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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Daß er viel besser weiß als wir, was seine Hoheit
Erheischt.....Darum sei ruhig und handhabe
Das Erste, das Gesetz."

"Sie wollen Dir die Flügel beschneiden", das ist Belzebubs hohnlachen¬
der Commentar zu diesem Gebote des abgehenden Gabriel.


"Ich will .... mit Donner und mit Blitz
Zu Staub zermalmen, was sich oben oder unten
Uns widersetzt, und wenn's der Feldherr selber wäre,"

und in dem Hochmuthe dieser himmelstürmenden Worte findet Lucifer an dem
rebellionslustigen Belzebub einen himmlischen Jago, während die zaghaften
Hindeutungen Apvllyons auf ein zweifelhaftes Gelingen den "Morgenstern"
nur herausfordernder gegen Michael, Gottes Obergeneral, machen. Die That
muß vollführt werden, und zu dem Zwecke sollen Belial, auf dessen Lippen
die Ueberredung ruht, und Apollyon,? der "ein Meister ist, um Geister einzu¬
schläfern, sie umzustimmen und zu leiten, der den Frömmsten verlocken kann
und zweifeln lehret den, der Zweifeln nie gekannt", die Engel und Erzengel
aufhorchen. Beide machen sich an die Ausführung des Planes, verbreiten
wispernd das Wort Empörung unter dem Himmelsheer, um "den Menschen
ewiglich vom Himmel auszuschließen." Da tritt der Chor ein und endet den
Act mit einer Reflexion über den "grimmen Neid", der seit Adams Erschaffung
die Himmelsfürsten bewegt.

Im 3. Acte ist die meuterische Thätigkeit der drei Führer im vollen
Gange; bei weiten Massen der Engel findet das aufwiegelnde Wort eine Stätte:


"Wohin ist unser Glück, o wehe, wehe, wehe!"

Eine einzige "Reihe" von Engeln widersteht dem verlockenden Aufruhr; Gott
genügt sich selbst, sagen sie; er bedarf keines andern; der Gesetzgeber ist Herr
des Gesetzes: Mit diesen Gedanken erwehren sie sich der drängenden Ueber¬
redung der Lnciferisten, eine Episode, deren leitende Gedanken uns sofort das
Auftreten Abdiels: ?linden1 sono6 a>me>ng et6 taitnless, tÄitliM ont^ us
bei Milton (Geh. 5, 802--900.) zurückrufen. Aber der herzukommende Belze¬
bub schürt heuchlerisch den Brand:


"Mich dauert euer Leid;
Wie läßt sich euch und auch der Majestät genügen?"

ja, er widerräth die Empörung und schlägt mildere Mittel vor:


"Borangchu will ich euch,
Um uns Gerechtigkeit und Frieden zu vermitteln
Durch gütlichen Vergleich, freiwillig, sonder Zwang."

Da erscheint Michael, der Gotteskämpfer; er durchschaut die dünne Hülle
der Worte, klagt Belzebub der Empörung an, und während er die Rache


Daß er viel besser weiß als wir, was seine Hoheit
Erheischt.....Darum sei ruhig und handhabe
Das Erste, das Gesetz."

„Sie wollen Dir die Flügel beschneiden", das ist Belzebubs hohnlachen¬
der Commentar zu diesem Gebote des abgehenden Gabriel.


„Ich will .... mit Donner und mit Blitz
Zu Staub zermalmen, was sich oben oder unten
Uns widersetzt, und wenn's der Feldherr selber wäre,"

und in dem Hochmuthe dieser himmelstürmenden Worte findet Lucifer an dem
rebellionslustigen Belzebub einen himmlischen Jago, während die zaghaften
Hindeutungen Apvllyons auf ein zweifelhaftes Gelingen den „Morgenstern"
nur herausfordernder gegen Michael, Gottes Obergeneral, machen. Die That
muß vollführt werden, und zu dem Zwecke sollen Belial, auf dessen Lippen
die Ueberredung ruht, und Apollyon,? der „ein Meister ist, um Geister einzu¬
schläfern, sie umzustimmen und zu leiten, der den Frömmsten verlocken kann
und zweifeln lehret den, der Zweifeln nie gekannt", die Engel und Erzengel
aufhorchen. Beide machen sich an die Ausführung des Planes, verbreiten
wispernd das Wort Empörung unter dem Himmelsheer, um „den Menschen
ewiglich vom Himmel auszuschließen." Da tritt der Chor ein und endet den
Act mit einer Reflexion über den „grimmen Neid", der seit Adams Erschaffung
die Himmelsfürsten bewegt.

