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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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war, vielfach für Uhland's Quelle gehalten hatte. Die Bekanntschaft des
Dichters mit dem entlegenen Byzantiner ist jedoch an sich unwahrscheinlich
und durch nichts nachzuweisen, während sich Uhland mit den "^nimles Sueviei"
aufs eingehendste beschäftigt hatte. Uebrigens hat keine der andern angeblichen
Quelleu den einen prächtigen Zug, daß der Schwabe nicht eher ans seiner
Seelenruhe gebracht wird, als bis ihn einer der Türken mit dem Säbel an¬
greift, und daß er dann, wie zur bequemeren Halbirnng des Türken, erst dem
Pferde die Vorderfüße abhaut. Der enge Anschluß an die Quelle ist auch hier
unverkennbar. Treffend macht aber Eichholtz darauf aufmerksam, wie das in
der Sage mehr angedeutete als ausgeführte Bild des Helden durch Hervor¬
hebung der für ihn charakteristischen Eigenschaft der "schweigsamen Tüchtigkeit"
zu lebensvoller Plastik vom Dichter erst herausgearbeitet worden sei:


Der wackere Schwabe forcht sich nit
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und that mir spüttlich um sich blicken,
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
Ans ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut.

Vor allem ist es nun der herrliche Balladenkranz von "Eberhard dem
Rauschebart", der zum größten Theile aus Crusius' "Annalen" geschöpft ist.
Graf Eberhard von Würtemberg ragte -- wie die Geschichte Schwabens er¬
zählt -- neben den Helfensteinern und Oettingern am meisten unter deu schwä¬
bischen Grafen hervor, die in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Machtlosig¬
keit des Reiches und die allgemeine Rechtsunsicherheit zur Gründung einer
unabhängigen Hausmacht benutzten Gerade er wurde in diesen Bestrebungen
dadurch unterstützt, daß das Amt der niederschwäbischen Landvogtei, welches
die Aufgabe hatte, im Namen des Kaisers über die Aufrechterhaltung des
Landfriedens zu wachen, damals bei dein Hanse Würtemberg war. Dies Amt
bot ihm fortwährende Gelegenheit, auf Kosten der beiden streitenden Parteien,
der rauh- und fehdelustigen Ritter einerseits und der immer "nichtiger werdenden
Städte andererseits, sich selbst zu erheben, und so lebte denn Eberhard fast
stets in offener ober stiller Feindschaft mit den Rittern oder den Städtern.
Aus diesen Fehden hat Uhland den Stoff zu den vier Balladen entnommen,
die er unter dem Titel: "Graf Eberhard der Rauschebart" vereinigt hat und
die ohne Zweifel zu den glänzendsten Schöpfungen der deutschen Balladen¬
dichtung zählen.

Schon seit Jahren hatte sich Eberhard eine Art Anwartschaft ans Be¬
sitzungen der fehdelustigeu Raubgrafen von Eberstein zu verschaffen gewußt.
Diese erhoben sich 1367, unterstützt von Wolf von Stein zu Wunnenstein, ge-


war, vielfach für Uhland's Quelle gehalten hatte. Die Bekanntschaft des
Dichters mit dem entlegenen Byzantiner ist jedoch an sich unwahrscheinlich
und durch nichts nachzuweisen, während sich Uhland mit den „^nimles Sueviei"
aufs eingehendste beschäftigt hatte. Uebrigens hat keine der andern angeblichen
Quelleu den einen prächtigen Zug, daß der Schwabe nicht eher ans seiner
Seelenruhe gebracht wird, als bis ihn einer der Türken mit dem Säbel an¬
greift, und daß er dann, wie zur bequemeren Halbirnng des Türken, erst dem
Pferde die Vorderfüße abhaut. Der enge Anschluß an die Quelle ist auch hier
unverkennbar. Treffend macht aber Eichholtz darauf aufmerksam, wie das in
der Sage mehr angedeutete als ausgeführte Bild des Helden durch Hervor¬
hebung der für ihn charakteristischen Eigenschaft der „schweigsamen Tüchtigkeit"
zu lebensvoller Plastik vom Dichter erst herausgearbeitet worden sei:


Der wackere Schwabe forcht sich nit
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und that mir spüttlich um sich blicken,
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
Ans ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut.

Vor allem ist es nun der herrliche Balladenkranz von „Eberhard dem
Rauschebart", der zum größten Theile aus Crusius' „Annalen" geschöpft ist.
Graf Eberhard von Würtemberg ragte — wie die Geschichte Schwabens er¬
zählt — neben den Helfensteinern und Oettingern am meisten unter deu schwä¬
bischen Grafen hervor, die in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Machtlosig¬
keit des Reiches und die allgemeine Rechtsunsicherheit zur Gründung einer
unabhängigen Hausmacht benutzten Gerade er wurde in diesen Bestrebungen
dadurch unterstützt, daß das Amt der niederschwäbischen Landvogtei, welches
die Aufgabe hatte, im Namen des Kaisers über die Aufrechterhaltung des
Landfriedens zu wachen, damals bei dein Hanse Würtemberg war. Dies Amt
bot ihm fortwährende Gelegenheit, auf Kosten der beiden streitenden Parteien,
der rauh- und fehdelustigen Ritter einerseits und der immer »nichtiger werdenden
Städte andererseits, sich selbst zu erheben, und so lebte denn Eberhard fast
stets in offener ober stiller Feindschaft mit den Rittern oder den Städtern.
Aus diesen Fehden hat Uhland den Stoff zu den vier Balladen entnommen,
die er unter dem Titel: „Graf Eberhard der Rauschebart" vereinigt hat und
die ohne Zweifel zu den glänzendsten Schöpfungen der deutschen Balladen¬
dichtung zählen.

Schon seit Jahren hatte sich Eberhard eine Art Anwartschaft ans Be¬
sitzungen der fehdelustigeu Raubgrafen von Eberstein zu verschaffen gewußt.
Diese erhoben sich 1367, unterstützt von Wolf von Stein zu Wunnenstein, ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/299>, abgerufen am 28.09.2024.