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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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kimmts ganz wesentlich unter Kniphcmsenscher Flagge betrieben, so daß also
die Souveränetät des Grafen Bentinck nicht nur in der Einbildung bestand,
sondern eine völkerrechtliche Bedeutung und nicht unwichtige praktische Folgen
hatte. Man behauptet, die Flagge habe damals dem Grafen an 20,000 Thaler
eingetragen. Dem machte jedoch Napoleon bald ein Ende, indem er im Jahre 1807
die Herrlichkeit Kniphausen und die Herrschaft Varel mit Holland vereinigte.
Auch dies Verhältniß dauerte uicht lange. Durch den berüchtigten Senats -
Konsult vom 13. Dezember 1810 wurde ganz Holland und ein Theil von
Nord-Deutschland, mit Kniphausen und Varel, zu Fraukreich geschlagen.

Der Graf Bentinck, nunmehr blos Gutsbesitzer unter französischer Hoheit,
hatte sich zum Maire in Varel ernennen lassen. Als solcher nahm er im April
1813 offen Partei für die deutsche Sache und setzte sich selbst wieder in seine
Souveränetätsrechte ein. Er ward ergriffen und durch Urtheil einer zu
Wesel errichteten Spezial-Kommission vom 5. März 1813, als der Empörung
überführt, zu Landesverweisung und Einziehung aller seiner Güter zu Gunsten
des Staates verurtheilt. Unter immerwährender Lebensgefahr von Gefängniß
zu Gefängniß bis nach Paris geschleppt, wurde er hier erst nach dem Einrücken
der Verbündeten im April 1814 wieder auf freien Fuß gestellt.

Nach Vertreibung der Franzosen aus Deutschland und nachdem Herzog
Peter von Oldenburg vou seinen Landen wieder Besitz ergriffen, setzte dieser
die Sequestration der Bentinckschen Besitzungen, die noch von der französischen
Herrschaft her bestand, weiter fort. Nach langen Streitigkeiten und nach viel¬
fachen Reklamationen des Grafen Bentinck beim Wiener Kongresse, bei den
verschiedenen Regierungen, sowie auch endlich beim Bundestage kam schließlich
1825 das sogenannte Berliner Abkommen zu Stande. In Folge desselben
trat Graf Bentinck für sich und seiue Familie in Bezug auf die Herrlichkeit
Kniphausen wieder in den Besitz und Genuß der Landeshoheit ein. Es wurden
ferner alle mit dem Besitz verbundenen persönlichen Rechte und Vorzüge aner¬
kannt, wie dieselben vor Auflösung der deutschen Reichsverfassung zu Recht
bestanden, jedoch mit der Maßregel, daß der Herzog vou Oldenburg diejenigen
Hoheitsrechte auszuüben hatte, welche früher Kaiser und Reich zustanden. Die
frühere Souveränetät wurde also, wenn auch mit kleinen Einschränkungen, im
Prinzip vollständig wieder hergestellt, und die Herrlichkeit Kniphausen stand
nun unter dem Schutz des deutschen Bundes, wie früher nnter dem des
deutschen Reiches. Das staatsrechtliche Verhältniß von Varel blieb in der
Hauptsache so, ftvie es vor Auflösung des deutschen Reiches gewesen, d. h. die
Grafen Bentinck hatten dort wohl Hoheitsrechte auszuüben, die Souveränetät
kam jedoch den Herzögen von Oldenburg zu.

Wenn um durch das Berliner Abkommen dem Streite der Regierungen


kimmts ganz wesentlich unter Kniphcmsenscher Flagge betrieben, so daß also
die Souveränetät des Grafen Bentinck nicht nur in der Einbildung bestand,
sondern eine völkerrechtliche Bedeutung und nicht unwichtige praktische Folgen
hatte. Man behauptet, die Flagge habe damals dem Grafen an 20,000 Thaler
eingetragen. Dem machte jedoch Napoleon bald ein Ende, indem er im Jahre 1807
die Herrlichkeit Kniphausen und die Herrschaft Varel mit Holland vereinigte.
Auch dies Verhältniß dauerte uicht lange. Durch den berüchtigten Senats -
Konsult vom 13. Dezember 1810 wurde ganz Holland und ein Theil von
Nord-Deutschland, mit Kniphausen und Varel, zu Fraukreich geschlagen.

Der Graf Bentinck, nunmehr blos Gutsbesitzer unter französischer Hoheit,
hatte sich zum Maire in Varel ernennen lassen. Als solcher nahm er im April
1813 offen Partei für die deutsche Sache und setzte sich selbst wieder in seine
Souveränetätsrechte ein. Er ward ergriffen und durch Urtheil einer zu
Wesel errichteten Spezial-Kommission vom 5. März 1813, als der Empörung
überführt, zu Landesverweisung und Einziehung aller seiner Güter zu Gunsten
des Staates verurtheilt. Unter immerwährender Lebensgefahr von Gefängniß
zu Gefängniß bis nach Paris geschleppt, wurde er hier erst nach dem Einrücken
der Verbündeten im April 1814 wieder auf freien Fuß gestellt.

