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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Erniedrigung des Menschen inmitten jener überwältigend reichen Natur. Es
ist Zeit, daß alle Nationen, die Anspruch darauf erheben, als gesittete zu
gelten, ihr Veto einlegen und sich einmüthig verbinden, um diese traurigen
Ueberbleivsel barbarischer Jahrhunderte zu beseitigen.

Anregung dazu wurde in den letzten Jahren genug gegeben, am meisten
wohl durch David Livingstone und den jüngsten Durchwanderer Afrikas, durch
Cameron. Deutschland hat die Thaten Cameron's mit solchem Interesse ver¬
folgt, daß es nicht unpassend sein dürfte, wenn es mit den Aeußerungen dieses
Reisenden über den Sklavenhandel in Afrika, soweit er ihm persönlich begegnete,
bekannt gemacht wird. Cameron's jüngst erschienenes Reisewerk ,,^.e"Sö
^nich." enthält reiches Material über diesen Gegenstand und ist, wie wir
weiter unten sehen werden, geeignet unsere Ansichten über die Angehörigen
eines europäischen Volkes, das sich zu den civilisirten Völkern zählt, zu klären.

7Im ersten Bande S. 277 schreibt der englische Reisende: "Der Sklaven¬
handel ist über das ganze Innere des Kontinents ausgedehnt und wird es so
lange bleiben, bis eine starke Hand ihn unterdrückt oder bis er durch das
Aussterben des schwarzen Volkes in sich zusammenfällt. Die gegenwärtigen
Zustände lassen, sobald sie nicht zum Besseren umschlagen, sicher auf den Unter¬
gang der Bewohner Afrikas schließen; haben doch die Araber, welche in
wenigen Jahren Manjuema ruinirten, schon nahe bei Nyangwe eine Nieder¬
lassung, von der aus Sklavenjagden noch weiter ins Land hinein veran¬
staltet werden."

"Ich wurde unsäglich traurig gestimmt, wenn ich durch die Ruinen so
mancher Dörfer kam, die einst die Heimat eines glücklichen und zufriedenen
Volks waren. Wo waren alle die, die sie gebaut und die Pflanzungen rings
umher angelegt? Wo? Fortgeschleppt als Sklaven; in Kämpfe hineingezogen,
für die sie kein Interesse hegten, wurden sie von elenden Schurken massaerirt
und starben vor Hunger und Elend in der Wildniß. Afrika verblutet sich
mächtig aus allen Poren. Alltäglich verringert sich die schon jetzt zu dünn
gesäete Bevölkerung dnrch den Sklavenhandel, und mörderische Kriege verwüsten
ein an Naturschätzen überreiches Land, welches durch einige Arbeit zu einem
der produktivsten Faktoren des Welthandels emporgebracht werden könnte.
Wird dem jetzigen Unwesen daselbst nicht bald und energisch ein heilsames
Ende gemacht, währt es noch länger sort, so wird der Erdtheil mit der all¬
mählichen Entvölkerung auch allmählich wieder zu einer Riesenwildniß werden,
immer undurchdringlicher und unzugänglicher für Händler und Reisende (I, 209)."

"Reste von verstreuten Korn in den Dickichten verriethen mir die Nacht¬
lager von elenden Wesen, welche den Sklavenhändlern entflohen waren. Diese
armen Menschen sind zum bejammernswürdigsten Dasein verdammt. Von


Erniedrigung des Menschen inmitten jener überwältigend reichen Natur. Es
ist Zeit, daß alle Nationen, die Anspruch darauf erheben, als gesittete zu
gelten, ihr Veto einlegen und sich einmüthig verbinden, um diese traurigen
Ueberbleivsel barbarischer Jahrhunderte zu beseitigen.

Anregung dazu wurde in den letzten Jahren genug gegeben, am meisten
wohl durch David Livingstone und den jüngsten Durchwanderer Afrikas, durch
Cameron. Deutschland hat die Thaten Cameron's mit solchem Interesse ver¬
folgt, daß es nicht unpassend sein dürfte, wenn es mit den Aeußerungen dieses
Reisenden über den Sklavenhandel in Afrika, soweit er ihm persönlich begegnete,
bekannt gemacht wird. Cameron's jüngst erschienenes Reisewerk ,,^.e»Sö
^nich." enthält reiches Material über diesen Gegenstand und ist, wie wir
weiter unten sehen werden, geeignet unsere Ansichten über die Angehörigen
eines europäischen Volkes, das sich zu den civilisirten Völkern zählt, zu klären.

7Im ersten Bande S. 277 schreibt der englische Reisende: „Der Sklaven¬
handel ist über das ganze Innere des Kontinents ausgedehnt und wird es so
lange bleiben, bis eine starke Hand ihn unterdrückt oder bis er durch das
Aussterben des schwarzen Volkes in sich zusammenfällt. Die gegenwärtigen
Zustände lassen, sobald sie nicht zum Besseren umschlagen, sicher auf den Unter¬
gang der Bewohner Afrikas schließen; haben doch die Araber, welche in
wenigen Jahren Manjuema ruinirten, schon nahe bei Nyangwe eine Nieder¬
lassung, von der aus Sklavenjagden noch weiter ins Land hinein veran¬
staltet werden."

