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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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die Zukunft Athens wußte er zu sorgen; denn an die Spitze von einzelnen
seiner Schulen, in denen Alles, was Griechisch redete, damals einen neuen
Mittelpunkt des nationalen Fühlens und Strebens gefunden hatte, stellte er
in: Jahre 125 besoldete Professoren und legte damit den Grund zu einer
Hochschule, die unter der sorgsamen Pflege seines Advptivsohnes und Nach¬
folgers Antoninus Pius als dauernde Schöpfung der kaiserlichen Fürsorge aus
diesen Anfängen emporwuchs. Antoninus Pius ließ nämlich an die Stelle der
Besoldungen einzelner Professoren eine Reihe von besoldeten Professuren treten,
deren Träger unter staatlicher Autorität lehrten, und stellte das gesammte
Schulwesen von Athen nnter den Schutz, aber auch unter die Aufsicht des
Staates, die indeß nach Normen geübt wurde, welche Lehrern und Schülern
noch eine große Freiheit der Bewegung verstatteten. Bei dieser Lage der
Dinge darf man Antonin's Stiftung mit Recht als eine Hochschule bezeichnen;
denn nnter staatlicher Autorität vermittelten ihre Professoren die höchste Bil¬
dung des fertigen Mannes ihrem Schülerkreise. Eine Universität in unserem
Sinne des Wortes war sie freilich nicht; schon deshalb uicht, weil nicht alle
Gebiete der Wissenschaft an ihr ihre Vertreter hatten und ihre Lehrer auch
uicht deu engeren Kreis des Wissens, auf den sich ihr Unterricht erstreckte,
nach einem auf gemeinsame methodische Wirksamkeit berechneten Plane ihren
Schülern zugänglich machten. Die Hochschule von Athen, einmal gegründet,
ging aber mit raschen Schritten den Zeiten ihrer höchsten Blüthe entgegen.
Schon unter Marcus Aurelius, dein Philosophen auf dem Throne, scheint Athen,
im Genusse der kaiserlichen Gunst, die höchste Zahl ausgezeichneter Lehrer und
die größte Menge von Schülern, die aus allen Weltgegenden am Muttersitze
der europäischen Bildung zusammenströmten, in seinen Mauern vereinigt zu
haben. Allein nicht lange erhielt sich die Hochschule in diesen: glänzenden Zu¬
stande. Seit Septimius Severus, also schon seit dem Ende des zweiten Jahr¬
hunderts, fingen die römischen Kaiser an, Athen zu vernachlässigen; im dritten
Jahrhundert untergruben erbitterte Zwistigkeiten unter den Schulhäuptern ihre
Wirksamkeit, im vierten Jahrhundert schädigte die Konkurrenz der aufblühenden
christlichen Schulen den Besuch der altgläubigen Hochschule. Aber diese blieb
doch immer noch so lebenskräftig, daß die Fürsorge des Kaisers Julian, der
sub im Jahre 354 mit leidenschaftlicher Liebe als ihr Zögling in dem athe¬
nischen Nachsommer des hellenischen Geisteslebens gesonnt hatte, mit dem Au-
tntt seiner Regierung sie rasch wieder zu neuer Blüthe emporbringen konnte.
Als jedoch dnrch Julian's Fall der Sieg des Christenthums über den Helle¬
nismus endgiltig entschieden war, da waren anch die guten Tage Athens zur
Neige gegangen; seine Hochschule verfiel von da an so rasch, daß es kaum


die Zukunft Athens wußte er zu sorgen; denn an die Spitze von einzelnen
seiner Schulen, in denen Alles, was Griechisch redete, damals einen neuen
Mittelpunkt des nationalen Fühlens und Strebens gefunden hatte, stellte er
in: Jahre 125 besoldete Professoren und legte damit den Grund zu einer
Hochschule, die unter der sorgsamen Pflege seines Advptivsohnes und Nach¬
folgers Antoninus Pius als dauernde Schöpfung der kaiserlichen Fürsorge aus
diesen Anfängen emporwuchs. Antoninus Pius ließ nämlich an die Stelle der
Besoldungen einzelner Professoren eine Reihe von besoldeten Professuren treten,
deren Träger unter staatlicher Autorität lehrten, und stellte das gesammte
Schulwesen von Athen nnter den Schutz, aber auch unter die Aufsicht des
Staates, die indeß nach Normen geübt wurde, welche Lehrern und Schülern
noch eine große Freiheit der Bewegung verstatteten. Bei dieser Lage der
Dinge darf man Antonin's Stiftung mit Recht als eine Hochschule bezeichnen;
denn nnter staatlicher Autorität vermittelten ihre Professoren die höchste Bil¬
dung des fertigen Mannes ihrem Schülerkreise. Eine Universität in unserem
Sinne des Wortes war sie freilich nicht; schon deshalb uicht, weil nicht alle
Gebiete der Wissenschaft an ihr ihre Vertreter hatten und ihre Lehrer auch
uicht deu engeren Kreis des Wissens, auf den sich ihr Unterricht erstreckte,
nach einem auf gemeinsame methodische Wirksamkeit berechneten Plane ihren
Schülern zugänglich machten. Die Hochschule von Athen, einmal gegründet,
ging aber mit raschen Schritten den Zeiten ihrer höchsten Blüthe entgegen.
