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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Löffel und schlug meinen Diener damit, daß der Löffel in zwei Stücke sprang,
mit dem andern Stücke, das ihr in der Hand blieb, schlug sie ihn zum andern
Male ins Gesicht, daß ihm Maul und Nasen blutet. Wie ich dies sahe, schrie
ich, er solle ihr bei Leibe nichts thun, sondern ihr die Hände halten, damit sie
ihm nichts thun konnte, sie aber wandte ihm die Hände aus, ergriff ein Eisen,
hätte es ihm in Leib gestoßen, wo mein Diener ihr nicht dasselbe ausgewunden
hätte; schlug sie damit über den Kopf blntrinstig, doch nicht sehr, sondern die
Schwarte war wenig geöffnet, als hätte man es mit einem Messer geschnitten.
So bald schicket der Wirth nach des Richters Diener, ließ meinen Diener an
eine eiserne Kette legen. Ich hatte zuvor dem Könige dnrch obgemelten meinen
Diener, ehe denn er ins Gefängniß geleget, Schreiben übersendet, darinnen ich
Seiner Majestät in Demut zu wissen that, wie ich von Kaiserlicher Majestät
an Seiner Königlichen Majestät Würde eine Werbung hätte mit angeheffter
Bitte, Seine Königliche Majestät wolle mir gnädige Audienz und Verhör
wiederfahren lassen. Zu dem so konnte der König mir dazumal keine Antwort
geben auf mein Schreiben, denn mein Diener nimmer Anregung thun mochte,
so redete auch zu Hofe Niemand meines Knechtes halben das Wenigste vor
dem Könige."

"Als ich nun vermerkte, daß ich von Jedermann verlassen und verspottet
ward, ging ich selbst zum Könige nnter der Mahl- oder Essenszeit mit meinem
andern Diener, der konnte französisch. Bald als mich der König ansichtig
ward, schickte er einen Doktor zu nur, der mich fragete, ob mir eine Herberge
bestellet wäre, und zeigte mir im Namen des Königs an, ich wollte Geduld
haben, bald nach Essens wollte mich der König verhören. Ick antwortet: Nein,
ick'hätte keine Herberge, wäre auch derentwegen zu Seiner Majestät nicht
kommen, sondern wegen meiner Legation, darumb ich abgefertigt, alt Bitte,
Seine Majestät geruheten keinen ungenädigen Willen darob zu tragen, daß ich
Zu Seiner Majestät nngefordert käme, es dränge mich aber die Noth dazu, denn
demnach ich ihrer schon viel gebeten, hätte mich doch niemand bis dahin anzeigen
wollen, derhalben wäre ich verursacht, solchergestalt zu und für Seiner Majestät
erscheinen. Darnach fragten mich alle Hofleute, so zur selbigen Zeit
zugegen waren, von mancherlei Sachen, gegen denen gedacht ich, wie es um
weinen Diener stunde. Es frageten auch viel Herren zu Hofe, demnach sie die
Gesellschaft, so ich von Kaiserlicher Majestät verehret bekommen, beschauet
hatten, ob' ich solche Arbeit erdacht hätte, aus dem denn leicht abzunehmen
U>ar, daß sie uicht weit in die Welt kommen, auch nicht wußten, was einem
rittermüßigen Manne zugehöret oder ihme gebühret. Nach Essens führte mich der
König selbst in seine Kammer, da thät ich meine Rede und Vordringen vor
ihm, welches der König und auch mich selbst ganz gnädig annahm. Doch


Grruzboten IV. 1877.

Löffel und schlug meinen Diener damit, daß der Löffel in zwei Stücke sprang,
mit dem andern Stücke, das ihr in der Hand blieb, schlug sie ihn zum andern
Male ins Gesicht, daß ihm Maul und Nasen blutet. Wie ich dies sahe, schrie
ich, er solle ihr bei Leibe nichts thun, sondern ihr die Hände halten, damit sie
ihm nichts thun konnte, sie aber wandte ihm die Hände aus, ergriff ein Eisen,
hätte es ihm in Leib gestoßen, wo mein Diener ihr nicht dasselbe ausgewunden
hätte; schlug sie damit über den Kopf blntrinstig, doch nicht sehr, sondern die
Schwarte war wenig geöffnet, als hätte man es mit einem Messer geschnitten.
So bald schicket der Wirth nach des Richters Diener, ließ meinen Diener an
eine eiserne Kette legen. Ich hatte zuvor dem Könige dnrch obgemelten meinen
Diener, ehe denn er ins Gefängniß geleget, Schreiben übersendet, darinnen ich
Seiner Majestät in Demut zu wissen that, wie ich von Kaiserlicher Majestät
an Seiner Königlichen Majestät Würde eine Werbung hätte mit angeheffter
Bitte, Seine Königliche Majestät wolle mir gnädige Audienz und Verhör
wiederfahren lassen. Zu dem so konnte der König mir dazumal keine Antwort
geben auf mein Schreiben, denn mein Diener nimmer Anregung thun mochte,
so redete auch zu Hofe Niemand meines Knechtes halben das Wenigste vor
dem Könige."

