzen, so schrieb er einen Konkurs aus, zu welchem berühmte auswärtige Sophisten auch ausdrücklich eingeladen wurden, umgab sich mit einem Beirath ans Mitgliedern der Hochschule und der städtischen Behörden und verlieh nach dem Erfolg der öffentlichen cleelairmtio die fragliche Professur. Anders verhielt es sich von jeher mit der Besetzung der philosophischen Professuren; hier hatte die Schule, deren erledigt war, das Wahlrecht und der Kurator nur die Bestätigung. Bei der Anstellung aller Professoren aber sollte darauf ge¬ sehen werden, daß nur Männer von der lautersten Lebensführung in die Lehranstalten einrückten, und erst seit dem vierten Jahrhundert häufen sich die Beispiele vom Gegentheil; von da an begegnet man banausischen Naturen, die bei einem ungeregelten und ausschweifenden Leben auf die finanzielle Ausbeu¬ tung der Studirenden ausgingen, allerdings neben Erscheinungen von der sitt¬ lichen Würde eines Himerius. Um diese Zeit hatte indeß der Kurator schon fast alle« Einfluß auf die Besetzung der Lehrstühle verloren, denn auch das Recht der Wahl der sophistischen Professoren war im Laufe der Zeit in die Hände der Aristokratie von Athen gelegt worden. Nicht eben zum Vortheil der Sache; denn seit der Einführung dieses Wahlmodus begannen die heftigen Parteikämpfe unter den Lehrern, welche die ganze Stadt, die akademische Ju¬ gend und die heimatlichen Provinzen, aus denen diese stammte, in Mitleiden¬ schaft zogen. Begreiflich war aber diese Veränderung in der Verfassung der Hochschule; denn der Gehalt ihrer Professoren wurde nicht von dem kaiserlichen Fiskus, sondern aus dem städtischen Aerar bezahlt. So beschränkte sich die verfassungsmäßige Thätigkeit des Kurators immer mehr auf die rein richter¬ liche, denn in die inneren Verhältnisse der Hochschule griff er nicht ein; wenn es zu Klagen oder ärgerlichen Auftritten von öffentlicher Notorietät kam, ließ er der Thätigkeit der Lehrer freien Spielraum. Die Professuren in Athen wurden übrigens mit Eifer erstrebt; der Jahres¬ gehalt der sophistischen und philosophischen Lehrstühle belief sich auf 7500 Mark nach unserem Gelde, und da die immer zahlreichen Studirenden daneben verpflichtet waren, ein nicht unbeträchtliches Honorar zu zahlen — wir wissen z. B., daß Proclus Naueratites von jedem Zuhörer für den Besuch aller seiner Vorlesungen jährlich 100 Drachmen, d. i. t>8 Mark verlangte — so war die äußere Lage der Professoren keine ungünstige, wenn auch die Berufung von Athen nach Rom für eine Auszeichnung galt. Und nun noch ein Wort von den Studirenden. Jeder freigeborene junge Mann, welcher die Vorbildung zu habe» glaubte, um den Vortrügen der Sophisten oder Philosophen folgen zu können, hatte das Recht, in Athen z»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/336
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/336>, abgerufen am 28.09.2024.