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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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aber im Sommer 1627 auf einer Reise in den Niederlanden. Fabricius selbst
war bis zu seinem 13. Jahre ein kränklicher Knabe, lag 1575 sechs Monate
lang an der Pest, erfreute sich aber danach einer dauerhaften Gesundheit. Im
vorgerückteren Alter jedoch ereilte auch ihn das Geschick manches großen Wund¬
arztes in Gestalt des Zipperleins, welches sich oft gerade zu recht ungelegener
Zeit einstellte; so hielt es ihn einmal mehrere Wochen in Karlsburg fest.

Während seiner häufigen Abwesenheit lag die Praxis daheim in den
Händen der Frau Colinetea und seiner Schüler oder Assistenten. Viele von
diesen scheinen im Hause ihres Meisters gewohnt zu haben, wenigstens darf
man das aus dem Ausdruck eonviowr schließen. Als solchen finden wir
unter andern (1604) Albert Haunzweig aus Berlin, ein Beweis dafür, wie weit
der Ruf des Fabricius als Lehrer gedrungen war, obwohl er weder über
einen Lehrstuhl, noch über eine Klinik zu verfügen hatte.

Dies in kurzen Umrissen das Leben des Fabricius. Aehnlich gestaltet
sich das aller namhaften Chirurgen, nur daß es sich in engeren Grenzen be¬
wegt. Viele von ihnen sammeln ihre Erfahrungen im Felde, wozu sich ja
reichliche Gelegenheit bot, und nehmen dann eine feste Stellung als Stadt¬
oder Leibarzte an. Josef Schmidt lernte bei seinem Vater Balthasar Schmidt
in Augsburg, war dann fünf Jahre kaiserlicher Feldchirurg und schließlich
"Barbierer, geschworener Wund- und Brecharzt zu Augsburg". Purmanu,
ein geborener Schlesier, hatte zum Lehrmeister den "weltberühmten Chirurgus"
Paul Rnmpelt in Großglogau (1665--67) und den Okulisten Josef Stipfen.
Er diente 12 Jahre in der kurbrandenbnrgischen Armee, trieb während dieser
Zeit im Elsaß, in Westfalen, Mecklenburg und Pommern Gelegenheitspraxis,
war von 1680--85 Wundarzt in Halberstadt und danach Stadtarzt von
Breslau. Purmann ist eine ähnliche Erscheinung wie Fabricius, aber nicht
so bedeutend. Auf die Anatomie legt anch er großen Werth; 1674 fertigte er
vor Straßburg aus dem Körper eines Gefallenen ein Skelet an, welches er
nachher dem Physikus Becker in Rottenburg schenkte.

Wenn so aus den Reihen. der Wundärzte einzelne Männer zu höchstem
Ausehen gelangen und dadurch einen hebenden Einfluß auf die Gesammtheit
ausüben, so fangen anderseits gelehrte Medizi in größerer Zahl an, Chirurgie
wirklich zu treiben. Hatte doch schon Paracelsus die Vereinigung dieser bei¬
den großen Disziplinen gefordert, und ebenso verlangt Fabricius, daß jeder
Medicus die Wundarznei nicht blos theoretisch, sondern auch praktisch erlerne.
Zahlreiche Kandidaten der Medizin werden seine Schüler; vornehme Medici
wiederum unterrichten angehende Wundärzte und bemühen sich, die Chirurgie
zu Ehren zu bringen. Unter diesen Letzteren nenne ich nur: Dr. Johann
scultetus in Ulm, Dr. Pfeizer, tu^ficus oräinarius der Stadt Nürnberg, Dr.


aber im Sommer 1627 auf einer Reise in den Niederlanden. Fabricius selbst
war bis zu seinem 13. Jahre ein kränklicher Knabe, lag 1575 sechs Monate
lang an der Pest, erfreute sich aber danach einer dauerhaften Gesundheit. Im
vorgerückteren Alter jedoch ereilte auch ihn das Geschick manches großen Wund¬
arztes in Gestalt des Zipperleins, welches sich oft gerade zu recht ungelegener
Zeit einstellte; so hielt es ihn einmal mehrere Wochen in Karlsburg fest.

Während seiner häufigen Abwesenheit lag die Praxis daheim in den
Händen der Frau Colinetea und seiner Schüler oder Assistenten. Viele von
diesen scheinen im Hause ihres Meisters gewohnt zu haben, wenigstens darf
man das aus dem Ausdruck eonviowr schließen. Als solchen finden wir
unter andern (1604) Albert Haunzweig aus Berlin, ein Beweis dafür, wie weit
der Ruf des Fabricius als Lehrer gedrungen war, obwohl er weder über
einen Lehrstuhl, noch über eine Klinik zu verfügen hatte.

Dies in kurzen Umrissen das Leben des Fabricius. Aehnlich gestaltet
sich das aller namhaften Chirurgen, nur daß es sich in engeren Grenzen be¬
wegt. Viele von ihnen sammeln ihre Erfahrungen im Felde, wozu sich ja
reichliche Gelegenheit bot, und nehmen dann eine feste Stellung als Stadt¬
oder Leibarzte an. Josef Schmidt lernte bei seinem Vater Balthasar Schmidt
in Augsburg, war dann fünf Jahre kaiserlicher Feldchirurg und schließlich
„Barbierer, geschworener Wund- und Brecharzt zu Augsburg". Purmanu,
ein geborener Schlesier, hatte zum Lehrmeister den „weltberühmten Chirurgus"
Paul Rnmpelt in Großglogau (1665—67) und den Okulisten Josef Stipfen.
Er diente 12 Jahre in der kurbrandenbnrgischen Armee, trieb während dieser
Zeit im Elsaß, in Westfalen, Mecklenburg und Pommern Gelegenheitspraxis,
war von 1680—85 Wundarzt in Halberstadt und danach Stadtarzt von
Breslau. Purmann ist eine ähnliche Erscheinung wie Fabricius, aber nicht
so bedeutend. Auf die Anatomie legt anch er großen Werth; 1674 fertigte er
vor Straßburg aus dem Körper eines Gefallenen ein Skelet an, welches er
nachher dem Physikus Becker in Rottenburg schenkte.

Wenn so aus den Reihen. der Wundärzte einzelne Männer zu höchstem
Ausehen gelangen und dadurch einen hebenden Einfluß auf die Gesammtheit
ausüben, so fangen anderseits gelehrte Medizi in größerer Zahl an, Chirurgie
wirklich zu treiben. Hatte doch schon Paracelsus die Vereinigung dieser bei¬
den großen Disziplinen gefordert, und ebenso verlangt Fabricius, daß jeder
Medicus die Wundarznei nicht blos theoretisch, sondern auch praktisch erlerne.
Zahlreiche Kandidaten der Medizin werden seine Schüler; vornehme Medici
wiederum unterrichten angehende Wundärzte und bemühen sich, die Chirurgie
zu Ehren zu bringen. Unter diesen Letzteren nenne ich nur: Dr. Johann
scultetus in Ulm, Dr. Pfeizer, tu^ficus oräinarius der Stadt Nürnberg, Dr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/179>, abgerufen am 21.10.2024.