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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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sind. Auch würde sich mit Hilfe der regulirten Flüsse und der Kanäle eine
regelmäßige Entwässerung und Bewässerung der anliegenden Ackerflächen aus¬
führen lassen, wodurch diese bedeutend an Ertragsfähigkeit gewinnen würden.
Die Vortheile, welche dadurch der Landwirthschaft zu theil würden, sind uner¬
meßlich. Unfruchtbare Gegenden könnten in kurzer Zeit durch ein Berieselungs¬
system der Cultur gewonnen werden, und auf diese Weise würde namentlich
die Viehzucht einen enormen Aufschwung gewinnen können.

So bieten sich also nach allen Seiten große Vortheile, welche durch die
Regulirung der Flüsse und die Erbauung von Kanälen dem Volkswohlstande
zu Theil würden. Trotzdem herrscht in den maßgebenden Kreisen Gleichgültigkeit
gegen diese so überaus wichtige Frage, so daß die Schwierigkeiten dort weit
größer sind als in der topographischen Gestaltung von Deutschland und speciell
von Preußen; denn es gibt kein Land außer Holland, welches durch die Natur
der Lage für die Herstellung eines umfassenden Kanalnetzes so günstig situirt
ist als grade Norddeutschland. Das Terrain ist durchgehends eben und so
allmählich zum Meere geneigt, daß hervorragende Schwierigkeiten nicht vor¬
handen sind.

Sehen wir uns die Höhenlage einzelner hervorragender Punkte Norddeutsch¬
lands an, so ist dieselbe von Berlin nur 104' über dem Pegel der Nordsee,
Havelberg 76', Magdeburg 138', Dresden 348', Breslau 358', Frankfurt a. d. Oder
65', die Porta Westphalica liegt nur 130' über dem Meere, also uur eine
geringe Höhe über Berlin, Halle hat eine Hohe von 255', und Leipzig 356'.
Von den Städten am Niederrhein hat Krefeld 120'. Diese Höhenangabeu
zeigen schon, daß eine Verbindung von Wesel am Niederrhein mit Umgehung
des Osning durch Hannover auf Magdeburg und von dort nach Berlin und
weiter nach Osten bis Bromberg ohne irgend eine Schwierigkeit möglich ist,
da alle diese Orte fast auf gleicher Höhe über dem Meere liegeu und höchstens
unter einander um 16--20' differiren. Aber auch die Ersteigung Sachsens
sowohl wie Schlesiens bieten nur unbedeutende Schwierigkeiten, ebenso wie das
Herabsteigen zur Nord- und Ostsee.

Der Kanalfrage gegenüber ist bisher in Deutschland gewissermaßen wvula
rasa, wir können daher auf diesem Gebiete systematischer vorgehen, wie irgend
ein anderes Land, wir können die Mängel und Fehler vermeiden, die ander¬
wärts gemacht sind und etwas in jeder Beziehung mustergiltiges leisten. Auch
können jene Mängel vermieden werden, welche dem deutschen Eisenbahnsystem
anhaften. Infolge der Vielstaaterei, der vollständigen Ziellosigkeit, die ans
diesem Gebiete herrschte, ist offenbar ein großer Theil der Eisenbahnen verkehrt
angelegt. Hätte man sich in Preußen sofort zu einem energischen Staatseisen¬
bahnsystem verstanden, so wäre die Anlage vieler unnöthiger Konkurrenz-


sind. Auch würde sich mit Hilfe der regulirten Flüsse und der Kanäle eine
regelmäßige Entwässerung und Bewässerung der anliegenden Ackerflächen aus¬
führen lassen, wodurch diese bedeutend an Ertragsfähigkeit gewinnen würden.
Die Vortheile, welche dadurch der Landwirthschaft zu theil würden, sind uner¬
meßlich. Unfruchtbare Gegenden könnten in kurzer Zeit durch ein Berieselungs¬
system der Cultur gewonnen werden, und auf diese Weise würde namentlich
die Viehzucht einen enormen Aufschwung gewinnen können.

So bieten sich also nach allen Seiten große Vortheile, welche durch die
Regulirung der Flüsse und die Erbauung von Kanälen dem Volkswohlstande
zu Theil würden. Trotzdem herrscht in den maßgebenden Kreisen Gleichgültigkeit
gegen diese so überaus wichtige Frage, so daß die Schwierigkeiten dort weit
größer sind als in der topographischen Gestaltung von Deutschland und speciell
von Preußen; denn es gibt kein Land außer Holland, welches durch die Natur
der Lage für die Herstellung eines umfassenden Kanalnetzes so günstig situirt
ist als grade Norddeutschland. Das Terrain ist durchgehends eben und so
allmählich zum Meere geneigt, daß hervorragende Schwierigkeiten nicht vor¬
handen sind.

Sehen wir uns die Höhenlage einzelner hervorragender Punkte Norddeutsch¬
lands an, so ist dieselbe von Berlin nur 104' über dem Pegel der Nordsee,
Havelberg 76', Magdeburg 138', Dresden 348', Breslau 358', Frankfurt a. d. Oder
65', die Porta Westphalica liegt nur 130' über dem Meere, also uur eine
geringe Höhe über Berlin, Halle hat eine Hohe von 255', und Leipzig 356'.
Von den Städten am Niederrhein hat Krefeld 120'. Diese Höhenangabeu
zeigen schon, daß eine Verbindung von Wesel am Niederrhein mit Umgehung
des Osning durch Hannover auf Magdeburg und von dort nach Berlin und
weiter nach Osten bis Bromberg ohne irgend eine Schwierigkeit möglich ist,
da alle diese Orte fast auf gleicher Höhe über dem Meere liegeu und höchstens
unter einander um 16—20' differiren. Aber auch die Ersteigung Sachsens
sowohl wie Schlesiens bieten nur unbedeutende Schwierigkeiten, ebenso wie das
Herabsteigen zur Nord- und Ostsee.

Der Kanalfrage gegenüber ist bisher in Deutschland gewissermaßen wvula
rasa, wir können daher auf diesem Gebiete systematischer vorgehen, wie irgend
ein anderes Land, wir können die Mängel und Fehler vermeiden, die ander¬
wärts gemacht sind und etwas in jeder Beziehung mustergiltiges leisten. Auch
können jene Mängel vermieden werden, welche dem deutschen Eisenbahnsystem
anhaften. Infolge der Vielstaaterei, der vollständigen Ziellosigkeit, die ans
diesem Gebiete herrschte, ist offenbar ein großer Theil der Eisenbahnen verkehrt
angelegt. Hätte man sich in Preußen sofort zu einem energischen Staatseisen¬
bahnsystem verstanden, so wäre die Anlage vieler unnöthiger Konkurrenz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/184>, abgerufen am 28.09.2024.