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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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großen Produkte der Landwirthschaft und Forstwirthschaft dem Weltverkehr
leichter und billiger als bisher zuführen könnten.

Endlich würde sich auch die Herstellung eines Kanals, welcher Süd- und
Norddeutschland in direkte Verbindung bringt, besonders empfehlen Zu diesem
Zwecke müßte der von Berlin nach Wittenberg projektirte Kanal über Duden
bei Leipzig geführt werden, dann der Elster bei Weida folgen, von da in das
Saaleland übertreten, diesem etwa bis Hof folgen und dann den Main erstre¬
ben, dem derselbe bis Bamberg folgen würde, wo er dann ans den Ludwigs¬
kanal stößt. Von Nürnberg ab würde dann im Thal des Schwäbischen Rezat
die Donau bei Donauwörth berührt werden können, von wo aus die Wasser¬
straße einerseits mit Benutzung des Lechs über Augsburg bis nach Tyrol und
bis München geführt, andererseits dem Lauf der Donau bis Ulm gefolgt
werden könnte, wo sich dann ein Kanal im Jllerthal bis zur Mündung der
Aitrach anschließen würde, der im Aitrach- und Argethal den Bodensee bei
Friedrichshafen erreichte.

Die Gesammtkosten dieser genannten Kanüle dürften sich höchstens zu¬
sammen auf 200 Millionen Thaler belaufen, eine Summe, die unbedeutend ist,
wenn man bedenkt, daß bei zwei Milliarden Thaler in Deutschland in Eisen¬
bahnen verbaut siud und daß diese bezeichneten Kanäle vollständig genügen
würden, um unserer Industrie eine feste Grundlage zu geben und Handel und
Verkehr zu einer großen Blüthe zu entfalten.

Alle diese Kanäle sind durch die bereits hoch entwickelte Industrie und den
Handel, denen sie dienstbar werden sollen, als durchaus rentabel anzusehen, so
daß also ihrer Anlage durch Privatunternehmung kein Hinderniß entgegensteht;
dennoch hat sich bisher diese zurückgehalten und zwar lediglich deshalb, weil
die Kaualanlagen von der Negierung so überaus vernachlässigt worden siud.

Es wäre deshalb endlich an der Zeit, daß die Reichsregieruug sowie die
preußische Regierung aus ihrer Lethargie erwachten und sich der Sache mit
größerer Energie annehmen. Nothwendig ist es, daß bestimmte Normen festge¬
setzt werden, nach welchen die Kanäle angelegt werden sollen, mindestens muß
eine Uebereinstimmung über die Normaldimeusivuen, nämlich über die Mini¬
malgrößen der Tiefe und Breite hergestellt werden. Bisher ist leider aller¬
dings die Gefahr vorhanden, daß die Unfähigkeit der technischen Behörde des
preußischen Handelsministeriums dem raschen Aufschwung hinderlich ist, da
diese sich bisher für zu niedrige Dimensionen erklärt, obgleich alle Sachver¬
ständigen längst darüber einig sind, daß die Kanäle mindestens fo beschaffen
sein müssen, daß Fahrzeuge auf ihnen gehen können, welche 10,000 Centner
Tragfähigkeit haben.

Andererseits würde, wenn ans diesem Gebiete endlich einmal der Anfang


großen Produkte der Landwirthschaft und Forstwirthschaft dem Weltverkehr
leichter und billiger als bisher zuführen könnten.

Endlich würde sich auch die Herstellung eines Kanals, welcher Süd- und
Norddeutschland in direkte Verbindung bringt, besonders empfehlen Zu diesem
Zwecke müßte der von Berlin nach Wittenberg projektirte Kanal über Duden
bei Leipzig geführt werden, dann der Elster bei Weida folgen, von da in das
Saaleland übertreten, diesem etwa bis Hof folgen und dann den Main erstre¬
ben, dem derselbe bis Bamberg folgen würde, wo er dann ans den Ludwigs¬
kanal stößt. Von Nürnberg ab würde dann im Thal des Schwäbischen Rezat
die Donau bei Donauwörth berührt werden können, von wo aus die Wasser¬
straße einerseits mit Benutzung des Lechs über Augsburg bis nach Tyrol und
bis München geführt, andererseits dem Lauf der Donau bis Ulm gefolgt
werden könnte, wo sich dann ein Kanal im Jllerthal bis zur Mündung der
Aitrach anschließen würde, der im Aitrach- und Argethal den Bodensee bei
Friedrichshafen erreichte.

Die Gesammtkosten dieser genannten Kanüle dürften sich höchstens zu¬
sammen auf 200 Millionen Thaler belaufen, eine Summe, die unbedeutend ist,
wenn man bedenkt, daß bei zwei Milliarden Thaler in Deutschland in Eisen¬
bahnen verbaut siud und daß diese bezeichneten Kanäle vollständig genügen
würden, um unserer Industrie eine feste Grundlage zu geben und Handel und
Verkehr zu einer großen Blüthe zu entfalten.

