Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

voll Ringe opfern, davon man den armen Leuten wider diese Krankheit aus¬
theilet, doch sagte mir der König selber, daß dies am Ostertage geschehe." --

"Von London zog ich auf einem Wege, da immer ein Dorf am andern
war, und kaum eines vom andern drei Gewände, bis ich gen Goar*) kam,
20 englische Meilen von London. Von Goar kam ich in eine Stadt Kameritz**)
genannt, vier und zwanzig Meilen davon gelegen, da ist eine Universität, und
davon fünfzig Meilen ist noch eine Universität Oxford genannt, welche zwei
Universitäten alleine in England sein und keine mehr. Wielef, ein geborener
Engellünder, hat anfänglich, als er aus Engelland vertrieben, und seine Bücher
verbrannt worden, in Böhmen seine Ketzerei bracht, dann er durch seinen
subtilen Verstand Oxford ausgeschöpft hatte, denn durch Ehrgeiz und um
eignen Nutzes willen ward er vom rechten auf einen bösen Weg gewendet.
Sein Irrthum und Gedächtniß glimmet und rauchet noch bis auf heute durch
Böhmen und Mähren, und wie minds ansiehet, wird es so bald ja ewiglich
nicht ausgelöschet werden. Denn man ihn derer Orte fast für einen Gott
hält. Von London bis gen Cameritz sind die Dörfer dicker aneinander, denn
sonsten anderswo in Engelland. Dieselbe Gegend ist auch mehr, denn an an¬
dern Orten in ganz England voll des schönsten Frauenzimmers, welcher gleichen
an Schönheit ich in aller Welt nicht gesehen, haben die Deutschen fast lieb,
lassen gerne mit ihnen freundlich scherzen, geben freundliche Küßlein aus, haben
liebliche schöne hausbackene Busen, haben von oben bis unten an von Natur
untersetzte und große Gliedmaßen, denn die deutschen Weibsbilder. Derselben
Gebrauch allda zu Lande ist, so oft ein fremder Mann aus andern Landen,
oder auch aus Engelland in einer ehrbaren Frauen Haus kommt, geben sie
ihm den Kuß im Eingang und wenn er weggeht. -- Wo auch einer im Land
von einer Stadt zur Andern wandert, oder aus dem Lande anderswohin ver¬
reiset, so bald er wieder zu Land kommt, und ihm die bekannten Weiber an¬
sichtig werden, in der Kirchen, auf der Gassen, oder anderswo, so gehen sie zu
ihm, küßen ihn ganz freundlich vor allen Leuten öffentlich, sind auch viel ge¬
treuer, denn die Männer, welche fast hitziger und eolerischer Art und Natur
sind und wenn sie vor Zorn erwärmen, erbarmen sie sich über Niemanden. --
England ist fast ein fruchtbar Land, darinnen Schafe, wie auch alles Getreides
überflüssig genug und ist wohl in Bekommung allerlei Frucht dem Lande
Mähren zu vergleichen, ausgenommen die Gebaut, und wiewohl dieses Alles,
auch der Rinder darin ein Ueberfluß ist, so sind doch alle Ding in theurem
Kauf, wegen des großen Geizes der Inwohner. Das Land hat zuweilen Ge-




Ware.
Kambridgo.

voll Ringe opfern, davon man den armen Leuten wider diese Krankheit aus¬
theilet, doch sagte mir der König selber, daß dies am Ostertage geschehe." —

