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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Athens) seit den Zeiten des Peisisiratvs der Hauptsitz griechischer Bildung,
hatte auch in den trüben Tagen des Untergangs der politischen Selbständigkeit
Griechenlands und seiner Botmäßigkeit unter römischer Gewalt mit hingeben¬
den Eifer die Pflege der Wissenschaft geübt. In der Stadt Platon's war
die Philosophie heimatberechtigt geblieben; hier lehrten Rhetoren die Kunst stil¬
gerechter, sprachgewandter lind gefälliger Rede; und den Inbegriff desjenigen Wissens
und Könnens, welches die humane Bildung des freigebvrenen Mannes aus¬
macht, in den Schulen Athens erwarben ihn sich nicht bloß Söhne des eigenen
Landes, auch Fremde in immer zunehmender Menge seit dem Beginne der
römischen Kaiserzeit. Als uun seit dem zweiten christlichen Jahrhundert die
jüngern Sophisten -- glänzende Redner im Besitz der höchsten wissenschaftlichen
Bildung ihres Zeitalters, die ihre Kunst schulmäßig lehrten und in öffentlichen
Probeleistungen vor einem zahlreichen, gebildeten und bis zur leidenschaftlichen
Parteinahme interessirten Zuhörerkreise mit ihren Berufsgenossen um die Palme
rangen -- als diese Sophisten seit dem zweiten christlichen Jahrhundert eine
neue Blüthe der griechischen Literatur herausführten, die im vierten Jahr¬
hundert ihren Höhepunkt erreichte, um dann rasch und für immer in dem
Kampfe mit dem Christenthum abzuwelken, da war es abermals Athen, welches
einen der Lebensheerde dieser wissenschaftlichen Bewegung bildete.

Zu dieser Leistung wurde es zum Theil durch kaiserliche Gunst befähigt.
Wie schon im Zeitalter der Diadvchen einzelne Fürsten und hervorragende
Städte angesehene Gelehrte und Lehrer im Interesse der Wissenschaft und
ihres eigenen Ruhmes durch einen Ehrensold belohnt hatten, so begann da¬
mals auch eine Reihe von römischen Kaisern die Thätigkeit der Sophisten
durch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu fördern. Zuerst Aelius
Hadrianus. Dieser feine Kenner und eifrige Bewunderer griechischer Bildung
erstreckte seiue kaiserliche Fürsorge zwar auf alle Gelehrten und Künstler, die
seinem Geschmack huldigten, aber die ganze Fülle seines Wohlwollens wandte
er doch Athen zu. In dankbarer Pietät für ihre große Vergangenheit schmückte
er die Stadt mit Prachtbauten, die er der Kommune überwies; in lebendiger
Theilnahme an dem wissenschaftlichen Leben, das Athens damalige Gegenwart
bewegte, verlieh er seinen Schulen bei seinem Aufenthalte in Griechenland da¬
durch einen besondern Glanz, daß er es nicht verschmähte, die Rolle des
Kampfrichters in ihren gelehrten Wettkämpfen zu übernehmen. Und auch für



Der hier behandelte Stoff ist theils von dem Redner bei früheren kirchengeschicht¬
lichen Studien über Julian den Abtrünnigen n"d den Kirchenvater Hieronymus gesammelt
worden, theils hat ihn sein von ihm hochverehrter Lehrer C, Fr. Weber in dem Marburger
Festprogramm zur Mvjahrigen Jubelfeier der Universität Jena im Jahre 1W8 in erschöp¬
fender Fülle zusammengestellt, ans das er hier der Kürze halber zu verweisen sich erlaubt-

Athens) seit den Zeiten des Peisisiratvs der Hauptsitz griechischer Bildung,
hatte auch in den trüben Tagen des Untergangs der politischen Selbständigkeit
Griechenlands und seiner Botmäßigkeit unter römischer Gewalt mit hingeben¬
den Eifer die Pflege der Wissenschaft geübt. In der Stadt Platon's war
die Philosophie heimatberechtigt geblieben; hier lehrten Rhetoren die Kunst stil¬
gerechter, sprachgewandter lind gefälliger Rede; und den Inbegriff desjenigen Wissens
und Könnens, welches die humane Bildung des freigebvrenen Mannes aus¬
macht, in den Schulen Athens erwarben ihn sich nicht bloß Söhne des eigenen
Landes, auch Fremde in immer zunehmender Menge seit dem Beginne der
römischen Kaiserzeit. Als uun seit dem zweiten christlichen Jahrhundert die
jüngern Sophisten — glänzende Redner im Besitz der höchsten wissenschaftlichen
Bildung ihres Zeitalters, die ihre Kunst schulmäßig lehrten und in öffentlichen
Probeleistungen vor einem zahlreichen, gebildeten und bis zur leidenschaftlichen
Parteinahme interessirten Zuhörerkreise mit ihren Berufsgenossen um die Palme
rangen — als diese Sophisten seit dem zweiten christlichen Jahrhundert eine
neue Blüthe der griechischen Literatur herausführten, die im vierten Jahr¬
hundert ihren Höhepunkt erreichte, um dann rasch und für immer in dem
Kampfe mit dem Christenthum abzuwelken, da war es abermals Athen, welches
einen der Lebensheerde dieser wissenschaftlichen Bewegung bildete.

Zu dieser Leistung wurde es zum Theil durch kaiserliche Gunst befähigt.
Wie schon im Zeitalter der Diadvchen einzelne Fürsten und hervorragende
Städte angesehene Gelehrte und Lehrer im Interesse der Wissenschaft und
ihres eigenen Ruhmes durch einen Ehrensold belohnt hatten, so begann da¬
mals auch eine Reihe von römischen Kaisern die Thätigkeit der Sophisten
durch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu fördern. Zuerst Aelius
Hadrianus. Dieser feine Kenner und eifrige Bewunderer griechischer Bildung
erstreckte seiue kaiserliche Fürsorge zwar auf alle Gelehrten und Künstler, die
seinem Geschmack huldigten, aber die ganze Fülle seines Wohlwollens wandte
er doch Athen zu. In dankbarer Pietät für ihre große Vergangenheit schmückte
er die Stadt mit Prachtbauten, die er der Kommune überwies; in lebendiger
Theilnahme an dem wissenschaftlichen Leben, das Athens damalige Gegenwart
bewegte, verlieh er seinen Schulen bei seinem Aufenthalte in Griechenland da¬
durch einen besondern Glanz, daß er es nicht verschmähte, die Rolle des
Kampfrichters in ihren gelehrten Wettkämpfen zu übernehmen. Und auch für



Der hier behandelte Stoff ist theils von dem Redner bei früheren kirchengeschicht¬
lichen Studien über Julian den Abtrünnigen n»d den Kirchenvater Hieronymus gesammelt
worden, theils hat ihn sein von ihm hochverehrter Lehrer C, Fr. Weber in dem Marburger
Festprogramm zur Mvjahrigen Jubelfeier der Universität Jena im Jahre 1W8 in erschöp¬
fender Fülle zusammengestellt, ans das er hier der Kürze halber zu verweisen sich erlaubt-
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[0330] Athens) seit den Zeiten des Peisisiratvs der Hauptsitz griechischer Bildung, hatte auch in den trüben Tagen des Untergangs der politischen Selbständigkeit Griechenlands und seiner Botmäßigkeit unter römischer Gewalt mit hingeben¬ den Eifer die Pflege der Wissenschaft geübt. In der Stadt Platon's war die Philosophie heimatberechtigt geblieben; hier lehrten Rhetoren die Kunst stil¬ gerechter, sprachgewandter lind gefälliger Rede; und den Inbegriff desjenigen Wissens und Könnens, welches die humane Bildung des freigebvrenen Mannes aus¬ macht, in den Schulen Athens erwarben ihn sich nicht bloß Söhne des eigenen Landes, auch Fremde in immer zunehmender Menge seit dem Beginne der römischen Kaiserzeit. Als uun seit dem zweiten christlichen Jahrhundert die jüngern Sophisten — glänzende Redner im Besitz der höchsten wissenschaftlichen Bildung ihres Zeitalters, die ihre Kunst schulmäßig lehrten und in öffentlichen Probeleistungen vor einem zahlreichen, gebildeten und bis zur leidenschaftlichen Parteinahme interessirten Zuhörerkreise mit ihren Berufsgenossen um die Palme rangen — als diese Sophisten seit dem zweiten christlichen Jahrhundert eine neue Blüthe der griechischen Literatur herausführten, die im vierten Jahr¬ hundert ihren Höhepunkt erreichte, um dann rasch und für immer in dem Kampfe mit dem Christenthum abzuwelken, da war es abermals Athen, welches einen der Lebensheerde dieser wissenschaftlichen Bewegung bildete. Zu dieser Leistung wurde es zum Theil durch kaiserliche Gunst befähigt. Wie schon im Zeitalter der Diadvchen einzelne Fürsten und hervorragende Städte angesehene Gelehrte und Lehrer im Interesse der Wissenschaft und ihres eigenen Ruhmes durch einen Ehrensold belohnt hatten, so begann da¬ mals auch eine Reihe von römischen Kaisern die Thätigkeit der Sophisten durch Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln zu fördern. Zuerst Aelius Hadrianus. Dieser feine Kenner und eifrige Bewunderer griechischer Bildung erstreckte seiue kaiserliche Fürsorge zwar auf alle Gelehrten und Künstler, die seinem Geschmack huldigten, aber die ganze Fülle seines Wohlwollens wandte er doch Athen zu. In dankbarer Pietät für ihre große Vergangenheit schmückte er die Stadt mit Prachtbauten, die er der Kommune überwies; in lebendiger Theilnahme an dem wissenschaftlichen Leben, das Athens damalige Gegenwart bewegte, verlieh er seinen Schulen bei seinem Aufenthalte in Griechenland da¬ durch einen besondern Glanz, daß er es nicht verschmähte, die Rolle des Kampfrichters in ihren gelehrten Wettkämpfen zu übernehmen. Und auch für Der hier behandelte Stoff ist theils von dem Redner bei früheren kirchengeschicht¬ lichen Studien über Julian den Abtrünnigen n»d den Kirchenvater Hieronymus gesammelt worden, theils hat ihn sein von ihm hochverehrter Lehrer C, Fr. Weber in dem Marburger Festprogramm zur Mvjahrigen Jubelfeier der Universität Jena im Jahre 1W8 in erschöp¬ fender Fülle zusammengestellt, ans das er hier der Kürze halber zu verweisen sich erlaubt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/330>, abgerufen am 28.09.2024.