„Ich wurde unsäglich traurig gestimmt, wenn ich durch die Ruinen so
mancher Dörfer kam, die einst die Heimat eines glücklichen und zufriedenen
Volks waren. Wo waren alle die, die sie gebaut und die Pflanzungen rings
umher angelegt? Wo? Fortgeschleppt als Sklaven; in Kämpfe hineingezogen,
für die sie kein Interesse hegten, wurden sie von elenden Schurken massaerirt
und starben vor Hunger und Elend in der Wildniß. Afrika verblutet sich
mächtig aus allen Poren. Alltäglich verringert sich die schon jetzt zu dünn
gesäete Bevölkerung dnrch den Sklavenhandel, und mörderische Kriege verwüsten
ein an Naturschätzen überreiches Land, welches durch einige Arbeit zu einem
der produktivsten Faktoren des Welthandels emporgebracht werden könnte.
Wird dem jetzigen Unwesen daselbst nicht bald und energisch ein heilsames
Ende gemacht, währt es noch länger sort, so wird der Erdtheil mit der all¬
mählichen Entvölkerung auch allmählich wieder zu einer Riesenwildniß werden,
immer undurchdringlicher und unzugänglicher für Händler und Reisende (I, 209)."

„Reste von verstreuten Korn in den Dickichten verriethen mir die Nacht¬
lager von elenden Wesen, welche den Sklavenhändlern entflohen waren. Diese
armen Menschen sind zum bejammernswürdigsten Dasein verdammt. Von


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[0224] Erniedrigung des Menschen inmitten jener überwältigend reichen Natur. Es ist Zeit, daß alle Nationen, die Anspruch darauf erheben, als gesittete zu gelten, ihr Veto einlegen und sich einmüthig verbinden, um diese traurigen Ueberbleivsel barbarischer Jahrhunderte zu beseitigen. Anregung dazu wurde in den letzten Jahren genug gegeben, am meisten wohl durch David Livingstone und den jüngsten Durchwanderer Afrikas, durch Cameron. Deutschland hat die Thaten Cameron's mit solchem Interesse ver¬ folgt, daß es nicht unpassend sein dürfte, wenn es mit den Aeußerungen dieses Reisenden über den Sklavenhandel in Afrika, soweit er ihm persönlich begegnete, bekannt gemacht wird. Cameron's jüngst erschienenes Reisewerk ,,^.e»Sö ^nich." enthält reiches Material über diesen Gegenstand und ist, wie wir weiter unten sehen werden, geeignet unsere Ansichten über die Angehörigen eines europäischen Volkes, das sich zu den civilisirten Völkern zählt, zu klären. 7Im ersten Bande S. 277 schreibt der englische Reisende: „Der Sklaven¬ handel ist über das ganze Innere des Kontinents ausgedehnt und wird es so lange bleiben, bis eine starke Hand ihn unterdrückt oder bis er durch das Aussterben des schwarzen Volkes in sich zusammenfällt. Die gegenwärtigen Zustände lassen, sobald sie nicht zum Besseren umschlagen, sicher auf den Unter¬ gang der Bewohner Afrikas schließen; haben doch die Araber, welche in wenigen Jahren Manjuema ruinirten, schon nahe bei Nyangwe eine Nieder¬ lassung, von der aus Sklavenjagden noch weiter ins Land hinein veran¬ staltet werden." „Ich wurde unsäglich traurig gestimmt, wenn ich durch die Ruinen so mancher Dörfer kam, die einst die Heimat eines glücklichen und zufriedenen Volks waren. Wo waren alle die, die sie gebaut und die Pflanzungen rings umher angelegt? Wo? Fortgeschleppt als Sklaven; in Kämpfe hineingezogen, für die sie kein Interesse hegten, wurden sie von elenden Schurken massaerirt und starben vor Hunger und Elend in der Wildniß. Afrika verblutet sich mächtig aus allen Poren. Alltäglich verringert sich die schon jetzt zu dünn gesäete Bevölkerung dnrch den Sklavenhandel, und mörderische Kriege verwüsten ein an Naturschätzen überreiches Land, welches durch einige Arbeit zu einem der produktivsten Faktoren des Welthandels emporgebracht werden könnte. Wird dem jetzigen Unwesen daselbst nicht bald und energisch ein heilsames Ende gemacht, währt es noch länger sort, so wird der Erdtheil mit der all¬ mählichen Entvölkerung auch allmählich wieder zu einer Riesenwildniß werden, immer undurchdringlicher und unzugänglicher für Händler und Reisende (I, 209)." „Reste von verstreuten Korn in den Dickichten verriethen mir die Nacht¬ lager von elenden Wesen, welche den Sklavenhändlern entflohen waren. Diese armen Menschen sind zum bejammernswürdigsten Dasein verdammt. Von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/224>, abgerufen am 21.10.2024.