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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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als dem des einbrechenden Militarismus, der finanzielle Niedergang und Ruin
Bayerns datirt, und ein anderer Todfeind der "Svldatenwirthschaft," der Bauer
Schmelcher, ein äußerst gewandter Redner, der weit über dem Niveau seiner
Standesgenossen steht, erhärtete die bereits zur Thatsache gewordene Lahm¬
legung unserer Landwirthschaft, und endlich sang, als der dritte im würdigen
Bunde, der andere der freiherrlichen Gebrüder Hafenbrädl das alte Klagelied über
die Schmülerung der Souverainetät unsers Königs in neuer Melodie. Der
König von Bayern, demonstrirte er mit seinem kaum erträglichen Organ und
mit noch unerträglicherer Logik, ist oberster Kriegsherr seines Heeres in Friedens-
zeiten; um aber stehen bayerische Regimenter bei der Besatzung von Elsaß-
Lothringen; dort aber gebietet der deutsche Kaiser; folglich ist's auch dessen Be¬
fehl, der die Landestruppen über die Grenze getrieben hat; ergo sind die Re¬
servatrechte verletzt, das Hoheitsrecht des Königs geschädigt -- und schleunig
hat der Kriegsminister den Antrag auf Zurückberufung jener Brigade in den
Bereich der blau-weißen Schilderhäuser zu stellen! Passender, aufwiegelnder
konnte mau doch nicht "zum Fenster hinausreden." Aber der Kriegsminister
fand das rechte Wort für solche Ungebühr, indem er dem Redner, als er seine
ungeschickte Insinuation herausgeholpert hatte, einfach erwiederte, daß jene Truppen
nicht auf Befehl des Kaisers, sondern gerade auf deu des Königs dort stehen,
wo sie stehen -- auf der Wacht am Rhein und an der Mosel. Selbst ein bay¬
rischer Klerikaler konnte freilich wissen, wie sehr König Ludwig an der Wieder¬
eroberung von Elsaß-Lothringen dnrch Dentschland thatsächlich durch seinen
hochherzigen Entschluß vom 15. Juli 1870, mit dem er seine Armee unter den
Befehl des preußischen Königs stellte, wie durch diese seine tapfern Truppen
und ideell dnrch seine herzliche Freude an den Sieg auf Sieg bringenden Er¬
folgen theilgenommen hat und wie hoch er das ihm nach seiner Stellung im
deutschen Reich zustehende Ehrenrecht auffaßt, nächst der Krone Preußen in
dem gemeinsam wiedererworbenen Reichslande die größte Truppenzahl zu halten.
Aber was fragt man danach, wenn man mit seinen Reden und Verdächtigungen
"höhere," d. h. partikularistisch-klerikale Zwecke verfolgt! Davon, daß die An¬
wesenheit bayrischer, sächsischer, würtembergischer und braunschweigischer Truppen
neben den preußischen im Reichsland den Franzosen die vollendete Thatsache
der deutschen Einigung und Einigkeit repräsentirt, daß ein Eingehen seitens
der bayrischen Regierung auf das Verlangen des Herrn von Hafenbrädl in
Paris sofort sehr eigenthümlich aufgefaßt worden wäre und der Regierung
vom 16. Mai einen Erfolg bedeutet hätte, wie er kaum größer gedacht werden
könnte, -- davon scheint jener unglückliche Interpret der geheimen Gedanken
Herrn Jörg's -- (denn dieser war zweifelsohne der Lxii-nus roetor der
Hafenbrädl'schen Jntereession) keine Ahnung gehabt zu haben. Oder dürften


als dem des einbrechenden Militarismus, der finanzielle Niedergang und Ruin
Bayerns datirt, und ein anderer Todfeind der „Svldatenwirthschaft," der Bauer
Schmelcher, ein äußerst gewandter Redner, der weit über dem Niveau seiner
Standesgenossen steht, erhärtete die bereits zur Thatsache gewordene Lahm¬
legung unserer Landwirthschaft, und endlich sang, als der dritte im würdigen
Bunde, der andere der freiherrlichen Gebrüder Hafenbrädl das alte Klagelied über
die Schmülerung der Souverainetät unsers Königs in neuer Melodie. Der
König von Bayern, demonstrirte er mit seinem kaum erträglichen Organ und
mit noch unerträglicherer Logik, ist oberster Kriegsherr seines Heeres in Friedens-
zeiten; um aber stehen bayerische Regimenter bei der Besatzung von Elsaß-
Lothringen; dort aber gebietet der deutsche Kaiser; folglich ist's auch dessen Be¬
fehl, der die Landestruppen über die Grenze getrieben hat; ergo sind die Re¬
servatrechte verletzt, das Hoheitsrecht des Königs geschädigt — und schleunig
hat der Kriegsminister den Antrag auf Zurückberufung jener Brigade in den
Bereich der blau-weißen Schilderhäuser zu stellen! Passender, aufwiegelnder
konnte mau doch nicht „zum Fenster hinausreden." Aber der Kriegsminister
fand das rechte Wort für solche Ungebühr, indem er dem Redner, als er seine
ungeschickte Insinuation herausgeholpert hatte, einfach erwiederte, daß jene Truppen
nicht auf Befehl des Kaisers, sondern gerade auf deu des Königs dort stehen,
wo sie stehen — auf der Wacht am Rhein und an der Mosel. Selbst ein bay¬
rischer Klerikaler konnte freilich wissen, wie sehr König Ludwig an der Wieder¬
eroberung von Elsaß-Lothringen dnrch Dentschland thatsächlich durch seinen
hochherzigen Entschluß vom 15. Juli 1870, mit dem er seine Armee unter den
Befehl des preußischen Königs stellte, wie durch diese seine tapfern Truppen
und ideell dnrch seine herzliche Freude an den Sieg auf Sieg bringenden Er¬
folgen theilgenommen hat und wie hoch er das ihm nach seiner Stellung im
deutschen Reich zustehende Ehrenrecht auffaßt, nächst der Krone Preußen in
dem gemeinsam wiedererworbenen Reichslande die größte Truppenzahl zu halten.
Aber was fragt man danach, wenn man mit seinen Reden und Verdächtigungen
„höhere," d. h. partikularistisch-klerikale Zwecke verfolgt! Davon, daß die An¬
wesenheit bayrischer, sächsischer, würtembergischer und braunschweigischer Truppen
neben den preußischen im Reichsland den Franzosen die vollendete Thatsache
der deutschen Einigung und Einigkeit repräsentirt, daß ein Eingehen seitens
der bayrischen Regierung auf das Verlangen des Herrn von Hafenbrädl in
Paris sofort sehr eigenthümlich aufgefaßt worden wäre und der Regierung
vom 16. Mai einen Erfolg bedeutet hätte, wie er kaum größer gedacht werden
könnte, — davon scheint jener unglückliche Interpret der geheimen Gedanken
Herrn Jörg's — (denn dieser war zweifelsohne der Lxii-nus roetor der
Hafenbrädl'schen Jntereession) keine Ahnung gehabt zu haben. Oder dürften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/244>, abgerufen am 28.09.2024.