Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.Pflicht u. s. w. Jedem, der anch nur flüchtig in diese Verhältnisse hineinge¬ Wir haben die gegen einzelne Bestimmungen der derzeitigen Armengesetz¬ Grenzboten III. 1877.
Pflicht u. s. w. Jedem, der anch nur flüchtig in diese Verhältnisse hineinge¬ Wir haben die gegen einzelne Bestimmungen der derzeitigen Armengesetz¬ Grenzboten III. 1877.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138812"/> <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129"> Pflicht u. s. w. Jedem, der anch nur flüchtig in diese Verhältnisse hineinge¬<lb/> blickt hat, muß feststehen, daß bezüglich dieses Punktes Abhilfe dringend nöthig<lb/> ist. Insbesondere die Bürgermeister und Rathsschreiber sind in den letzten<lb/> Jahren mit einer Fülle von zuvor nicht gekannten geschäftlichen Auflagen be¬<lb/> dacht worden, der Kreis ihrer Dienstobliegenheiten hat sich dermaßen erweitert,<lb/> daß es erfahrungsgemäß jetzt schon mitunter schwer wird, Männer zu finden,<lb/> die in der Lage sind, die für die Führung der betreffenden Aemter erforderliche<lb/> Zeit und Arbeitskraft aufwenden zu können. Wir stehen nicht anf Seite<lb/> Derer, welche aus diesem Grunde Beschränkungen in der Selbstverwaltung for¬<lb/> dern. Im Gegentheil, wir wünschen Erweiterung des Kreises der Selbstver¬<lb/> waltung, aber gleichzeitig — und das läßt sich erreichen — Geschäftsverein¬<lb/> fachung. Auf dem Gebiete der Armenpflege dürfte Geschäftsvereinfachung in<lb/> wirksamer Weise mit Jnkraftsetzuug der unter Ziffer 1 und 3 aufgeführten<lb/> Punkte herbeizuführen sein. Endlich ist allbekannt, wie schwierig in vielen<lb/> Fällen die Festsetzung der bezüglich eines Zeitraums von zwei Jahren zu<lb/> eruirenden Anfenthaltsverhältnisse ist, welche Unsumme schriftlicher und münd¬<lb/> licher Erörterungen, Zeugenvernehmuugen und dergl. resultatlos verlaufen. Die<lb/> Minderung der Frist auf ein Jahr wird von den mit Führung der vorer¬<lb/> wähnten Geschäfte betrauten Stellen nud Personen schon lange gewünscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_131" next="#ID_132"> Wir haben die gegen einzelne Bestimmungen der derzeitigen Armengesetz¬<lb/> gebung erhobenen, dem Gebiet der Praxis entstammenden Klagen vernommen.<lb/> Lassen wir nun auch die Theoretiker zu Worte kommen, und zwar sofort mit<lb/> einem Satz, der zwar grau scheinen mag, wie alle Theorie, aber in seiner<lb/> praktischen Anwendung des Lebens goldnen Baum also befruchten muß, daß<lb/> dieser in Grün strahlen wird, frischer denn zuvor. Wir haben oben schon von<lb/> der Freizügigkeit gesprochen als einem deutschen Grundrecht, das nicht ver¬<lb/> kümmert werden darf. Unser Ideal ist die unbeschränkte Freizügigkeit. Die¬<lb/> selbe ist zur Zeit nur unvollkommen verwirklicht, indem das Freizügigkeits-<lb/> Sesetz vom 1. November 1867 zwar die Geschlossenheit des Gemeindeverbandes<lb/> und die damit zusammenhängende Selbstbestimmung der Gemeinden über die<lb/> Aufnahme Neuanziehender aufhob, jedoch unter Zuweisung des Ersatzes, daß<lb/> den Gemeinden das Ausweisungsrecht gegenüber solchen Personen gewährt<lb/> wurde, hinsichtlich deren sich vor Erwerbung des Unterstützungswohusitzes die<lb/> Nothwendigkeit einer öffentlichen Unterstützung gezeigt hat und hinsichtlich deren<lb/> "achgewiesen werden kann, „daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als<lb/> wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist"<lb/> Breizügigkeitsgesetz 5). Wir wollen nicht an dieser Bestimmung als solcher<lb/> rütteln. Es hieße das ein Grundprinzip unserer Armengesetzgebung antasten,<lb/> und das halten wir zur Zeit durchaus nicht sür angezeigt. Aber wie schwer</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1877.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
