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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Ernst, diese Sache zu fördern, damals wenigstens bei der Reichsregierung
nicht vorhanden war. Seit dem sind nun schon wieder drei Jahre vergangen,
die Reichsregiernng hat inzwischen nichts über diese Frage verlauten lassen,
von dem Erfolg etwaiger Vorarbeiten ist nichts zu Tage getreten, und auch die
Regierungen der einzelnen Staaten rühren sich durchaus nicht, so daß die
Vermuthung nur zu berechtigt ist, die Sache sei den Regierungen unbequem
und solle act Icslenä^s Zraeeas verschoben werden.

Dieser traurigen Indolenz gegenüber, mit der eine der wichtigsten Fragen
von den maßgebenden Kreisen behandelt wird, ist es um so nothwendiger,
sich über die von der Wissenschaft fixirten Prinzipien zu verständigen und
dieselben zum Gemeingut der Nation zu machen.

Für die Anlage der Kanäle sind durchaus andere Grundsätze maßgebend,
wie für den Ban der Eisenbahnen. Zunächst müssen sich alle Wasseranlagen
der Bodengestaltung anschließen, so kühne Experimente wie der Eisenbahn-
Ingenieur macht, kann der Wassertechniker nicht machen; sodann aber ist eine
weitere Grundbedingung zur Anlage von Kanälen das Vorhandensein großer
zu befördernder Massen der für die Kanalfracht geeigneten groben Güter, wie
Holz, Kohlen, Torf, Steine, Baumaterial, Getreide, Obst, Düngstoffe, Erze,
Erde und tgi., sowie auch gewisser billiger und schwerwiegender Kaufmannsgüter,
wie Baumwolle, Wolle, Spiritus, Petroleum, Schwefelsäure, Gläser, Roheisen,
Schmiedeeisen, Maschinen, Pulver ;c.

Diese Rohmaterialien und Güter müssen in solcher Menge transportirt
werden, daß dadurch die Verzinsung, die Unterhaltung und Verwaltung der
Anlage aus den Kanalgebühren gedeckt werden können. Diese Gebühren haben
aber wegen der Konkurrenz der Eisenbahnen eine ganz bestimmte Grenze, die
sie nicht überschreiten können, denn sie dürfen mit den Kosten des Transportes
zusammen uur die Hälfte des Eisenbahn-Transportes betragen, sonst ist der
Kanal nicht konkurrenzfähig; denn die Bedeutung der Kanalanlage liegt eben
darin, daß die Transportkosten für grobe Güter bedeutend ermäßigt werden.

So ist also ein fester Maßstab für die Rentabilität einer Kanalanlage
geschaffen. Da sich die Transportkosten vermittelst eines Schiffes ziemlich
genau berechnen lassen, so ist auch die Höhe der Kanalabgabe leicht fixirt;
beide zusammen dürfen pro Centner und Meile den Tarif von Pfennig
nicht überschreiten. Je größer das Fahrzeug ist, um so niedriger werden sich
übrigens die Frachtkosten stellen. Die Größe des Fahrzeuges ist aber wieder
bedingt durch die Kanalanlage. Als Minimaltiefe wurde gegenwärtig von
allen Sachverständigen 2 Meter Wasserstand angenommen, indessen gibt es
auch viele Kanäle, welche selbst 3 Meter Tiefe und noch mehr enthalten. Nach
den Herstellungskosten richtet sich nun lediglich die Höhe des nothwendigen


Ernst, diese Sache zu fördern, damals wenigstens bei der Reichsregierung
nicht vorhanden war. Seit dem sind nun schon wieder drei Jahre vergangen,
die Reichsregiernng hat inzwischen nichts über diese Frage verlauten lassen,
von dem Erfolg etwaiger Vorarbeiten ist nichts zu Tage getreten, und auch die
Regierungen der einzelnen Staaten rühren sich durchaus nicht, so daß die
Vermuthung nur zu berechtigt ist, die Sache sei den Regierungen unbequem
und solle act Icslenä^s Zraeeas verschoben werden.

Dieser traurigen Indolenz gegenüber, mit der eine der wichtigsten Fragen
von den maßgebenden Kreisen behandelt wird, ist es um so nothwendiger,
sich über die von der Wissenschaft fixirten Prinzipien zu verständigen und
dieselben zum Gemeingut der Nation zu machen.

Für die Anlage der Kanäle sind durchaus andere Grundsätze maßgebend,
wie für den Ban der Eisenbahnen. Zunächst müssen sich alle Wasseranlagen
der Bodengestaltung anschließen, so kühne Experimente wie der Eisenbahn-
Ingenieur macht, kann der Wassertechniker nicht machen; sodann aber ist eine
weitere Grundbedingung zur Anlage von Kanälen das Vorhandensein großer
zu befördernder Massen der für die Kanalfracht geeigneten groben Güter, wie
Holz, Kohlen, Torf, Steine, Baumaterial, Getreide, Obst, Düngstoffe, Erze,
Erde und tgi., sowie auch gewisser billiger und schwerwiegender Kaufmannsgüter,
wie Baumwolle, Wolle, Spiritus, Petroleum, Schwefelsäure, Gläser, Roheisen,
Schmiedeeisen, Maschinen, Pulver ;c.