Nach Vertreibung der Franzosen aus Deutschland und nachdem Herzog
Peter von Oldenburg vou seinen Landen wieder Besitz ergriffen, setzte dieser
die Sequestration der Bentinckschen Besitzungen, die noch von der französischen
Herrschaft her bestand, weiter fort. Nach langen Streitigkeiten und nach viel¬
fachen Reklamationen des Grafen Bentinck beim Wiener Kongresse, bei den
verschiedenen Regierungen, sowie auch endlich beim Bundestage kam schließlich
1825 das sogenannte Berliner Abkommen zu Stande. In Folge desselben
trat Graf Bentinck für sich und seiue Familie in Bezug auf die Herrlichkeit
Kniphausen wieder in den Besitz und Genuß der Landeshoheit ein. Es wurden
ferner alle mit dem Besitz verbundenen persönlichen Rechte und Vorzüge aner¬
kannt, wie dieselben vor Auflösung der deutschen Reichsverfassung zu Recht
bestanden, jedoch mit der Maßregel, daß der Herzog vou Oldenburg diejenigen
Hoheitsrechte auszuüben hatte, welche früher Kaiser und Reich zustanden. Die
frühere Souveränetät wurde also, wenn auch mit kleinen Einschränkungen, im
Prinzip vollständig wieder hergestellt, und die Herrlichkeit Kniphausen stand
nun unter dem Schutz des deutschen Bundes, wie früher nnter dem des
deutschen Reiches. Das staatsrechtliche Verhältniß von Varel blieb in der
Hauptsache so, ftvie es vor Auflösung des deutschen Reiches gewesen, d. h. die
Grafen Bentinck hatten dort wohl Hoheitsrechte auszuüben, die Souveränetät
kam jedoch den Herzögen von Oldenburg zu.

Wenn um durch das Berliner Abkommen dem Streite der Regierungen


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[0276] kimmts ganz wesentlich unter Kniphcmsenscher Flagge betrieben, so daß also die Souveränetät des Grafen Bentinck nicht nur in der Einbildung bestand, sondern eine völkerrechtliche Bedeutung und nicht unwichtige praktische Folgen hatte. Man behauptet, die Flagge habe damals dem Grafen an 20,000 Thaler eingetragen. Dem machte jedoch Napoleon bald ein Ende, indem er im Jahre 1807 die Herrlichkeit Kniphausen und die Herrschaft Varel mit Holland vereinigte. Auch dies Verhältniß dauerte uicht lange. Durch den berüchtigten Senats - Konsult vom 13. Dezember 1810 wurde ganz Holland und ein Theil von Nord-Deutschland, mit Kniphausen und Varel, zu Fraukreich geschlagen. Der Graf Bentinck, nunmehr blos Gutsbesitzer unter französischer Hoheit, hatte sich zum Maire in Varel ernennen lassen. Als solcher nahm er im April 1813 offen Partei für die deutsche Sache und setzte sich selbst wieder in seine Souveränetätsrechte ein. Er ward ergriffen und durch Urtheil einer zu Wesel errichteten Spezial-Kommission vom 5. März 1813, als der Empörung überführt, zu Landesverweisung und Einziehung aller seiner Güter zu Gunsten des Staates verurtheilt. Unter immerwährender Lebensgefahr von Gefängniß zu Gefängniß bis nach Paris geschleppt, wurde er hier erst nach dem Einrücken der Verbündeten im April 1814 wieder auf freien Fuß gestellt. Nach Vertreibung der Franzosen aus Deutschland und nachdem Herzog Peter von Oldenburg vou seinen Landen wieder Besitz ergriffen, setzte dieser die Sequestration der Bentinckschen Besitzungen, die noch von der französischen Herrschaft her bestand, weiter fort. Nach langen Streitigkeiten und nach viel¬ fachen Reklamationen des Grafen Bentinck beim Wiener Kongresse, bei den verschiedenen Regierungen, sowie auch endlich beim Bundestage kam schließlich 1825 das sogenannte Berliner Abkommen zu Stande. In Folge desselben trat Graf Bentinck für sich und seiue Familie in Bezug auf die Herrlichkeit Kniphausen wieder in den Besitz und Genuß der Landeshoheit ein. Es wurden ferner alle mit dem Besitz verbundenen persönlichen Rechte und Vorzüge aner¬ kannt, wie dieselben vor Auflösung der deutschen Reichsverfassung zu Recht bestanden, jedoch mit der Maßregel, daß der Herzog vou Oldenburg diejenigen Hoheitsrechte auszuüben hatte, welche früher Kaiser und Reich zustanden. Die frühere Souveränetät wurde also, wenn auch mit kleinen Einschränkungen, im Prinzip vollständig wieder hergestellt, und die Herrlichkeit Kniphausen stand nun unter dem Schutz des deutschen Bundes, wie früher nnter dem des deutschen Reiches. Das staatsrechtliche Verhältniß von Varel blieb in der Hauptsache so, ftvie es vor Auflösung des deutschen Reiches gewesen, d. h. die Grafen Bentinck hatten dort wohl Hoheitsrechte auszuüben, die Souveränetät kam jedoch den Herzögen von Oldenburg zu. Wenn um durch das Berliner Abkommen dem Streite der Regierungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/276>, abgerufen am 30.09.2024.