Alle diese Kanäle sind durch die bereits hoch entwickelte Industrie und den
Handel, denen sie dienstbar werden sollen, als durchaus rentabel anzusehen, so
daß also ihrer Anlage durch Privatunternehmung kein Hinderniß entgegensteht;
dennoch hat sich bisher diese zurückgehalten und zwar lediglich deshalb, weil
die Kaualanlagen von der Negierung so überaus vernachlässigt worden siud.

Es wäre deshalb endlich an der Zeit, daß die Reichsregieruug sowie die
preußische Regierung aus ihrer Lethargie erwachten und sich der Sache mit
größerer Energie annehmen. Nothwendig ist es, daß bestimmte Normen festge¬
setzt werden, nach welchen die Kanäle angelegt werden sollen, mindestens muß
eine Uebereinstimmung über die Normaldimeusivuen, nämlich über die Mini¬
malgrößen der Tiefe und Breite hergestellt werden. Bisher ist leider aller¬
dings die Gefahr vorhanden, daß die Unfähigkeit der technischen Behörde des
preußischen Handelsministeriums dem raschen Aufschwung hinderlich ist, da
diese sich bisher für zu niedrige Dimensionen erklärt, obgleich alle Sachver¬
ständigen längst darüber einig sind, daß die Kanäle mindestens fo beschaffen
sein müssen, daß Fahrzeuge auf ihnen gehen können, welche 10,000 Centner
Tragfähigkeit haben.

Andererseits würde, wenn ans diesem Gebiete endlich einmal der Anfang


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[0192] großen Produkte der Landwirthschaft und Forstwirthschaft dem Weltverkehr leichter und billiger als bisher zuführen könnten. Endlich würde sich auch die Herstellung eines Kanals, welcher Süd- und Norddeutschland in direkte Verbindung bringt, besonders empfehlen Zu diesem Zwecke müßte der von Berlin nach Wittenberg projektirte Kanal über Duden bei Leipzig geführt werden, dann der Elster bei Weida folgen, von da in das Saaleland übertreten, diesem etwa bis Hof folgen und dann den Main erstre¬ ben, dem derselbe bis Bamberg folgen würde, wo er dann ans den Ludwigs¬ kanal stößt. Von Nürnberg ab würde dann im Thal des Schwäbischen Rezat die Donau bei Donauwörth berührt werden können, von wo aus die Wasser¬ straße einerseits mit Benutzung des Lechs über Augsburg bis nach Tyrol und bis München geführt, andererseits dem Lauf der Donau bis Ulm gefolgt werden könnte, wo sich dann ein Kanal im Jllerthal bis zur Mündung der Aitrach anschließen würde, der im Aitrach- und Argethal den Bodensee bei Friedrichshafen erreichte. Die Gesammtkosten dieser genannten Kanüle dürften sich höchstens zu¬ sammen auf 200 Millionen Thaler belaufen, eine Summe, die unbedeutend ist, wenn man bedenkt, daß bei zwei Milliarden Thaler in Deutschland in Eisen¬ bahnen verbaut siud und daß diese bezeichneten Kanäle vollständig genügen würden, um unserer Industrie eine feste Grundlage zu geben und Handel und Verkehr zu einer großen Blüthe zu entfalten. Alle diese Kanäle sind durch die bereits hoch entwickelte Industrie und den Handel, denen sie dienstbar werden sollen, als durchaus rentabel anzusehen, so daß also ihrer Anlage durch Privatunternehmung kein Hinderniß entgegensteht; dennoch hat sich bisher diese zurückgehalten und zwar lediglich deshalb, weil die Kaualanlagen von der Negierung so überaus vernachlässigt worden siud. Es wäre deshalb endlich an der Zeit, daß die Reichsregieruug sowie die preußische Regierung aus ihrer Lethargie erwachten und sich der Sache mit größerer Energie annehmen. Nothwendig ist es, daß bestimmte Normen festge¬ setzt werden, nach welchen die Kanäle angelegt werden sollen, mindestens muß eine Uebereinstimmung über die Normaldimeusivuen, nämlich über die Mini¬ malgrößen der Tiefe und Breite hergestellt werden. Bisher ist leider aller¬ dings die Gefahr vorhanden, daß die Unfähigkeit der technischen Behörde des preußischen Handelsministeriums dem raschen Aufschwung hinderlich ist, da diese sich bisher für zu niedrige Dimensionen erklärt, obgleich alle Sachver¬ ständigen längst darüber einig sind, daß die Kanäle mindestens fo beschaffen sein müssen, daß Fahrzeuge auf ihnen gehen können, welche 10,000 Centner Tragfähigkeit haben. Andererseits würde, wenn ans diesem Gebiete endlich einmal der Anfang

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/192>, abgerufen am 28.09.2024.