„Von London zog ich auf einem Wege, da immer ein Dorf am andern
war, und kaum eines vom andern drei Gewände, bis ich gen Goar*) kam,
20 englische Meilen von London. Von Goar kam ich in eine Stadt Kameritz**)
genannt, vier und zwanzig Meilen davon gelegen, da ist eine Universität, und
davon fünfzig Meilen ist noch eine Universität Oxford genannt, welche zwei
Universitäten alleine in England sein und keine mehr. Wielef, ein geborener
Engellünder, hat anfänglich, als er aus Engelland vertrieben, und seine Bücher
verbrannt worden, in Böhmen seine Ketzerei bracht, dann er durch seinen
subtilen Verstand Oxford ausgeschöpft hatte, denn durch Ehrgeiz und um
eignen Nutzes willen ward er vom rechten auf einen bösen Weg gewendet.
Sein Irrthum und Gedächtniß glimmet und rauchet noch bis auf heute durch
Böhmen und Mähren, und wie minds ansiehet, wird es so bald ja ewiglich
nicht ausgelöschet werden. Denn man ihn derer Orte fast für einen Gott
hält. Von London bis gen Cameritz sind die Dörfer dicker aneinander, denn
sonsten anderswo in Engelland. Dieselbe Gegend ist auch mehr, denn an an¬
dern Orten in ganz England voll des schönsten Frauenzimmers, welcher gleichen
an Schönheit ich in aller Welt nicht gesehen, haben die Deutschen fast lieb,
lassen gerne mit ihnen freundlich scherzen, geben freundliche Küßlein aus, haben
liebliche schöne hausbackene Busen, haben von oben bis unten an von Natur
untersetzte und große Gliedmaßen, denn die deutschen Weibsbilder. Derselben
Gebrauch allda zu Lande ist, so oft ein fremder Mann aus andern Landen,
oder auch aus Engelland in einer ehrbaren Frauen Haus kommt, geben sie
ihm den Kuß im Eingang und wenn er weggeht. — Wo auch einer im Land
von einer Stadt zur Andern wandert, oder aus dem Lande anderswohin ver¬
reiset, so bald er wieder zu Land kommt, und ihm die bekannten Weiber an¬
sichtig werden, in der Kirchen, auf der Gassen, oder anderswo, so gehen sie zu
ihm, küßen ihn ganz freundlich vor allen Leuten öffentlich, sind auch viel ge¬
treuer, denn die Männer, welche fast hitziger und eolerischer Art und Natur
sind und wenn sie vor Zorn erwärmen, erbarmen sie sich über Niemanden. —
England ist fast ein fruchtbar Land, darinnen Schafe, wie auch alles Getreides
überflüssig genug und ist wohl in Bekommung allerlei Frucht dem Lande
Mähren zu vergleichen, ausgenommen die Gebaut, und wiewohl dieses Alles,
auch der Rinder darin ein Ueberfluß ist, so sind doch alle Ding in theurem
Kauf, wegen des großen Geizes der Inwohner. Das Land hat zuweilen Ge-




