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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Arm, und Abulfeda rechnet nach östlichen Längen vom ptolomäischen ersten
oder vom Meridian der Westküste Afrikas.

Wurde oben behauptet, daß die Araber eine Stadt, eine Insel oder ein
Schloß für den idealen Weltineridian erfinden mußten, so können wir hinzu¬
fügen, daß sie ihr Arin oder Azin, wenn nicht erfunden, doch entlehnt haben,
und zwar von den Indern. Diese besaßen nämlich einen Meridian, der über
die Insel Lanka und mitten durch ihr Land, also für sie mitten durch die Welt
ging. Dieser Meridian berührte die Stadt Odjein, den Focus hindostanischer
Gelehrsamkeit um jene Zeit, wo durch die arabischen Eroberungen eine heftige
Berührung beider Völker stattgefunden hatte und dauernder Verkehr geschaffen
wurde. In der Stadt Odjein in Malva hat man das Ozene des Ptolomäus
wieder erkennen wollen, und da sich durch die mangelhaften Schriftzeichen
der Araber ausländische Eigennamen nicht treu wiedergeben lassen, so ist dnrch
die Transmission der Name Odjein in Azin und dann sogar in Arin corrumpirt
worden. Nun war aber Lanka, welches das Taprobane der Alten und das
heutige Ceylon ist, im Gerüche, bösen Geistern zum Aufenthaltsort zu dienen.
Es ging die Sage, der Böse habe sich dort eine Festung erbaut, und man
machte sich ein Gewissen daraus, uach jener Gegend zu steuern. Daß dieß
sehr wahrscheinlich der Ursprung der Sage gewesen ist, die sich an den ara¬
bischen Weltineridian knüpft, deutet auch die Aeußerung des oben erwähnten
arabischen Kosmographen aus dem dreizehnten Jahrhundert an, welche den
Hofhält des Teufels in Arin als Erfindung der Perser oder Inder bezeichnet.

"Welchen seltsamen Weg", sagt Peschel, nehmen nicht oft die Objekte un¬
seres Wissens! So holen sich hier zuerst die Araber und Jndier einen idealen
Meridian. Wir sehen, wie ihre Astronomen auf den spanischen Observatorien
nach jener Theorie berechnen. Durch sie wird die lateinische Welt mit der
Methode bekannt, sie versetzt Albertus Magnus und Roger Bacon in Nach¬
denken, und endlich treffen wir auf Columbus, der bei Entzifferung eines
Phantastischen Problems jene theoretische Demarkationslinie zu Hülfe nimmt.
Und gewiß noch seltsamer ist es, daß mehr als drei Jahrhunderte nach Co¬
lumbus die alte Theorie von Neuem unsere Gelehrten beschäftigt und endlich
auch ihr wahrer Ursprung entdeckt wird."




Arm, und Abulfeda rechnet nach östlichen Längen vom ptolomäischen ersten
oder vom Meridian der Westküste Afrikas.

Wurde oben behauptet, daß die Araber eine Stadt, eine Insel oder ein
Schloß für den idealen Weltineridian erfinden mußten, so können wir hinzu¬
fügen, daß sie ihr Arin oder Azin, wenn nicht erfunden, doch entlehnt haben,
und zwar von den Indern. Diese besaßen nämlich einen Meridian, der über
die Insel Lanka und mitten durch ihr Land, also für sie mitten durch die Welt
ging. Dieser Meridian berührte die Stadt Odjein, den Focus hindostanischer
Gelehrsamkeit um jene Zeit, wo durch die arabischen Eroberungen eine heftige
Berührung beider Völker stattgefunden hatte und dauernder Verkehr geschaffen
wurde. In der Stadt Odjein in Malva hat man das Ozene des Ptolomäus
wieder erkennen wollen, und da sich durch die mangelhaften Schriftzeichen
der Araber ausländische Eigennamen nicht treu wiedergeben lassen, so ist dnrch
die Transmission der Name Odjein in Azin und dann sogar in Arin corrumpirt
worden. Nun war aber Lanka, welches das Taprobane der Alten und das
heutige Ceylon ist, im Gerüche, bösen Geistern zum Aufenthaltsort zu dienen.
Es ging die Sage, der Böse habe sich dort eine Festung erbaut, und man
machte sich ein Gewissen daraus, uach jener Gegend zu steuern. Daß dieß
sehr wahrscheinlich der Ursprung der Sage gewesen ist, die sich an den ara¬
bischen Weltineridian knüpft, deutet auch die Aeußerung des oben erwähnten
arabischen Kosmographen aus dem dreizehnten Jahrhundert an, welche den
Hofhält des Teufels in Arin als Erfindung der Perser oder Inder bezeichnet.

