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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Verkaufsladen, Spielhöllen und ähnlichen Lokalen bildeten die Abzngsquellen
des leicht erworbenen und schnell rollenden Geldes und zeigten ein überaus
bewegtes Bild des allgemeinen Hastens und Jagens nach Reichthümern und
des leichtsinnigsten Vergeudens der Beute in unlauteren Genüssen. Tausende
und aber Tausende von spekulirenden Köpfen und arbeitenden Händen, ein
.Wald von Bohrthürmen, lange, schwerbeladene Eisenbahnzüge belebten keine
drei Jahre nach Eröffnung der ersten Oelqnelle bei Titusville diesen früher
tief einsamen, fast unwegsamen Landstrich -- ein plötzliches Erblühen und
Frnchtbringen, wie es in Europa kaum je erlebt, ja kaum begreiflich ist.

Aber nicht lange, so zeigte sich auch hier, daß der Ueberfluß oft Noth
erzeugt. Der plötzlichen unermeßlichen Steigerung der Produktion folgte keine
ihr entsprechende rasche Zunahme der Konsumtion, das Angebot begegnete
keiner seiner Massenhaftigkeit gleichen Nachfrage, und so geschah es, daß ein Faß
(.1,59 Hektoliter) Rossi um 10 Cents oder 40 Reichspfennige angeboten wurde,
daß man mehrere überfließende Brunnen unverwerthet in den benachbarten
Bach oder Fluß ablaufen zu lassen gezwungen war, und daß nur die reichsten
Quellen noch eine Rente abwarfen, die ärmeren aber aufgegeben wurden. Kurz,
dem unvergleichlich hohen Stande der Fluth folgte eine tiefe Ebbe, ungeheure
Kapitalien schienen verloren zu sein, die jungen Städte leerten sich sast so schnell,
als sie sich gefüllt hatten, ganze Gassen darin waren ohne Bewohner, verfielen
oder wurden niedergerissen.

Die unerhört tiefgesunkenen Preise des Jahres 1861 waren das beste
Mittel, die Nachfrage rasch wieder steigen zu lassen, die Produktion hatte be¬
deutend abgenommen. Beides wirkte zusammen, daß das Geschäft nach Ver¬
lauf von etwa zwei Jahren wieder zur Blüthe gelangte, und daß 1864 ein¬
zelne Posten Rossi mit 14 Dollars oder 56 Mark pro Faß abgegeben wurden
und der jährliche Durchschnittspreis sich auf 19 Mark 70 Pfennige stellte. Es
war dies das glücklichste Jahr der amerikanischen Petroleum-Industrie. Auch
sonst gestaltete sich Manches auf diesem Gebiete besser. Während der beiden
ungünstigen Jahre 1862 und 1863 läuterte sich die bunte und großentheils
unsaubere Gesellschaft, die sich in der Oelregion zusammengefunden hatte, und
mit ihr der bis dahin recht wüst aufgetretene Geschäftsgeist, wenn er auch noch
heute mit europäischen Anschauungen von Recht und Billig vielfach im
Widersprüche steht. Drüben über dem großen Wasser, wo die Erde noch so
reich an ungehobener Naturschätzen ist, heißt es, dieselben in kürzester Frist
möglichst ausbeuten, da stets neue, bisher nicht geahnte Konkurrenz droht.
Daß hierbei, besonders in besonders ergiebigen Jahren viel verwüstet, ver¬
geudet und verschleudert wird, ist naturgemäß und landesüblich. Das System
erscheint uns als Raubbau und hat anch entschieden diesen Charakter, da es


Verkaufsladen, Spielhöllen und ähnlichen Lokalen bildeten die Abzngsquellen
des leicht erworbenen und schnell rollenden Geldes und zeigten ein überaus
bewegtes Bild des allgemeinen Hastens und Jagens nach Reichthümern und
des leichtsinnigsten Vergeudens der Beute in unlauteren Genüssen. Tausende
und aber Tausende von spekulirenden Köpfen und arbeitenden Händen, ein
.Wald von Bohrthürmen, lange, schwerbeladene Eisenbahnzüge belebten keine
drei Jahre nach Eröffnung der ersten Oelqnelle bei Titusville diesen früher
tief einsamen, fast unwegsamen Landstrich — ein plötzliches Erblühen und
Frnchtbringen, wie es in Europa kaum je erlebt, ja kaum begreiflich ist.

Aber nicht lange, so zeigte sich auch hier, daß der Ueberfluß oft Noth
erzeugt. Der plötzlichen unermeßlichen Steigerung der Produktion folgte keine
ihr entsprechende rasche Zunahme der Konsumtion, das Angebot begegnete
keiner seiner Massenhaftigkeit gleichen Nachfrage, und so geschah es, daß ein Faß
(.1,59 Hektoliter) Rossi um 10 Cents oder 40 Reichspfennige angeboten wurde,
daß man mehrere überfließende Brunnen unverwerthet in den benachbarten
Bach oder Fluß ablaufen zu lassen gezwungen war, und daß nur die reichsten
Quellen noch eine Rente abwarfen, die ärmeren aber aufgegeben wurden. Kurz,
dem unvergleichlich hohen Stande der Fluth folgte eine tiefe Ebbe, ungeheure
Kapitalien schienen verloren zu sein, die jungen Städte leerten sich sast so schnell,
als sie sich gefüllt hatten, ganze Gassen darin waren ohne Bewohner, verfielen
oder wurden niedergerissen.

Die unerhört tiefgesunkenen Preise des Jahres 1861 waren das beste
Mittel, die Nachfrage rasch wieder steigen zu lassen, die Produktion hatte be¬
deutend abgenommen. Beides wirkte zusammen, daß das Geschäft nach Ver¬
lauf von etwa zwei Jahren wieder zur Blüthe gelangte, und daß 1864 ein¬
zelne Posten Rossi mit 14 Dollars oder 56 Mark pro Faß abgegeben wurden
und der jährliche Durchschnittspreis sich auf 19 Mark 70 Pfennige stellte. Es
war dies das glücklichste Jahr der amerikanischen Petroleum-Industrie. Auch
sonst gestaltete sich Manches auf diesem Gebiete besser. Während der beiden
ungünstigen Jahre 1862 und 1863 läuterte sich die bunte und großentheils
unsaubere Gesellschaft, die sich in der Oelregion zusammengefunden hatte, und
mit ihr der bis dahin recht wüst aufgetretene Geschäftsgeist, wenn er auch noch
heute mit europäischen Anschauungen von Recht und Billig vielfach im
Widersprüche steht. Drüben über dem großen Wasser, wo die Erde noch so
reich an ungehobener Naturschätzen ist, heißt es, dieselben in kürzester Frist
möglichst ausbeuten, da stets neue, bisher nicht geahnte Konkurrenz droht.
Daß hierbei, besonders in besonders ergiebigen Jahren viel verwüstet, ver¬
geudet und verschleudert wird, ist naturgemäß und landesüblich. Das System
erscheint uns als Raubbau und hat anch entschieden diesen Charakter, da es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/58>, abgerufen am 24.08.2024.