„Als ich nun vermerkte, daß ich von Jedermann verlassen und verspottet
ward, ging ich selbst zum Könige nnter der Mahl- oder Essenszeit mit meinem
andern Diener, der konnte französisch. Bald als mich der König ansichtig
ward, schickte er einen Doktor zu nur, der mich fragete, ob mir eine Herberge
bestellet wäre, und zeigte mir im Namen des Königs an, ich wollte Geduld
haben, bald nach Essens wollte mich der König verhören. Ick antwortet: Nein,
ick'hätte keine Herberge, wäre auch derentwegen zu Seiner Majestät nicht
kommen, sondern wegen meiner Legation, darumb ich abgefertigt, alt Bitte,
Seine Majestät geruheten keinen ungenädigen Willen darob zu tragen, daß ich
Zu Seiner Majestät nngefordert käme, es dränge mich aber die Noth dazu, denn
demnach ich ihrer schon viel gebeten, hätte mich doch niemand bis dahin anzeigen
wollen, derhalben wäre ich verursacht, solchergestalt zu und für Seiner Majestät
erscheinen. Darnach fragten mich alle Hofleute, so zur selbigen Zeit
zugegen waren, von mancherlei Sachen, gegen denen gedacht ich, wie es um
weinen Diener stunde. Es frageten auch viel Herren zu Hofe, demnach sie die
Gesellschaft, so ich von Kaiserlicher Majestät verehret bekommen, beschauet
hatten, ob' ich solche Arbeit erdacht hätte, aus dem denn leicht abzunehmen
U>ar, daß sie uicht weit in die Welt kommen, auch nicht wußten, was einem
rittermüßigen Manne zugehöret oder ihme gebühret. Nach Essens führte mich der
König selbst in seine Kammer, da thät ich meine Rede und Vordringen vor
ihm, welches der König und auch mich selbst ganz gnädig annahm. Doch


Grruzboten IV. 1877.
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[0461] Löffel und schlug meinen Diener damit, daß der Löffel in zwei Stücke sprang, mit dem andern Stücke, das ihr in der Hand blieb, schlug sie ihn zum andern Male ins Gesicht, daß ihm Maul und Nasen blutet. Wie ich dies sahe, schrie ich, er solle ihr bei Leibe nichts thun, sondern ihr die Hände halten, damit sie ihm nichts thun konnte, sie aber wandte ihm die Hände aus, ergriff ein Eisen, hätte es ihm in Leib gestoßen, wo mein Diener ihr nicht dasselbe ausgewunden hätte; schlug sie damit über den Kopf blntrinstig, doch nicht sehr, sondern die Schwarte war wenig geöffnet, als hätte man es mit einem Messer geschnitten. So bald schicket der Wirth nach des Richters Diener, ließ meinen Diener an eine eiserne Kette legen. Ich hatte zuvor dem Könige dnrch obgemelten meinen Diener, ehe denn er ins Gefängniß geleget, Schreiben übersendet, darinnen ich Seiner Majestät in Demut zu wissen that, wie ich von Kaiserlicher Majestät an Seiner Königlichen Majestät Würde eine Werbung hätte mit angeheffter Bitte, Seine Königliche Majestät wolle mir gnädige Audienz und Verhör wiederfahren lassen. Zu dem so konnte der König mir dazumal keine Antwort geben auf mein Schreiben, denn mein Diener nimmer Anregung thun mochte, so redete auch zu Hofe Niemand meines Knechtes halben das Wenigste vor dem Könige." „Als ich nun vermerkte, daß ich von Jedermann verlassen und verspottet ward, ging ich selbst zum Könige nnter der Mahl- oder Essenszeit mit meinem andern Diener, der konnte französisch. Bald als mich der König ansichtig ward, schickte er einen Doktor zu nur, der mich fragete, ob mir eine Herberge bestellet wäre, und zeigte mir im Namen des Königs an, ich wollte Geduld haben, bald nach Essens wollte mich der König verhören. Ick antwortet: Nein, ick'hätte keine Herberge, wäre auch derentwegen zu Seiner Majestät nicht kommen, sondern wegen meiner Legation, darumb ich abgefertigt, alt Bitte, Seine Majestät geruheten keinen ungenädigen Willen darob zu tragen, daß ich Zu Seiner Majestät nngefordert käme, es dränge mich aber die Noth dazu, denn demnach ich ihrer schon viel gebeten, hätte mich doch niemand bis dahin anzeigen wollen, derhalben wäre ich verursacht, solchergestalt zu und für Seiner Majestät erscheinen. Darnach fragten mich alle Hofleute, so zur selbigen Zeit zugegen waren, von mancherlei Sachen, gegen denen gedacht ich, wie es um weinen Diener stunde. Es frageten auch viel Herren zu Hofe, demnach sie die Gesellschaft, so ich von Kaiserlicher Majestät verehret bekommen, beschauet hatten, ob' ich solche Arbeit erdacht hätte, aus dem denn leicht abzunehmen U>ar, daß sie uicht weit in die Welt kommen, auch nicht wußten, was einem rittermüßigen Manne zugehöret oder ihme gebühret. Nach Essens führte mich der König selbst in seine Kammer, da thät ich meine Rede und Vordringen vor ihm, welches der König und auch mich selbst ganz gnädig annahm. Doch Grruzboten IV. 1877.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/461>, abgerufen am 25.08.2024.