Schon unter Marcus Aurelius, dein Philosophen auf dem Throne, scheint Athen,
im Genusse der kaiserlichen Gunst, die höchste Zahl ausgezeichneter Lehrer und
die größte Menge von Schülern, die aus allen Weltgegenden am Muttersitze
der europäischen Bildung zusammenströmten, in seinen Mauern vereinigt zu
haben. Allein nicht lange erhielt sich die Hochschule in diesen: glänzenden Zu¬
stande. Seit Septimius Severus, also schon seit dem Ende des zweiten Jahr¬
hunderts, fingen die römischen Kaiser an, Athen zu vernachlässigen; im dritten
Jahrhundert untergruben erbitterte Zwistigkeiten unter den Schulhäuptern ihre
Wirksamkeit, im vierten Jahrhundert schädigte die Konkurrenz der aufblühenden
christlichen Schulen den Besuch der altgläubigen Hochschule. Aber diese blieb
doch immer noch so lebenskräftig, daß die Fürsorge des Kaisers Julian, der
sub im Jahre 354 mit leidenschaftlicher Liebe als ihr Zögling in dem athe¬
nischen Nachsommer des hellenischen Geisteslebens gesonnt hatte, mit dem Au-
tntt seiner Regierung sie rasch wieder zu neuer Blüthe emporbringen konnte.
Als jedoch dnrch Julian's Fall der Sieg des Christenthums über den Helle¬
nismus endgiltig entschieden war, da waren anch die guten Tage Athens zur
Neige gegangen; seine Hochschule verfiel von da an so rasch, daß es kaum


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[0331] die Zukunft Athens wußte er zu sorgen; denn an die Spitze von einzelnen seiner Schulen, in denen Alles, was Griechisch redete, damals einen neuen Mittelpunkt des nationalen Fühlens und Strebens gefunden hatte, stellte er in: Jahre 125 besoldete Professoren und legte damit den Grund zu einer Hochschule, die unter der sorgsamen Pflege seines Advptivsohnes und Nach¬ folgers Antoninus Pius als dauernde Schöpfung der kaiserlichen Fürsorge aus diesen Anfängen emporwuchs. Antoninus Pius ließ nämlich an die Stelle der Besoldungen einzelner Professoren eine Reihe von besoldeten Professuren treten, deren Träger unter staatlicher Autorität lehrten, und stellte das gesammte Schulwesen von Athen nnter den Schutz, aber auch unter die Aufsicht des Staates, die indeß nach Normen geübt wurde, welche Lehrern und Schülern noch eine große Freiheit der Bewegung verstatteten. Bei dieser Lage der Dinge darf man Antonin's Stiftung mit Recht als eine Hochschule bezeichnen; denn nnter staatlicher Autorität vermittelten ihre Professoren die höchste Bil¬ dung des fertigen Mannes ihrem Schülerkreise. Eine Universität in unserem Sinne des Wortes war sie freilich nicht; schon deshalb uicht, weil nicht alle Gebiete der Wissenschaft an ihr ihre Vertreter hatten und ihre Lehrer auch uicht deu engeren Kreis des Wissens, auf den sich ihr Unterricht erstreckte, nach einem auf gemeinsame methodische Wirksamkeit berechneten Plane ihren Schülern zugänglich machten. Die Hochschule von Athen, einmal gegründet, ging aber mit raschen Schritten den Zeiten ihrer höchsten Blüthe entgegen. Schon unter Marcus Aurelius, dein Philosophen auf dem Throne, scheint Athen, im Genusse der kaiserlichen Gunst, die höchste Zahl ausgezeichneter Lehrer und die größte Menge von Schülern, die aus allen Weltgegenden am Muttersitze der europäischen Bildung zusammenströmten, in seinen Mauern vereinigt zu haben. Allein nicht lange erhielt sich die Hochschule in diesen: glänzenden Zu¬ stande. Seit Septimius Severus, also schon seit dem Ende des zweiten Jahr¬ hunderts, fingen die römischen Kaiser an, Athen zu vernachlässigen; im dritten Jahrhundert untergruben erbitterte Zwistigkeiten unter den Schulhäuptern ihre Wirksamkeit, im vierten Jahrhundert schädigte die Konkurrenz der aufblühenden christlichen Schulen den Besuch der altgläubigen Hochschule. Aber diese blieb doch immer noch so lebenskräftig, daß die Fürsorge des Kaisers Julian, der sub im Jahre 354 mit leidenschaftlicher Liebe als ihr Zögling in dem athe¬ nischen Nachsommer des hellenischen Geisteslebens gesonnt hatte, mit dem Au- tntt seiner Regierung sie rasch wieder zu neuer Blüthe emporbringen konnte. Als jedoch dnrch Julian's Fall der Sieg des Christenthums über den Helle¬ nismus endgiltig entschieden war, da waren anch die guten Tage Athens zur Neige gegangen; seine Hochschule verfiel von da an so rasch, daß es kaum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/331>, abgerufen am 28.09.2024.