Im 3. Acte ist die meuterische Thätigkeit der drei Führer im vollen
Gange; bei weiten Massen der Engel findet das aufwiegelnde Wort eine Stätte:


„Wohin ist unser Glück, o wehe, wehe, wehe!"

Eine einzige „Reihe" von Engeln widersteht dem verlockenden Aufruhr; Gott
genügt sich selbst, sagen sie; er bedarf keines andern; der Gesetzgeber ist Herr
des Gesetzes: Mit diesen Gedanken erwehren sie sich der drängenden Ueber¬
redung der Lnciferisten, eine Episode, deren leitende Gedanken uns sofort das
Auftreten Abdiels: ?linden1 sono6 a>me>ng et6 taitnless, tÄitliM ont^ us
bei Milton (Geh. 5, 802—900.) zurückrufen. Aber der herzukommende Belze¬
bub schürt heuchlerisch den Brand:


„Mich dauert euer Leid;
Wie läßt sich euch und auch der Majestät genügen?"

ja, er widerräth die Empörung und schlägt mildere Mittel vor:


„Borangchu will ich euch,
Um uns Gerechtigkeit und Frieden zu vermitteln
Durch gütlichen Vergleich, freiwillig, sonder Zwang."

Da erscheint Michael, der Gotteskämpfer; er durchschaut die dünne Hülle
der Worte, klagt Belzebub der Empörung an, und während er die Rache


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[0256] Daß er viel besser weiß als wir, was seine Hoheit Erheischt.....Darum sei ruhig und handhabe Das Erste, das Gesetz." „Sie wollen Dir die Flügel beschneiden", das ist Belzebubs hohnlachen¬ der Commentar zu diesem Gebote des abgehenden Gabriel. „Ich will .... mit Donner und mit Blitz Zu Staub zermalmen, was sich oben oder unten Uns widersetzt, und wenn's der Feldherr selber wäre," und in dem Hochmuthe dieser himmelstürmenden Worte findet Lucifer an dem rebellionslustigen Belzebub einen himmlischen Jago, während die zaghaften Hindeutungen Apvllyons auf ein zweifelhaftes Gelingen den „Morgenstern" nur herausfordernder gegen Michael, Gottes Obergeneral, machen. Die That muß vollführt werden, und zu dem Zwecke sollen Belial, auf dessen Lippen die Ueberredung ruht, und Apollyon,? der „ein Meister ist, um Geister einzu¬ schläfern, sie umzustimmen und zu leiten, der den Frömmsten verlocken kann und zweifeln lehret den, der Zweifeln nie gekannt", die Engel und Erzengel aufhorchen. Beide machen sich an die Ausführung des Planes, verbreiten wispernd das Wort Empörung unter dem Himmelsheer, um „den Menschen ewiglich vom Himmel auszuschließen." Da tritt der Chor ein und endet den Act mit einer Reflexion über den „grimmen Neid", der seit Adams Erschaffung die Himmelsfürsten bewegt. Im 3. Acte ist die meuterische Thätigkeit der drei Führer im vollen Gange; bei weiten Massen der Engel findet das aufwiegelnde Wort eine Stätte: „Wohin ist unser Glück, o wehe, wehe, wehe!" Eine einzige „Reihe" von Engeln widersteht dem verlockenden Aufruhr; Gott genügt sich selbst, sagen sie; er bedarf keines andern; der Gesetzgeber ist Herr des Gesetzes: Mit diesen Gedanken erwehren sie sich der drängenden Ueber¬ redung der Lnciferisten, eine Episode, deren leitende Gedanken uns sofort das Auftreten Abdiels: ?linden1 sono6 a>me>ng et6 taitnless, tÄitliM ont^ us bei Milton (Geh. 5, 802—900.) zurückrufen. Aber der herzukommende Belze¬ bub schürt heuchlerisch den Brand: „Mich dauert euer Leid; Wie läßt sich euch und auch der Majestät genügen?" ja, er widerräth die Empörung und schlägt mildere Mittel vor: „Borangchu will ich euch, Um uns Gerechtigkeit und Frieden zu vermitteln Durch gütlichen Vergleich, freiwillig, sonder Zwang." Da erscheint Michael, der Gotteskämpfer; er durchschaut die dünne Hülle der Worte, klagt Belzebub der Empörung an, und während er die Rache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/256>, abgerufen am 28.09.2024.