Ware.
Kambridgo.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139214"/>
            <p xml:id="ID_1313" prev="#ID_1312"> voll Ringe opfern, davon man den armen Leuten wider diese Krankheit aus¬<lb/>
theilet, doch sagte mir der König selber, daß dies am Ostertage geschehe." &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1314" next="#ID_1315"> &#x201E;Von London zog ich auf einem Wege, da immer ein Dorf am andern<lb/>
war, und kaum eines vom andern drei Gewände, bis ich gen Goar*) kam,<lb/>
20 englische Meilen von London. Von Goar kam ich in eine Stadt Kameritz**)<lb/>
genannt, vier und zwanzig Meilen davon gelegen, da ist eine Universität, und<lb/>
davon fünfzig Meilen ist noch eine Universität Oxford genannt, welche zwei<lb/>
Universitäten alleine in England sein und keine mehr. Wielef, ein geborener<lb/>
Engellünder, hat anfänglich, als er aus Engelland vertrieben, und seine Bücher<lb/>
verbrannt worden, in Böhmen seine Ketzerei bracht, dann er durch seinen<lb/>
subtilen Verstand Oxford ausgeschöpft hatte, denn durch Ehrgeiz und um<lb/>
eignen Nutzes willen ward er vom rechten auf einen bösen Weg gewendet.<lb/>
Sein Irrthum und Gedächtniß glimmet und rauchet noch bis auf heute durch<lb/>
Böhmen und Mähren, und wie minds ansiehet, wird es so bald ja ewiglich<lb/>
nicht ausgelöschet werden. Denn man ihn derer Orte fast für einen Gott<lb/>
hält. Von London bis gen Cameritz sind die Dörfer dicker aneinander, denn<lb/>
sonsten anderswo in Engelland. Dieselbe Gegend ist auch mehr, denn an an¬<lb/>
dern Orten in ganz England voll des schönsten Frauenzimmers, welcher gleichen<lb/>
an Schönheit ich in aller Welt nicht gesehen, haben die Deutschen fast lieb,<lb/>
lassen gerne mit ihnen freundlich scherzen, geben freundliche Küßlein aus, haben<lb/>
liebliche schöne hausbackene Busen, haben von oben bis unten an von Natur<lb/>
untersetzte und große Gliedmaßen, denn die deutschen Weibsbilder. Derselben<lb/>
Gebrauch allda zu Lande ist, so oft ein fremder Mann aus andern Landen,<lb/>
oder auch aus Engelland in einer ehrbaren Frauen Haus kommt, geben sie<lb/>
ihm den Kuß im Eingang und wenn er weggeht. &#x2014; Wo auch einer im Land<lb/>
von einer Stadt zur Andern wandert, oder aus dem Lande anderswohin ver¬<lb/>
reiset, so bald er wieder zu Land kommt, und ihm die bekannten Weiber an¬<lb/>
sichtig werden, in der Kirchen, auf der Gassen, oder anderswo, so gehen sie zu<lb/>
ihm, küßen ihn ganz freundlich vor allen Leuten öffentlich, sind auch viel ge¬<lb/>
treuer, denn die Männer, welche fast hitziger und eolerischer Art und Natur<lb/>
sind und wenn sie vor Zorn erwärmen, erbarmen sie sich über Niemanden. &#x2014;<lb/>
England ist fast ein fruchtbar Land, darinnen Schafe, wie auch alles Getreides<lb/>
überflüssig genug und ist wohl in Bekommung allerlei Frucht dem Lande<lb/>
Mähren zu vergleichen, ausgenommen die Gebaut, und wiewohl dieses Alles,<lb/>
auch der Rinder darin ein Ueberfluß ist, so sind doch alle Ding in theurem<lb/>
Kauf, wegen des großen Geizes der Inwohner. Das Land hat zuweilen Ge-</p><lb/>
            <note xml:id="FID_55" place="foot"> Ware.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_56" place="foot"> Kambridgo.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] voll Ringe opfern, davon man den armen Leuten wider diese Krankheit aus¬ theilet, doch sagte mir der König selber, daß dies am Ostertage geschehe." — „Von London zog ich auf einem Wege, da immer ein Dorf am andern war, und kaum eines vom andern drei Gewände, bis ich gen Goar*) kam, 20 englische Meilen von London. Von Goar kam ich in eine Stadt Kameritz**) genannt, vier und zwanzig Meilen davon gelegen, da ist eine Universität, und davon fünfzig Meilen ist noch eine Universität Oxford genannt, welche zwei Universitäten alleine in England sein und keine mehr. Wielef, ein geborener Engellünder, hat anfänglich, als er aus Engelland vertrieben, und seine Bücher verbrannt worden, in Böhmen seine Ketzerei bracht, dann er durch seinen subtilen Verstand Oxford ausgeschöpft hatte, denn durch Ehrgeiz und um eignen Nutzes willen ward er vom rechten auf einen bösen Weg gewendet. Sein Irrthum und Gedächtniß glimmet und rauchet noch bis auf heute durch Böhmen und Mähren, und wie minds ansiehet, wird es so bald ja ewiglich nicht ausgelöschet werden. Denn man ihn derer Orte fast für einen Gott hält. Von London bis gen Cameritz sind die Dörfer dicker aneinander, denn sonsten anderswo in Engelland. Dieselbe Gegend ist auch mehr, denn an an¬ dern Orten in ganz England voll des schönsten Frauenzimmers, welcher gleichen an Schönheit ich in aller Welt nicht gesehen, haben die Deutschen fast lieb, lassen gerne mit ihnen freundlich scherzen, geben freundliche Küßlein aus, haben liebliche schöne hausbackene Busen, haben von oben bis unten an von Natur untersetzte und große Gliedmaßen, denn die deutschen Weibsbilder. Derselben Gebrauch allda zu Lande ist, so oft ein fremder Mann aus andern Landen, oder auch aus Engelland in einer ehrbaren Frauen Haus kommt, geben sie ihm den Kuß im Eingang und wenn er weggeht. — Wo auch einer im Land von einer Stadt zur Andern wandert, oder aus dem Lande anderswohin ver¬ reiset, so bald er wieder zu Land kommt, und ihm die bekannten Weiber an¬ sichtig werden, in der Kirchen, auf der Gassen, oder anderswo, so gehen sie zu ihm, küßen ihn ganz freundlich vor allen Leuten öffentlich, sind auch viel ge¬ treuer, denn die Männer, welche fast hitziger und eolerischer Art und Natur sind und wenn sie vor Zorn erwärmen, erbarmen sie sich über Niemanden. — England ist fast ein fruchtbar Land, darinnen Schafe, wie auch alles Getreides überflüssig genug und ist wohl in Bekommung allerlei Frucht dem Lande Mähren zu vergleichen, ausgenommen die Gebaut, und wiewohl dieses Alles, auch der Rinder darin ein Ueberfluß ist, so sind doch alle Ding in theurem Kauf, wegen des großen Geizes der Inwohner. Das Land hat zuweilen Ge- Ware. Kambridgo.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/455>, abgerufen am 25.08.2024.