Diese Rohmaterialien und Güter müssen in solcher Menge transportirt
werden, daß dadurch die Verzinsung, die Unterhaltung und Verwaltung der
Anlage aus den Kanalgebühren gedeckt werden können. Diese Gebühren haben
aber wegen der Konkurrenz der Eisenbahnen eine ganz bestimmte Grenze, die
sie nicht überschreiten können, denn sie dürfen mit den Kosten des Transportes
zusammen uur die Hälfte des Eisenbahn-Transportes betragen, sonst ist der
Kanal nicht konkurrenzfähig; denn die Bedeutung der Kanalanlage liegt eben
darin, daß die Transportkosten für grobe Güter bedeutend ermäßigt werden.

So ist also ein fester Maßstab für die Rentabilität einer Kanalanlage
geschaffen. Da sich die Transportkosten vermittelst eines Schiffes ziemlich
genau berechnen lassen, so ist auch die Höhe der Kanalabgabe leicht fixirt;
beide zusammen dürfen pro Centner und Meile den Tarif von Pfennig
nicht überschreiten. Je größer das Fahrzeug ist, um so niedriger werden sich
übrigens die Frachtkosten stellen. Die Größe des Fahrzeuges ist aber wieder
bedingt durch die Kanalanlage. Als Minimaltiefe wurde gegenwärtig von
allen Sachverständigen 2 Meter Wasserstand angenommen, indessen gibt es
auch viele Kanäle, welche selbst 3 Meter Tiefe und noch mehr enthalten. Nach
den Herstellungskosten richtet sich nun lediglich die Höhe des nothwendigen


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[0186] Ernst, diese Sache zu fördern, damals wenigstens bei der Reichsregierung nicht vorhanden war. Seit dem sind nun schon wieder drei Jahre vergangen, die Reichsregiernng hat inzwischen nichts über diese Frage verlauten lassen, von dem Erfolg etwaiger Vorarbeiten ist nichts zu Tage getreten, und auch die Regierungen der einzelnen Staaten rühren sich durchaus nicht, so daß die Vermuthung nur zu berechtigt ist, die Sache sei den Regierungen unbequem und solle act Icslenä^s Zraeeas verschoben werden. Dieser traurigen Indolenz gegenüber, mit der eine der wichtigsten Fragen von den maßgebenden Kreisen behandelt wird, ist es um so nothwendiger, sich über die von der Wissenschaft fixirten Prinzipien zu verständigen und dieselben zum Gemeingut der Nation zu machen. Für die Anlage der Kanäle sind durchaus andere Grundsätze maßgebend, wie für den Ban der Eisenbahnen. Zunächst müssen sich alle Wasseranlagen der Bodengestaltung anschließen, so kühne Experimente wie der Eisenbahn- Ingenieur macht, kann der Wassertechniker nicht machen; sodann aber ist eine weitere Grundbedingung zur Anlage von Kanälen das Vorhandensein großer zu befördernder Massen der für die Kanalfracht geeigneten groben Güter, wie Holz, Kohlen, Torf, Steine, Baumaterial, Getreide, Obst, Düngstoffe, Erze, Erde und tgi., sowie auch gewisser billiger und schwerwiegender Kaufmannsgüter, wie Baumwolle, Wolle, Spiritus, Petroleum, Schwefelsäure, Gläser, Roheisen, Schmiedeeisen, Maschinen, Pulver ;c. Diese Rohmaterialien und Güter müssen in solcher Menge transportirt werden, daß dadurch die Verzinsung, die Unterhaltung und Verwaltung der Anlage aus den Kanalgebühren gedeckt werden können. Diese Gebühren haben aber wegen der Konkurrenz der Eisenbahnen eine ganz bestimmte Grenze, die sie nicht überschreiten können, denn sie dürfen mit den Kosten des Transportes zusammen uur die Hälfte des Eisenbahn-Transportes betragen, sonst ist der Kanal nicht konkurrenzfähig; denn die Bedeutung der Kanalanlage liegt eben darin, daß die Transportkosten für grobe Güter bedeutend ermäßigt werden. So ist also ein fester Maßstab für die Rentabilität einer Kanalanlage geschaffen. Da sich die Transportkosten vermittelst eines Schiffes ziemlich genau berechnen lassen, so ist auch die Höhe der Kanalabgabe leicht fixirt; beide zusammen dürfen pro Centner und Meile den Tarif von Pfennig nicht überschreiten. Je größer das Fahrzeug ist, um so niedriger werden sich übrigens die Frachtkosten stellen. Die Größe des Fahrzeuges ist aber wieder bedingt durch die Kanalanlage. Als Minimaltiefe wurde gegenwärtig von allen Sachverständigen 2 Meter Wasserstand angenommen, indessen gibt es auch viele Kanäle, welche selbst 3 Meter Tiefe und noch mehr enthalten. Nach den Herstellungskosten richtet sich nun lediglich die Höhe des nothwendigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/186>, abgerufen am 21.10.2024.