Pflicht u. s. w. Jedem, der anch nur flüchtig in diese Verhältnisse hineinge¬
blickt hat, muß feststehen, daß bezüglich dieses Punktes Abhilfe dringend nöthig
ist. Insbesondere die Bürgermeister und Rathsschreiber sind in den letzten
Jahren mit einer Fülle von zuvor nicht gekannten geschäftlichen Auflagen be¬
dacht worden, der Kreis ihrer Dienstobliegenheiten hat sich dermaßen erweitert,
daß es erfahrungsgemäß jetzt schon mitunter schwer wird, Männer zu finden,
die in der Lage sind, die für die Führung der betreffenden Aemter erforderliche
Zeit und Arbeitskraft aufwenden zu können. Wir stehen nicht anf Seite
Derer, welche aus diesem Grunde Beschränkungen in der Selbstverwaltung for¬
dern. Im Gegentheil, wir wünschen Erweiterung des Kreises der Selbstver¬
waltung, aber gleichzeitig — und das läßt sich erreichen — Geschäftsverein¬
fachung. Auf dem Gebiete der Armenpflege dürfte Geschäftsvereinfachung in
wirksamer Weise mit Jnkraftsetzuug der unter Ziffer 1 und 3 aufgeführten
Punkte herbeizuführen sein. Endlich ist allbekannt, wie schwierig in vielen
Fällen die Festsetzung der bezüglich eines Zeitraums von zwei Jahren zu
eruirenden Anfenthaltsverhältnisse ist, welche Unsumme schriftlicher und münd¬
licher Erörterungen, Zeugenvernehmuugen und dergl. resultatlos verlaufen. Die
Minderung der Frist auf ein Jahr wird von den mit Führung der vorer¬
wähnten Geschäfte betrauten Stellen nud Personen schon lange gewünscht.
Wir haben die gegen einzelne Bestimmungen der derzeitigen Armengesetz¬
gebung erhobenen, dem Gebiet der Praxis entstammenden Klagen vernommen.
Lassen wir nun auch die Theoretiker zu Worte kommen, und zwar sofort mit
einem Satz, der zwar grau scheinen mag, wie alle Theorie, aber in seiner
praktischen Anwendung des Lebens goldnen Baum also befruchten muß, daß
dieser in Grün strahlen wird, frischer denn zuvor. Wir haben oben schon von
der Freizügigkeit gesprochen als einem deutschen Grundrecht, das nicht ver¬
kümmert werden darf. Unser Ideal ist die unbeschränkte Freizügigkeit. Die¬
selbe ist zur Zeit nur unvollkommen verwirklicht, indem das Freizügigkeits-
Sesetz vom 1. November 1867 zwar die Geschlossenheit des Gemeindeverbandes
und die damit zusammenhängende Selbstbestimmung der Gemeinden über die
Aufnahme Neuanziehender aufhob, jedoch unter Zuweisung des Ersatzes, daß
den Gemeinden das Ausweisungsrecht gegenüber solchen Personen gewährt
wurde, hinsichtlich deren sich vor Erwerbung des Unterstützungswohusitzes die
Nothwendigkeit einer öffentlichen Unterstützung gezeigt hat und hinsichtlich deren
"achgewiesen werden kann, „daß die Unterstützung aus anderen Gründen, als
wegen einer nur vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit nothwendig geworden ist"
Breizügigkeitsgesetz 5). Wir wollen nicht an dieser Bestimmung als solcher
rütteln. Es hieße das ein Grundprinzip unserer Armengesetzgebung antasten,
und das halten wir zur Zeit durchaus nicht sür angezeigt. Aber wie schwer
Grenzboten III. 1877.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |