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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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ältere Leser der drolligen Geschichte, wie er die Doetorenfabrik zu Wittenberg
mit seinem Hunde hinter's Licht führte; den Meisten aber wird sie unbekannt
oder wenigstens nicht bekannt sein, daß Hommel der Spaßvogel und die ^.Inn
Ug.or Wittenberg die Gefoppte war, und so wollen wir die hübsche Anekdote
dem Verfasser unserer Schrift nacherzählen. Vorher aber sei noch bemerkt,
daß der schändliche Unfug, den Hommel damals lächerlich machte, damals und
fast ein halbes Jahrhundert später noch auch in Leipzig und vor kaum
zwei Decennien fast an allen kleinen deutschen Hochschulen Usus war. Die
wittenberger Philosopheufakultät nämlich pflegte damals anch Abwesende zu
Magistern der sieben freien Künste zu stempeln, wenn sie nnr eine geschriebene
Abhandlung und -- was die Hauptsache war -- das übliche Honorar in voll¬
wichtigen Dukaten oder Louisd'or einschickten. Hommel spielte den Herren
daraufhin den Schabernack, daß er für seinen schwarzen Hund Hesper eine
Dissertation schrieb, diese nebst dem Honorar nach Wittenberg schickte und Hes-
pers Graduirnng in dessen Namen begehrte, natürlich ohne dessen Gewerbe
als bellender Vierfüßler zu nennen. Sofort erfolgte an seine Adresse der Per¬
gamentbogen des Diploms mit der Ueberschrift: "KiÄtuIkmur Domino Ilespero"
n. s. w. Hommel gab darauf seinen Freunden den herkömmlichen Magister-
schmaus, bei welchem er seinen Hesper mit dem Diplome am Halse auf einem
Lehnstuhle obenan sitzen ließ. Er war ein wohlhabender Mann, und so wurde
gut aufgetischt und die Gesundheit Magister Hespers in trefflichen Weinen ge-
trunken. Die Sache sprach sich natürlich herum, und die schwergekränkten
Spender des Titels hingen Hommel eine Injurienklage an, dieser aber bezahlte
mit Vergnügen die Geldstrafe, die ihm dafür, daß er einen garstigen Mißbrauch
drastisch gerügt hatte, auferlegt wurde.

Ein anderes hübsches Histörchen von ihm ist folgendes. In seinem Garten
hatte er auf dem hohen Schornstein des dort befindlichen Pavillons eine Figur
anbringen lassen, die einen Schornsteinfeger in Lebensgröße vorstellte. Die
Zunft der Essenkehrer, die in Leipzig sich wegen der vielen hohen Hänser be¬
sonderer Vorrechte erfreute, nahm das übel und fühlte sich so beleidigt, daß
die würdigen Meister beschlösse", deu Doctor in corjwrv darüber zur Rede
zu stellen. Dieß geschah, und Hommel wurde zufällig von seinem Fenster aus
gewahr, wie die Gesellschaft gegen seine Hausthüre anrückte. Schnell legte er
seine große Staatsperrücke und sein bestes Kleid an, ging deu Herren entgegen
und fragte, womit er ihnen dienen könne. Der wortführende Brandmeister
machte eine wichtige Miene und ließ sich vernehmen, daß er und seine Kon¬
sorten sich durch jenen schwarze" Maun, der sammt seinem Besen die Stelle
gar nicht verlassen wollte, sehr beleidigt fühlten; wie der Herr Professor als
hvchgelahrler Manu sie nnr so kränken könne. "Aber was wollen Sie, meine


ältere Leser der drolligen Geschichte, wie er die Doetorenfabrik zu Wittenberg
mit seinem Hunde hinter's Licht führte; den Meisten aber wird sie unbekannt
oder wenigstens nicht bekannt sein, daß Hommel der Spaßvogel und die ^.Inn
Ug.or Wittenberg die Gefoppte war, und so wollen wir die hübsche Anekdote
dem Verfasser unserer Schrift nacherzählen. Vorher aber sei noch bemerkt,
daß der schändliche Unfug, den Hommel damals lächerlich machte, damals und
fast ein halbes Jahrhundert später noch auch in Leipzig und vor kaum
zwei Decennien fast an allen kleinen deutschen Hochschulen Usus war. Die
wittenberger Philosopheufakultät nämlich pflegte damals anch Abwesende zu
Magistern der sieben freien Künste zu stempeln, wenn sie nnr eine geschriebene
Abhandlung und — was die Hauptsache war — das übliche Honorar in voll¬
wichtigen Dukaten oder Louisd'or einschickten. Hommel spielte den Herren
daraufhin den Schabernack, daß er für seinen schwarzen Hund Hesper eine
Dissertation schrieb, diese nebst dem Honorar nach Wittenberg schickte und Hes-
pers Graduirnng in dessen Namen begehrte, natürlich ohne dessen Gewerbe
als bellender Vierfüßler zu nennen. Sofort erfolgte an seine Adresse der Per¬
gamentbogen des Diploms mit der Ueberschrift: „KiÄtuIkmur Domino Ilespero"
n. s. w. Hommel gab darauf seinen Freunden den herkömmlichen Magister-
schmaus, bei welchem er seinen Hesper mit dem Diplome am Halse auf einem
Lehnstuhle obenan sitzen ließ. Er war ein wohlhabender Mann, und so wurde
gut aufgetischt und die Gesundheit Magister Hespers in trefflichen Weinen ge-
trunken. Die Sache sprach sich natürlich herum, und die schwergekränkten
Spender des Titels hingen Hommel eine Injurienklage an, dieser aber bezahlte
mit Vergnügen die Geldstrafe, die ihm dafür, daß er einen garstigen Mißbrauch
drastisch gerügt hatte, auferlegt wurde.

Ein anderes hübsches Histörchen von ihm ist folgendes. In seinem Garten
hatte er auf dem hohen Schornstein des dort befindlichen Pavillons eine Figur
anbringen lassen, die einen Schornsteinfeger in Lebensgröße vorstellte. Die
Zunft der Essenkehrer, die in Leipzig sich wegen der vielen hohen Hänser be¬
sonderer Vorrechte erfreute, nahm das übel und fühlte sich so beleidigt, daß
die würdigen Meister beschlösse», deu Doctor in corjwrv darüber zur Rede
zu stellen. Dieß geschah, und Hommel wurde zufällig von seinem Fenster aus
gewahr, wie die Gesellschaft gegen seine Hausthüre anrückte. Schnell legte er
seine große Staatsperrücke und sein bestes Kleid an, ging deu Herren entgegen
und fragte, womit er ihnen dienen könne. Der wortführende Brandmeister
machte eine wichtige Miene und ließ sich vernehmen, daß er und seine Kon¬
sorten sich durch jenen schwarze» Maun, der sammt seinem Besen die Stelle
gar nicht verlassen wollte, sehr beleidigt fühlten; wie der Herr Professor als
hvchgelahrler Manu sie nnr so kränken könne. „Aber was wollen Sie, meine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/315>, abgerufen am 29.09.2024.