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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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landes, und als nun der Friede in Aussicht stand, da heulten sie unisono:
"Was? arbeiten sollen wir, die Uniform ausziehen, auf den Sold verzichten,
oh das ist zu viel verlangt, das ist hart!" --

Hier liegt der Schlüssel zu dem Beistand, den die Pläne der Kommune
fanden. -- Als durch die Erwählung der Abgeordnetenversainmlung, welche in
Bordeaux tagte, eine gesetzliche Gewalt geschaffen war, von der die geheimen
Lenker der Pariser Bevölkerung sich nichts Gutes versahen, da war der Moment
gekommen, die Maske abzuwerfen. Daß diese Versammlung sich weigerte in
Paris zu lagen, stellte sie sofort in den schärfsten Gegensatz zu der eitlen hoch¬
fahrenden Bevölkerung dieser Stadt, die sich als das Haupt Frankreichs be¬
trachtete, bestimmt, seine Provinzen zu leiten. Bekanntlich haben die Führer
der Kommune diesen Umstand nach Kräften ausgebeutet. Seit dem Sturze
des Kaiserreiches hatten sie, unbekümmert um des Vaterlandes Noth, danach
gestrebt, die Zügel der Herrschaft an sich zu reißen. Die Fehler der Regie¬
rung, welche der 4. September entstehen sah, hatten eine bewaffnete Macht in
ihre Hände gegeben, wie sie wohl noch nie eine revolutionäre Partei besessen.
Die Führer der Kommune gingen also daran, ihre Pläne auszuführen. Wenn
man nach diesen fragt, so stellt sich das Resultat einfach dahin: Diebstahl,
Habgier, Rachsucht und Wollust, sind die eigentlichen Beweggründe, mochte anch in
den Phrasen, welche den Massen hingeworfen wurden, manche berechtigte Wahr¬
heit mit unterlaufen. Den Leitern war sicher jede höhere Absicht fremd; das
zeigen ihre Handlungen während ihrer ephemeren Herrschaft. Am 4. Septem¬
ber hatte das liberale Bürgerthum geglaubt, die Herrschaft des Kaiserreichs an¬
zutreten, aber im Schoosze des Comite' der nationalen Vertheidigung saßen
schon die geheimen Führer der Kommune oder doch ihre Werkzeuge. Gleich
nach Beginn der Belagerung machte sich neben der gesetzlichen Gewalt ein
fremder Einfluß fühlbar, der den Verfügungen der ersteren oft wirksam, immer
aber feindlich gegenübertrat. Innerhalb der Sectoren, in welche man Paris
behufs der Vertheidigung eingetheilt, innerhalb der Nationalgardenbataillo'ne,
der Arrondissements, bildeten sich Vereine unter den verschiedensten, oft patrio¬
tischen Namen. Von ihnen ging die Lösung aus für die Wahlen von Beamten
aller Art, für das Verhalten der Nationalgarten bei verschiedenen Anlässen.
Alle diese Vereine standen unter einheitlicher Leitung, die aber im Verborgnen
blieb. Es war das Centralcomiti der Kommune, wie es später sich
selbst taufte. Wohl fühlte die Regierung den Einfluß dieser verborgenen Ge¬
walt, aber entweder fürchtete sie sich bereits vor den Oberleitern, oder sie
waren ihr wirklich zur Zeit noch nicht bekannt. So machte sie denn am
10. Dezember 1870 einen Versuch, die ihr bekannten Zweigvereine zu unter¬
drücken und aufzulösen. Sie wählte dazu den bei liberalen Regierungen


landes, und als nun der Friede in Aussicht stand, da heulten sie unisono:
„Was? arbeiten sollen wir, die Uniform ausziehen, auf den Sold verzichten,
oh das ist zu viel verlangt, das ist hart!" —

Hier liegt der Schlüssel zu dem Beistand, den die Pläne der Kommune
fanden. — Als durch die Erwählung der Abgeordnetenversainmlung, welche in
Bordeaux tagte, eine gesetzliche Gewalt geschaffen war, von der die geheimen
Lenker der Pariser Bevölkerung sich nichts Gutes versahen, da war der Moment
gekommen, die Maske abzuwerfen. Daß diese Versammlung sich weigerte in
Paris zu lagen, stellte sie sofort in den schärfsten Gegensatz zu der eitlen hoch¬
fahrenden Bevölkerung dieser Stadt, die sich als das Haupt Frankreichs be¬
trachtete, bestimmt, seine Provinzen zu leiten. Bekanntlich haben die Führer
der Kommune diesen Umstand nach Kräften ausgebeutet. Seit dem Sturze
des Kaiserreiches hatten sie, unbekümmert um des Vaterlandes Noth, danach
gestrebt, die Zügel der Herrschaft an sich zu reißen. Die Fehler der Regie¬
rung, welche der 4. September entstehen sah, hatten eine bewaffnete Macht in
ihre Hände gegeben, wie sie wohl noch nie eine revolutionäre Partei besessen.
Die Führer der Kommune gingen also daran, ihre Pläne auszuführen. Wenn
man nach diesen fragt, so stellt sich das Resultat einfach dahin: Diebstahl,
Habgier, Rachsucht und Wollust, sind die eigentlichen Beweggründe, mochte anch in
den Phrasen, welche den Massen hingeworfen wurden, manche berechtigte Wahr¬
heit mit unterlaufen. Den Leitern war sicher jede höhere Absicht fremd; das
zeigen ihre Handlungen während ihrer ephemeren Herrschaft. Am 4. Septem¬
ber hatte das liberale Bürgerthum geglaubt, die Herrschaft des Kaiserreichs an¬
zutreten, aber im Schoosze des Comite' der nationalen Vertheidigung saßen
schon die geheimen Führer der Kommune oder doch ihre Werkzeuge. Gleich
nach Beginn der Belagerung machte sich neben der gesetzlichen Gewalt ein
fremder Einfluß fühlbar, der den Verfügungen der ersteren oft wirksam, immer
aber feindlich gegenübertrat. Innerhalb der Sectoren, in welche man Paris
behufs der Vertheidigung eingetheilt, innerhalb der Nationalgardenbataillo'ne,
der Arrondissements, bildeten sich Vereine unter den verschiedensten, oft patrio¬
tischen Namen. Von ihnen ging die Lösung aus für die Wahlen von Beamten
aller Art, für das Verhalten der Nationalgarten bei verschiedenen Anlässen.
Alle diese Vereine standen unter einheitlicher Leitung, die aber im Verborgnen
blieb. Es war das Centralcomiti der Kommune, wie es später sich
selbst taufte. Wohl fühlte die Regierung den Einfluß dieser verborgenen Ge¬
walt, aber entweder fürchtete sie sich bereits vor den Oberleitern, oder sie
waren ihr wirklich zur Zeit noch nicht bekannt. So machte sie denn am
10. Dezember 1870 einen Versuch, die ihr bekannten Zweigvereine zu unter¬
drücken und aufzulösen. Sie wählte dazu den bei liberalen Regierungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/94>, abgerufen am 19.10.2024.