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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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der Verkehr sich erstreckte/' sagt Peschel, "je weiter in das unbekannte östliche
Weltmeer der asiatische Kontinent hinauswuchs, um so mehr entfloh auch der
Mythus, er rückte gleichsam gleichen Schrittes mit den Grenzen der Welt
weiter, und bald lag zwischen dem Alexanderthor bei Derbend und den ein¬
geschlossenen Völkern Gog und Magog die ganze asiatische Längennusdehnung
in der Mitte." Auch Marco Polo hat sich auf seinen Reisen nach den
fabelhaften Stämmen erkundigt und berichtet, daß sie zwei verschiedene
Völkerracen im Reiche Teuduk seien und von den Eigebornen Ung und
Mongul genannt würden. Ziehe man sieben Tagereisen von da westlich, so
erreiche man Kathai. Diese Angabe führt uns dem Hoangho und der chinesi¬
schen Mauer sehr nahe. Die einzige Karte, welche dieselbe benutzt hat, ist die
des Palastes Pitti, welche aus dem Jahre 144? datirt. Vom kaspischen See
streicht auf ihr bis an die Ostküste Chinas ein mächtiger Gebirgszug hin.
Derselbe trägt drei kleinere Thürme und ein befestigtes Thor, so daß er fast
wie ein Wall aussieht. Bei den dauernden Handelsverbindungen der Italiener
mit China würde eine Hindeutung ans die chinesische Mauer nicht befremden,
obwohl weder der Bericht des Marco Polo noch das Itinerarium des Bal-
ducci dieselbe erwähnen. Im Süden jenes Walles kannte der Zeichner jener
Karte Kathai, Kambalu, die Residenz des Grvßkhans und Sine. Südlich vom
Wall, aber westlich von Kathai wohnen nach ihm die Völker Gog; nördlich
von jenem, aber immer noch weiter westlich als Kathai Hausen die Stämme
Magog. Da der berühmte Wall somit die beiden Nationen trennt, so scheint
der italienische Geograph dieselbe Ansicht wie Edrisi gehegt zu habe", der die
Madschudsch, die beiläufig bei ihm Zwerge vou nur 2? Zoll Länge sind, in
ein viel rauheres Klima verlegt als die Jadschudsch.

Wir folgen den Betrachtungen Peschels in diesem Abschnitte noch zu der
Fabel vom Magnetberge. Derselbe spielt bekanntlich in dem Märchen von
Tausend und eine Nacht eine Rolle. Wehe dem Schiffe, das in seine Nähe
gerieth! Es konnte nicht mehr zurück, und zuletzt entriß die magnetische Kraft
ihm Nägel, Klammern und alles Eisenwerk, so daß Breter und Balken sich
lösten und die Wellen über den Trümmern zusammenschlugen. Auch der Held
der wiederholt schou erwähnten Historie vom Herzog Ernst entrann diesem
Abenteuer nicht, und als die Schiffsmannschaft in der Ferne den unheimlichen
Berg erblickte und ringsumher einen Gürtel zertrümmerter Masten und Balken
treiben sah, blieb ihr nur noch Zeit, das Sakrament zu empfangen. "In¬
zwischen näherte sich ihr Kiel und Schiff je länger desto mehr der Todesstätte
und ward von dem Magneten, der da Kraft hat, Eisen anzuziehen, gefaßt, ge¬
fangen und behalten. Denn daselbst ging des Magneten Schein und Flamme
aus dem Wasser, davon ihr altes Schiff entzweibrach und mit ihnen auf den


der Verkehr sich erstreckte/' sagt Peschel, „je weiter in das unbekannte östliche
Weltmeer der asiatische Kontinent hinauswuchs, um so mehr entfloh auch der
Mythus, er rückte gleichsam gleichen Schrittes mit den Grenzen der Welt
weiter, und bald lag zwischen dem Alexanderthor bei Derbend und den ein¬
geschlossenen Völkern Gog und Magog die ganze asiatische Längennusdehnung
in der Mitte." Auch Marco Polo hat sich auf seinen Reisen nach den
fabelhaften Stämmen erkundigt und berichtet, daß sie zwei verschiedene
Völkerracen im Reiche Teuduk seien und von den Eigebornen Ung und
Mongul genannt würden. Ziehe man sieben Tagereisen von da westlich, so
erreiche man Kathai. Diese Angabe führt uns dem Hoangho und der chinesi¬
schen Mauer sehr nahe. Die einzige Karte, welche dieselbe benutzt hat, ist die
des Palastes Pitti, welche aus dem Jahre 144? datirt. Vom kaspischen See
streicht auf ihr bis an die Ostküste Chinas ein mächtiger Gebirgszug hin.
Derselbe trägt drei kleinere Thürme und ein befestigtes Thor, so daß er fast
wie ein Wall aussieht. Bei den dauernden Handelsverbindungen der Italiener
mit China würde eine Hindeutung ans die chinesische Mauer nicht befremden,
obwohl weder der Bericht des Marco Polo noch das Itinerarium des Bal-
ducci dieselbe erwähnen. Im Süden jenes Walles kannte der Zeichner jener
Karte Kathai, Kambalu, die Residenz des Grvßkhans und Sine. Südlich vom
Wall, aber westlich von Kathai wohnen nach ihm die Völker Gog; nördlich
von jenem, aber immer noch weiter westlich als Kathai Hausen die Stämme
Magog. Da der berühmte Wall somit die beiden Nationen trennt, so scheint
der italienische Geograph dieselbe Ansicht wie Edrisi gehegt zu habe», der die
Madschudsch, die beiläufig bei ihm Zwerge vou nur 2? Zoll Länge sind, in
ein viel rauheres Klima verlegt als die Jadschudsch.

Wir folgen den Betrachtungen Peschels in diesem Abschnitte noch zu der
Fabel vom Magnetberge. Derselbe spielt bekanntlich in dem Märchen von
Tausend und eine Nacht eine Rolle. Wehe dem Schiffe, das in seine Nähe
gerieth! Es konnte nicht mehr zurück, und zuletzt entriß die magnetische Kraft
ihm Nägel, Klammern und alles Eisenwerk, so daß Breter und Balken sich
lösten und die Wellen über den Trümmern zusammenschlugen. Auch der Held
der wiederholt schou erwähnten Historie vom Herzog Ernst entrann diesem
Abenteuer nicht, und als die Schiffsmannschaft in der Ferne den unheimlichen
Berg erblickte und ringsumher einen Gürtel zertrümmerter Masten und Balken
treiben sah, blieb ihr nur noch Zeit, das Sakrament zu empfangen. „In¬
zwischen näherte sich ihr Kiel und Schiff je länger desto mehr der Todesstätte
und ward von dem Magneten, der da Kraft hat, Eisen anzuziehen, gefaßt, ge¬
fangen und behalten. Denn daselbst ging des Magneten Schein und Flamme
aus dem Wasser, davon ihr altes Schiff entzweibrach und mit ihnen auf den


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[0239] der Verkehr sich erstreckte/' sagt Peschel, „je weiter in das unbekannte östliche Weltmeer der asiatische Kontinent hinauswuchs, um so mehr entfloh auch der Mythus, er rückte gleichsam gleichen Schrittes mit den Grenzen der Welt weiter, und bald lag zwischen dem Alexanderthor bei Derbend und den ein¬ geschlossenen Völkern Gog und Magog die ganze asiatische Längennusdehnung in der Mitte." Auch Marco Polo hat sich auf seinen Reisen nach den fabelhaften Stämmen erkundigt und berichtet, daß sie zwei verschiedene Völkerracen im Reiche Teuduk seien und von den Eigebornen Ung und Mongul genannt würden. Ziehe man sieben Tagereisen von da westlich, so erreiche man Kathai. Diese Angabe führt uns dem Hoangho und der chinesi¬ schen Mauer sehr nahe. Die einzige Karte, welche dieselbe benutzt hat, ist die des Palastes Pitti, welche aus dem Jahre 144? datirt. Vom kaspischen See streicht auf ihr bis an die Ostküste Chinas ein mächtiger Gebirgszug hin. Derselbe trägt drei kleinere Thürme und ein befestigtes Thor, so daß er fast wie ein Wall aussieht. Bei den dauernden Handelsverbindungen der Italiener mit China würde eine Hindeutung ans die chinesische Mauer nicht befremden, obwohl weder der Bericht des Marco Polo noch das Itinerarium des Bal- ducci dieselbe erwähnen. Im Süden jenes Walles kannte der Zeichner jener Karte Kathai, Kambalu, die Residenz des Grvßkhans und Sine. Südlich vom Wall, aber westlich von Kathai wohnen nach ihm die Völker Gog; nördlich von jenem, aber immer noch weiter westlich als Kathai Hausen die Stämme Magog. Da der berühmte Wall somit die beiden Nationen trennt, so scheint der italienische Geograph dieselbe Ansicht wie Edrisi gehegt zu habe», der die Madschudsch, die beiläufig bei ihm Zwerge vou nur 2? Zoll Länge sind, in ein viel rauheres Klima verlegt als die Jadschudsch. Wir folgen den Betrachtungen Peschels in diesem Abschnitte noch zu der Fabel vom Magnetberge. Derselbe spielt bekanntlich in dem Märchen von Tausend und eine Nacht eine Rolle. Wehe dem Schiffe, das in seine Nähe gerieth! Es konnte nicht mehr zurück, und zuletzt entriß die magnetische Kraft ihm Nägel, Klammern und alles Eisenwerk, so daß Breter und Balken sich lösten und die Wellen über den Trümmern zusammenschlugen. Auch der Held der wiederholt schou erwähnten Historie vom Herzog Ernst entrann diesem Abenteuer nicht, und als die Schiffsmannschaft in der Ferne den unheimlichen Berg erblickte und ringsumher einen Gürtel zertrümmerter Masten und Balken treiben sah, blieb ihr nur noch Zeit, das Sakrament zu empfangen. „In¬ zwischen näherte sich ihr Kiel und Schiff je länger desto mehr der Todesstätte und ward von dem Magneten, der da Kraft hat, Eisen anzuziehen, gefaßt, ge¬ fangen und behalten. Denn daselbst ging des Magneten Schein und Flamme aus dem Wasser, davon ihr altes Schiff entzweibrach und mit ihnen auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/239>, abgerufen am 28.09.2024.