„Welchen seltsamen Weg", sagt Peschel, nehmen nicht oft die Objekte un¬
seres Wissens! So holen sich hier zuerst die Araber und Jndier einen idealen
Meridian. Wir sehen, wie ihre Astronomen auf den spanischen Observatorien
nach jener Theorie berechnen. Durch sie wird die lateinische Welt mit der
Methode bekannt, sie versetzt Albertus Magnus und Roger Bacon in Nach¬
denken, und endlich treffen wir auf Columbus, der bei Entzifferung eines
Phantastischen Problems jene theoretische Demarkationslinie zu Hülfe nimmt.
Und gewiß noch seltsamer ist es, daß mehr als drei Jahrhunderte nach Co¬
lumbus die alte Theorie von Neuem unsere Gelehrten beschäftigt und endlich
auch ihr wahrer Ursprung entdeckt wird."




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[0287] Arm, und Abulfeda rechnet nach östlichen Längen vom ptolomäischen ersten oder vom Meridian der Westküste Afrikas. Wurde oben behauptet, daß die Araber eine Stadt, eine Insel oder ein Schloß für den idealen Weltineridian erfinden mußten, so können wir hinzu¬ fügen, daß sie ihr Arin oder Azin, wenn nicht erfunden, doch entlehnt haben, und zwar von den Indern. Diese besaßen nämlich einen Meridian, der über die Insel Lanka und mitten durch ihr Land, also für sie mitten durch die Welt ging. Dieser Meridian berührte die Stadt Odjein, den Focus hindostanischer Gelehrsamkeit um jene Zeit, wo durch die arabischen Eroberungen eine heftige Berührung beider Völker stattgefunden hatte und dauernder Verkehr geschaffen wurde. In der Stadt Odjein in Malva hat man das Ozene des Ptolomäus wieder erkennen wollen, und da sich durch die mangelhaften Schriftzeichen der Araber ausländische Eigennamen nicht treu wiedergeben lassen, so ist dnrch die Transmission der Name Odjein in Azin und dann sogar in Arin corrumpirt worden. Nun war aber Lanka, welches das Taprobane der Alten und das heutige Ceylon ist, im Gerüche, bösen Geistern zum Aufenthaltsort zu dienen. Es ging die Sage, der Böse habe sich dort eine Festung erbaut, und man machte sich ein Gewissen daraus, uach jener Gegend zu steuern. Daß dieß sehr wahrscheinlich der Ursprung der Sage gewesen ist, die sich an den ara¬ bischen Weltineridian knüpft, deutet auch die Aeußerung des oben erwähnten arabischen Kosmographen aus dem dreizehnten Jahrhundert an, welche den Hofhält des Teufels in Arin als Erfindung der Perser oder Inder bezeichnet. „Welchen seltsamen Weg", sagt Peschel, nehmen nicht oft die Objekte un¬ seres Wissens! So holen sich hier zuerst die Araber und Jndier einen idealen Meridian. Wir sehen, wie ihre Astronomen auf den spanischen Observatorien nach jener Theorie berechnen. Durch sie wird die lateinische Welt mit der Methode bekannt, sie versetzt Albertus Magnus und Roger Bacon in Nach¬ denken, und endlich treffen wir auf Columbus, der bei Entzifferung eines Phantastischen Problems jene theoretische Demarkationslinie zu Hülfe nimmt. Und gewiß noch seltsamer ist es, daß mehr als drei Jahrhunderte nach Co¬ lumbus die alte Theorie von Neuem unsere Gelehrten beschäftigt und endlich auch ihr wahrer Ursprung entdeckt wird."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/287>, abgerufen am 28.09.2024.