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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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nannt "der glißende Wolf", welcher Eberhard ebenfalls beschuldigte, ihm sein
väterliches Erbe genommen zu haben, und suchte sich durch einen kecken Hand¬
streich der Person des verhaßten Gegners zu bemächtigen. Dies ist die Episode,
die Uhland in der ersten von den vier Balladen: "Der Ueberfall im
Wild bad" dargestellt hat. Crusius überliefert die Rettung des Greiners in
doppelter Weise. Er sagt wörtlich: "Im Jahre 1367 war eine Fehde zwischen
dem Grafen Eberhard von Wirtenberg und den Grafen von Eberstain. Und
als der Wirtemberger eines Tages im warmen Bad im Walde war, kam der
Graf von Eberstain heimlich mit einem Heere und hoffte, er werde sich dort
des Gegners bemächtigen können. Dieser aber wurde von einem Bauer bei
Nacht durch den Wald in Sicherheit gebracht und entrann der Gefahr ....
Anderwärts liest man, daß der Graf von Wirtenberg, als er hinterlistig von
seinem Feinde angegriffen wurde, von einem Menschen auf dem Rücken über
die Berge getragen worden sei. Drum habe er zum Gedächtniß daran eine
silberne Münze geprägt, auf bereu einer Seite ein Kreuz, auf der andern eine
Hand war .... Später wurde die Stelle des Bades mit eiuer Mauer um¬
geben". Dies ist aber auch alles, was Uhland bei Crusius vorfand. Den
Wolf von Wuttnensteitt als zweiten Anführer kann er nur aus Sattler's "Histo¬
rischer Beschreibung des Herzogthums Württemberg" genommen haben. Da¬
gegen weicht er von diesem offenbar geflissentlich darin ab und folgt wieder
Crusius, daß er den Greiner bei dem Ueberfall nicht von seiner Familie,
namentlich nicht von seinem Sohne Ulrich, begleitet sein läßt; neben dem
Hirten, der den Vater rettet, und den der Dichter nnter keiner Bedingung
aufgeben durfte, würde der Sohn so gut wie keine Rolle gespielt haben. Aus
Crusius stammen jedenfalls auch die Angaben über die Wappen der beiden
Anführer, die Rose und der Eber der Ebersteiner und die drei Beile des
Wunnensteiners. Daneben ist es nun interessant zu sehen, wie eine Reihe
andrer, nebensächlicher Züge aus einer sehr modernen Quelle geflossen sind.
Uhland läßt deu Rauschebart auf seinem Ritte von Stuttgart ins Wildbad in
Hirsen einkehren und dann in Wildbad selbst im Gasthaus zum Spieß am
Markt absteigen:


Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein;
Dann geht's durch Tannenwälder in's grüne Thal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.
Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Hans;
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast.

und wie wir dann den Alten in's Bad begleiten, erzählt der Dichter bei¬
läufig :


nannt „der glißende Wolf", welcher Eberhard ebenfalls beschuldigte, ihm sein
väterliches Erbe genommen zu haben, und suchte sich durch einen kecken Hand¬
streich der Person des verhaßten Gegners zu bemächtigen. Dies ist die Episode,
die Uhland in der ersten von den vier Balladen: „Der Ueberfall im
Wild bad" dargestellt hat. Crusius überliefert die Rettung des Greiners in
doppelter Weise. Er sagt wörtlich: „Im Jahre 1367 war eine Fehde zwischen
dem Grafen Eberhard von Wirtenberg und den Grafen von Eberstain. Und
als der Wirtemberger eines Tages im warmen Bad im Walde war, kam der
Graf von Eberstain heimlich mit einem Heere und hoffte, er werde sich dort
des Gegners bemächtigen können. Dieser aber wurde von einem Bauer bei
Nacht durch den Wald in Sicherheit gebracht und entrann der Gefahr ....
Anderwärts liest man, daß der Graf von Wirtenberg, als er hinterlistig von
seinem Feinde angegriffen wurde, von einem Menschen auf dem Rücken über
die Berge getragen worden sei. Drum habe er zum Gedächtniß daran eine
silberne Münze geprägt, auf bereu einer Seite ein Kreuz, auf der andern eine
Hand war .... Später wurde die Stelle des Bades mit eiuer Mauer um¬
geben". Dies ist aber auch alles, was Uhland bei Crusius vorfand. Den
Wolf von Wuttnensteitt als zweiten Anführer kann er nur aus Sattler's „Histo¬
rischer Beschreibung des Herzogthums Württemberg" genommen haben. Da¬
gegen weicht er von diesem offenbar geflissentlich darin ab und folgt wieder
Crusius, daß er den Greiner bei dem Ueberfall nicht von seiner Familie,
namentlich nicht von seinem Sohne Ulrich, begleitet sein läßt; neben dem
Hirten, der den Vater rettet, und den der Dichter nnter keiner Bedingung
aufgeben durfte, würde der Sohn so gut wie keine Rolle gespielt haben. Aus
Crusius stammen jedenfalls auch die Angaben über die Wappen der beiden
Anführer, die Rose und der Eber der Ebersteiner und die drei Beile des
Wunnensteiners. Daneben ist es nun interessant zu sehen, wie eine Reihe
andrer, nebensächlicher Züge aus einer sehr modernen Quelle geflossen sind.
Uhland läßt deu Rauschebart auf seinem Ritte von Stuttgart ins Wildbad in
Hirsen einkehren und dann in Wildbad selbst im Gasthaus zum Spieß am
Markt absteigen:


Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein;
Dann geht's durch Tannenwälder in's grüne Thal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.
Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Hans;
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast.

und wie wir dann den Alten in's Bad begleiten, erzählt der Dichter bei¬
läufig :


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/300>, abgerufen am 28.09.2024.